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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 1.1923-1925

DOI Heft:
Band 1, Heft 2/3
DOI Artikel:
Gaerte, Wilhelm: Ein altpreussischer Helm
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https://doi.org/10.11588/diglit.69977#0059

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ZEITSCHRIFT FÜR HISTORISCHE WAFFEN- UND KOSTÜMKUNDE
NEUE FOLGE, BAND 1 (10) OKTOBER 1923 HEFT 2/3

EIN ALTPREUSSISCHER HELM
VON WILHELM GAERTE.

Bei den Fortifikationsarbeitcn in der Nähe von
Gr. Friedrichsberg etwa 1 Meile westlich Königs-
bergs i. P. stieß rnan im Jahre 1889 auf ein Gräber-
feld mit Aschenschichten, durchsetzt von Pferde-
und Menschenskeletten, das auf Grund der zutage
getretenen Fundgegenstände Ringfibel, Steig-
bügel, Speerspitzen mit Angel, Schwerter nordi-
schen Typus mit Parierstange und Knauf und schei-
bengedrehte Gefässe mit Wellenornament — un-
zweifelhaft der jüngsten heidnischen Zeit von Ost-
preußens Vorzeit, also etwa dem 11.—13. Jahr-
hundert zuzuweisen ist1). Hier fand sich auch der auf
Tafel III abgebildete Helm, angeblich zusammen mit
zwei versilberten Steigbügeln.
Der Helm von leicht nach außen geschweifter koni-
scher Form besteht aus vier dreieckigen Bisen-
platten, die mit dünnem, vergoldetem Bronzeblech
belegt sind. Die Ränder des vorderen und hinteren
Eisenblattes sind gezackt und liegen eisern ver-
nietet über den Rändern der seitlichen Platten.
Unten zieht sich ringsherum ein eisernes Band. Auf
der vorderen Platte reichte ehemals etwa bis zur
halben Höhe ein jetzt nur noch in schwachen Resten
vorhandenes, ebenfalls mit eisernen Nieten befestig-
tes eisernes Besatzstück2) hinauf, das in der
Hauptsache von dreieckiger Form gewellte Seiten-
konturen gehabt haben muß. Beiderseits trägt der
Helm viereckige kleine Bronzeplatten mit leichten
Einziehungen in der Mitte der Ränder und einem
1,3 cm hohen stumpfen bronzenen Knopf von der
Form des Aufsatzes unserer früheren deutschen
Friedenshelme. Zur Befestigung eines Haarbusches
sitzt oben eine 3,8 cm lange und 0,5 cm im Durch-
messer haltende bronzene Tülle, hineingestellt in
einen eisernen Spitzenbeschlag mit vier herabhän-
genden kreuzblumenartigen Ansätzen. Die Tülle weitet
sich oben und unten zu einem gekehlten Ring. Bemer-
kenswert ist die nach außen getriebene Doppelperlreihe
an den seitlichen Besatzstücken und an den bron-
zenen Borten, welche die gezackten Ränder des Vor-
1) Vgl. Schriften der Physik.-ökonom. Gesellschaft
in Königsberg, Sitzungsberichte, Bd. XXX. S. 31.
2) Reste davon sind auf der Abbildung links noch er-
kennbar.

der- und Hinterblattes begleiten. Im Innern ist das
stark vom Rost durchsetzte Futter noch erhalten.
Die ganze Höhe des Helmes mißt bis zur Spitze
29,3 cm.
Ein gleiches Exemplar des beschriebenen Helm-
typus ist mir bisher nicht bekannt geworden. Von
den germanischen Helmformen der Völkerwande-
rungszeit, von denen man schon eine Anzahl kennt3),
weicht der in Rede stehende Typus im allgemeinen
ah. Nur einige konstruktiv-technische Einzelheiten
verbinden ihn mit jenen, so die Doppellage der
Wandungsblätter und die Haarbuschtülle4). Wir
dürfen also den Ursprung des altpreußischen Hel-
mes, der gewiß nach dem Pruzzenlande eingeführt
ist, nicht im Westen, sondern anderswo, suchen.
Nun haben sich in Südrußland eiserne Helme
gefunden, die in Form und Technik dem altpreußi-
schen sehr nahe stehen5). Ihre geschweift-koni-
sche Kontur wie die Vierblättrigkeit zeigen an, daß
wir es mit demselben Typus zu tun haben. Auch
auf Wandgemälden in Gräbern von Kertsch aus dem
Anfang des 2. nachchristlichen Jahrhunderts tragen
die dort dargestellten Krieger Helme der gleichen
Form6 7). Daß sich der besagte Helmtypus gerade
in Südrußland in verhältnismäßig früher Zeit vor-
findet, kann nicht wundernehmen. Ist doch bereits
den Assyrern die gleiche Art des Kopfschutzes —
möglicherweise aus Leder — eigentümlich gewesen ')
(vgl. A. Demmin, Die Kriegswaffen’ 1893 S. 160).

3) Vgl. R. Forrer, Reallexikon der prähistorischen, klas-
sischen und frühchristlichen Altertümer s. v. Helm und
J. Hoops, Reallexikon der germanischen Altertumskunde
s. v. Helm (M. Ebert).
4) Vgl. z. B. den Spangenhelm von Gültlingen und
Baldenheim: L. Lindenschmit, Altertümer unserer heidn.
Vorzeit V Taf. 11; 35.
5) Vgl. Prähistorische Zeitschrift I 1909, S. 67 Abb. 1
(M. Ebert) und Mannus I 1909, S. 121 Abb. 1 „ostgotischer
Flelm aus Südrußland“ (A. Götze).
6) Prähistorische Zeitschrift a. a. O.
7) Für die Entwicklungsgeschichte unseres altpreu-
ßischen Helmes sind diese assyrischen Helmdarstellungen
insofern von Interesse, als an ihnen bereits unteres Stirn-
band und besonders aufgesetzte Stirnplatte in Erscheinung
treten.

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