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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Schmeddinghoff, Anton: Ein bisher unbekanntes Bild von dem "Meister des Marienlebens" in Bocholt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0038

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Nr. .1/2 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. 29

Stimmung, oben ein dunkles Blau, das sich allmählich nach dem Horizonte
aufhellt und in mattes Weiß übergeht. Der reiche, landschaftliche Hintergrund
mit der Stadt Jerusalem und den blauen Höhenzügen in der Ferne kehrt in
ähnlicher Weise wieder auf dem Kölner Kruzifixusbilde und der Kreuzabnahme,
bei jenem auch die als Silhouetten vor dem Himmel stehenden Bäume. Wie
auf der Cueser Kreuzigung und dem Kölner Kruzifixus führt auch auf dem
Bocholter Gemälde ein Weg in Windungen von der Stadt zwischen Hügeln
hindurch zu dem in ebenem Vordergrunde stehenden Kreuze, hier wie dort
ist der Boden mit einzelnen, verstreuten kleinen Steinen bedeckt, wie es auch
die Kreuzabnahme (Köln) und das Nürnberger Bild zeigen. Auf allen Gemälden
kehrt die schmale, schlanke Form des Kreuzes wieder, teilweise mit der in
gleicher Form gehaltenen Inschrift. — Der Christuskörper ist auf allen Dar-
stellungen in München, Köln, Bonn, Cues und Bocholt fast genau übereinstimmend,
bei dem Bocholter Kruzifixus ist das Antlitz außerordentlich edel im Ausdruck
und der Korpus selbst gut durchmodelhert. Auch manche Einzelheiten, wie
Fall und Länge des Haupthaares, der spärliche Bart, die Nagelung der Hände
und Füße, das Fließen des Blutes wiederholen sich in genau derselben oder
doch ganz ähnlicher Weise. Mit dem Kölner Kruzifixus hat der Christus
unseres Bildes auch das Ausbiegen der Knie gemeinsam. Die Gottesmutter
zeigt in Haltung, Kopfneigung und Gesichtsausdruck sowie in der Gewandung
mancherlei Ähnlichkeit und Verwandtschaf t mit der auf den Kölner Bildern, auch
die Art, wie sich die feinen, scharfumrissenen Finger ineinander fügen, findet
sich dort. — Johannes hat denselben Gesichtstypus und herben Ausdruck, ähn-
liche Haartracht und Gewandung hier wie dort. Die kleinen Engel, welche das
Blut auffangen, gleichen denen auf dem Bilde der „Heimsuchung Maria" in
München, während die Form der von ihnen gehaltenen Kelche der auf dem
Kölner Kruzifixusbilde entspricht. — Besonders auffallend ist die Übereinstimmung
in der Darstellung des Stifters mit dem auf dem linken Flügel des Kölner Trip-
tychons und auf dem Nürnberger „Tempelgang Maria", wo Haltung, Tracht und
Farbe des Gewandes sich außerordentlich gleichen, wenn auch der Maßstab der
Figur auf dem Bocholter Bilde kleiner ist.

Als besondere Eigentümlichkeit des Meisters des Marienlebens erscheint auf
fast allen Darstellungen die festgepreßte, etwas vorgeschobene Unterlippe bei den
männlichen Personen, wie sie auf dem Bocholter Gemälde besonders bei dem
Bischöfe links auffällt. Charakteristisch für unsern Meister ist auch die überall
wiederkehrende abgespreizte Haltung des Daumens. Auf der Bocholter Dar-
stellung beobachten wir sie bei Johannes und dem links stehenden Bischöfe, auf
dem Kölner Kruzifixusbilde bei Johannes, der die trauernde Mutter stützt, auf der
großen Cueser Kreuzigungstafel bei Longinus und einem der drei zu einer Gruppe
vereinigten Juden, auf dem Nürnberger Bilde bei Joachim und einem gegenüber-
stehenden Juden. Auch die eigenartige Haltung der Finger der rechten Hand
Johannes' findet sich wieder bei der Hand des segnenden Christus im Wallraf-
Richartz-Museum. — Die Farben des Gemäldes zu Bocholt haben denselben
schönen Zusammenklang von Dunkelblau, Weiß, Kirschrot, Maigrün und Braun,
erhöht durch das Gold der Heiligenscheine wie die Münchener, Bonner und
Cueser Gemälde, und die Fai bentöne sind recht kräftig und leuchtend, noch
nicht blaß und weich wie auf seinen letzten Bildern, z. B. der Kreuzabnahme.

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