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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 1.1923-1925

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Band 1, Heft 1
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Potier, Othmar: Aus der Emdener Rüstkammer
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Zu den Tafeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.69977#0040

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26

ZU DEN TAFELN

BAND l

Unabhängigkeit des evangelischen Glaubens in ihrer
Heimat eingetreten war, so wurde sie für diese Übers
zeugungstreue mit der Entziehung des größten Teiles
ihres riesigen Grundbesitzes vom Wiener Elof bestraft.
Welchem Sprossen dieses Geschlechtes diese in der
Emdener Rüstkammer aufbewahrte Büchse angehört
haben mag, dafür gibt uns in zeitlicher Hinsicht die
auf dem Lauf eingeschlagene Jahreszahl 1614 einen
Anhaltspunkt. Leider herrscht jedoch bezüglich des
Johann Dionys, über dessen Existenz sich sogar der
Stammbaum der Zierotins ausschweigt, von dem auch
die Genealogen v. Hormayr, d’Elvert ebenso wenig
wissen wie Zedier und v. Wurzbach, die größte
Ungewißheit.
Ein Dionys Zierotin lebte in der zweiten Hälfte
des 16. und starb zu Anfang des 17. Jahrhunderts.
Im gräflichZierotinschen Archiv zu Blauda in Mähren
werden zwei Faszikel von in tschechischer Sprache ge*
schriebenen Briefen aus den Jahren 1597—1605 und
1608 eben dieses Dionys aufbewahrt.
Übersatt der Drangsalierungen wegen seines evan*
gelischen Glaubens wanderte ein Johann Zierotin nach
Elbing aus und starb dort um 1628. Hier wurden
1857 unter dem Dach einer Kirche mehrere Särge
gefunden und in einem derselben die Überreste dieses
Johann Zierotin erkannt. Ein Versuch der gräflichen
Familie, den Leichnam ihres Vorfahren in ihren Besitz
zu bringen, scheiterte an dem hochentwickelten Ges
schäftsgeist der Eibinger (Innsbrucker Volks* und
Schützenzeitung vom 12. März 1858, S. 178).
Ob der zuerst genannte Dionys auch den Namen
Johann; ob der zweitgenannte Johann als Neben*
namen den Namen Dionys geführt habe; ob nicht
vielleicht gar der Schreiber der Briefe, von welchen
vorhin die Rede war, dieselbe Person ist wie der zu
Elbing verstorbene Auswanderer, ob dieser vielleicht
in Emden vorher vorübergehend Aufenthalt ge*
nommen hatte: Über alle diese Fragen verweigert
das Archiv zu Blauda jede Auskunft. Sicher ist nur,

daß die nach Emden verschlagene Büchse einen um
1614 lebenden Grafen Zierotin eigentümlich angehört
habe, was auch der auf dem Kolben eingravierte zwei*
schwänzige böhmische Löwe beweist, welcher ins
Wappen der Grafen Zierotin übergegangen war.
Die Möglichkeit, daß der Besitzer dieser 223 cm
langen Büchse nach der Schlacht am Weißen Berg
(1620) in das damals streng kalvinische Emden von
der Flut der Flüchtigen gespült worden war, ist sehr
naheliegend. Mancher dieser Auswanderer gewann
in Emden sogar eine neue Heimat. So des Winter*
königs Kriegsminister, der Graf Hohenlohe*Langen*
bürg, der sich 1623 in der Burgstraße ein großes Haus
mit Garten kaufte, so desselben Königs Hofprediger
Abraham Scultetus, der 1624 als Prediger an der
großen Kirche starb. Auch auf Schenkungen flüch*
tiger Protestanten dürften vielleicht so manche schöne
Feuerwaffen in Emdens Rüstkammer zurückzuführen
sein, wozu der Zwang, sich dieses nutzlos gewordenen
und auf der Reise ins Ungewisse als hinderlich er*
kannten Ballastes entledigen zu müssen, nicht wenig
mitgewirkt haben mochte.
In der kunstreichen Verbeinung der Schäfte an
den unter Nr. 1194/95 (S. 65 des Inventars) verzeich*
neten Pirschbüchsen erkennt H. Stöcklein (Meister
des Eisenschnittes) Arbeiten von der Meisterhand
des Schäfters Hieronymus Borstorffer. Im Gegen*
satz dazu will Herr Professor Dr. Ritter in den frag*
liehen Einlagen dieBuchstaben F F aufgefunden haben.
Mir waren diese unbegreiflicher Weise entgangen.
Die Angabe (S. 117 des Inventars), Martin Höder
habe in Moskau gearbeitet, beruht natürlich nur auf
einem leicht erklärlichen Druckfehler, der auch in
Boeheims „Waffenkunde“ S. 672, Sp.2 zu finden ist.
Selbstredend ist nicht Moskau, sondern das im preußi*
sehen Regierungsbezirk Liegnitz, Kreis Rotenburg,
gelegene Muskau gemeint, was auch klar und deut*
lieh aus der auf dem Lauf eingestempelten Inschrift
hervorgeht.

ZU DEN TAFELN

I. MEISTERWERKE DER WAFFENSCHMIEDEKUNST.
Tafel VII
Im Rittersaale zu Erbach ist außer fünf anderen Rüstungen
auf geliegerten Rossen auch diese aufgestellt. Die Mannen*
rüstung entstammt dem Anfang des 16. Jahrhunderts und
zeigt die ersten schüchternen Anfänge der später so ent*
wickelten Kanneliierungen des Maximiliansharnisches. Die
Rillen sind sparsam, weit auseinandergestellt und kurz, der
Fuß ist glatt. Der Helm gehört nicht dazu. Der Küraß weißt

Eigentümlichkeiten auf, die an Stechzeuge erinnern, die
schmalen kurzen Bauchstreifen und ein „Schwänzel“. Es wäre
anzunehmen, daß die Rüstung zum „Turnier“ gedient habe,
das im „ganzen Kyris“ geritten wurde, wenn nicht jede Vor*
richtung zum Anbringen der Gardebras oder sonstiger Ver*
Stärkungsstücke fehlte. Es ist nicht klar, was die genannten
Einrichtungen bezwecken. Der Roßharnisch, von dem die Roß»
stirn zur Rüstung gehört, ist der typisch leichte. Die Spangen
liegen auf starkem Rindsleder. Der Kyrissattel ist mit einem
 
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