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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Beitz, Egid: Die christliche Kunst und die Trennung von Kirche und Staat
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0079

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 5/6

bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie es bisher waren.
In diesem Artikel ist der Kirche auch das Besteuerungsrecht zugestanden.
Artikel 138 sagt: Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstitel beruhenden
Staatsleistungen an die Rehgionsgesellschaften werden durch die Landesgesetz-
gebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.

Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen
Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten
Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet.

Man sieht, hier hat das religiöse Empfinden der überwiegenden Mehrheit des
Volkes dem Radikalismus des sozialistischen Erfurter Programms doch ganz
erheblich die Flügel beschnitten. Aber das darf uns nicht beruhigen Die Artikel,
auch einer Reichsverfassung, sind in heutiger Zeit leicht umgestoßen. Ein be-
sonderer Gefahrpunkt für die Kunstpflege liegt auch heute schon in der Be-
stimmung, daß eine Reihe von Staatsleistungen an die Kirche durch die Landes-
gesetzgebung abgelöst werden sollen. Es ist allgemein bekannt, daß die einzel-
nen deutschen Staaten infolge der Säkularisation der Kirchengüter vor mehr als
100 Jahren erhebliche finanzielle Verpflichtungen gegen die Kirche haben. Diese
Verpflichtungen sollen nun wieder in einer noch nicht geregelten Weise abgelöst
werden. Erfolgt diese Ablösung zum Nachteil der Kirche, so kann ihr die Er-
füllung künstlerischer Aufgaben erheblich erschwert, vielleicht gar unmöglich
gemacht werden. Tröstlich ist allerdings andererseits wieder die Festlegung der
Reichsverfassung, daß das Eigentum der Kirche an ihren Kultusanstalten, Stif-
tungen und sonstigen Vermögen gewährleistet sei. Damit sind jedenfalls für heute
die kirchlichen Kunstdenkmäler, bewegliche und unbewegliche, als der Kirche
gehörig, verfassungsmäßig anerkannt. Allerdings die kanonisch-rechtlichen Be-
stimmungen über den Schutz der Kunstdenkmäler der Kirche finden hier keines-
wegs den vollen Schutz des bracchium saeculare. Nur ein Teil der trefflichen
Kunstschutzbestimmungen des neuen corpus juris canonici läßt sich auf zivilem
Rechtswege durchführen. Für den anderen Teil versagt der Staat seine exekutive
Gewalt, und es bleibt der Kirche nichts anderes übrig, als sich diesbezüglich auf
den Standpunkt des toleran posse zu stellen.

Es wurde bisher vorwiegend vom alten Kunstbesitz der Kirche gesprochen,
doch dürfen dabei die neuzeitliche Kunst und ihre Künstler nicht vergessen
werden, obwohl es scheint, als ob unter der hohen Wertung des Alten das Neue
zu kurz komme. Denn was nicht alt oder nicht alten Stilformen nachgebildet
ist, wird vielfach nicht als künstlerisch gewertet und mancher Lehrer der Kunst-
geschichte macht um die Mitte des vorigen Jahrhunderts oder gar noch früher
hinter die christliche Kunst einen Strich. Was später kommt, gilt nur noch, wenn
es gotisch oder romanisch nachempfunden ist. Sehr mit Unrecht! Wollen wir
den Kampf gegen die Trennung von Kirche und Staat mit ihren Schäden für
die Kunst siegreich zu Ende führen, dann bedürfen wir vor allem der Bundes-
genossenschaft der lebenden Künstler. Viele von ihnen sind im Taumel der
Revolution in das sozialistische Lager hinübergegangen. Heute wissen sie, daß sie
einem Irrlicht gefolgt sind, und sie kämen gerne zurück, denn bei den Freunden
der Trennung von Staat und Kirche fanden sie ihre Ideale nicht, dort hungern sie,
und der Sozialismus bewilligt ihnen im Verein mit den andern politischen Parteien
in den Städten von Zeit zu Zeit Unterstützungsmittel wie den Armen, damit sie


 
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