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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 1.1923-1925

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Band 1, Heft 1
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Literatur
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Vereinsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.69977#0055

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HEFT 1

VEREINSNACHRICHTEN

37

Kaftan, zu dem eine dickwattierte konische Mütze und ein
ebensolcher, mit Eisenblechen verstärkter Flelm mit hohem
Aufsatze gehört. Als Angriffswaffen dienen eine 2,08 m lange
Lanze mit mächtigem Blatteisen von 43 cm Länge und 10,5 cm
Breite, sowie das bekannte Haussaschwert mit seiner langen
geraden Klinge und kurzer gerader Parierstange.
Diese bei der Tropenglut des Sudans für Mann und Roß
fast unerträgliche und daher nur eine langsame Fortbewegung
gestattende Wattepanzerung ist aber, wie Zeller durchaus
zutreffend hervorhebt, kaum eine an Ort und Stelle ent
standene Erfindung, zumal auch im übrigen Kulturbesitz
und gerade bei der Bewaffnung Formen auftreten, welche
deutlich nach Norden weisen. So ist das typische Haussa»
schwert aus dem römischen oder mittelalterlichen einhändigen
Schwert abzuleiten, und auch die im zentralen und östlichen
Sudan gebrauchten Kettenpanzerhemden und die teilweise
sogar mit Visierstangen versehenen Eisenhelme weisen auf
das Mittelalter und den Nordosten hin. Hierbei kommen so»
wohl die Kreuzfahrer in Betracht, an die das heute noch auf
den großen Fcllschilden der Tuareg — wenn auch als unver»
standenes Dekorationsmotiv — auftretende Malteserkreuz ge»
mahnt, als auch die älteren Beziehungen zum asiatischen Orient
und zu Südeuropa, insbesondere zu dem alten Byzanz, das
auf die ganze Kultur des Westsudans den größten Einfluß
ausgeübt hat. Dies gilt namentlich für den sonst bei der
afrikanischen Hitze schwer verständlichen Wattepanzer, dessen
Vorbild in dem gleichartigen Panzer der alten Leibgarde der
oströmischen Kaiser zu erblicken ist, wie denn auch sogar
die um den Hals des Pferdes gehängte Glocke sich im Sudan
bis auf unsere Tage erhalten hat.8)
Bei dieser Gelegenheit darf daran erinnert werden, daß der
auch in Deutschland zu einer Zeit, als alles in Eisen starrte,
übliche Körperschutz durch dicke Stoffe, entsprechend den
dickgesteppten Halsbergen und Waffenröcken der Ritter des
14. bis 16. Jahrhunderts,4) sowie den gepolsterten Ärmeln der

Landsknechte und der Turnierritter bei verschiedenen Arten
des Rennens,5) schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts eben»
falls auf den sonnendurchglühten Schlachtfeldern Afrikas eine
Rolle gespielt hat, womit eine Episode deutschen Heldentums
verknüpft ist.
Als nämlich Kaiser Karl V. im Jahre 1535 mit Italienern,
Spaniern und Deutschen durch Burgund nach Tunis zog und
am 15. Juni bei Goletta sein Heer ordnete, stand um ihn sein
Leibregiment, aus 4000 deutschen Zeug» und Tuchmachern
zusammengesetzt, die freiwillig für die Vorrechte ihrer Zunft
ihm zugezogen waren. Anstatt Helm und Harnisch trugen sie
Beinkleider, Wams und Barett aus einem von dem Tuch»
macher Ostermann im Jahre 1527 erfundenen, aus zwei Filz»
lagen bestehendem Waffentuch, fester als Hutfilz, von dessen
blutroter Farbe sie auch die deutschen Blutmänner hießen.
Mit einem Schlachtschwert und dem langen Landsknechtspieß
bewaffnet, standen sie wie eine Mauer in ihrem Gevierthaufen,
an dem sie die feindliche Reiterei des Hayreddin Barbarossa
anprallen ließen und vernichteten. Nach zweistündigem
Kampfe, wobei der riesengroße Geselle Joseph Kopp aus
Moosburg in Bayern allein 23 Reiter niederstreckte, ent»
schieden sie den Sieg, der die Übergabe von Goletta am
22. Juni und von Tunis selbst am 24. Juni zur Folge hatte.
Den noch überlebenden 3000 Tuchmachern drückte der Kaiser
seinen Dank mit den Worten aus: „Ihr habt ein Königreich
erobert, Ihr sollt daher königliche Zeichen tragen!“ Und als
dem Kaiser auf dem Heimwege der Herzog von Burgund mit
9000 Mann das Land versperrte, stürmten die Tuchmacher
die Schanzen und nahmen den Herzog gefangen. Für diese
erneute Heldentat erhielten sie das Burgundische Kreuz,
durften das Schwert tragen und ihre Gesellen wurden Knappen
geheißen. Auf der Rheinbrücke lösten sie sich auf, die Städte
bewirteten die Heimziehenden und in ihrer Heimat wurden
sie durch ihre Wahl zu Ratsherren, Zunftmeistern, Bürger»
meistern und Kirchenältesten hochgeehrt.0) Walther Rose

VEREINSNACHRICHTEN

1. Sitzung der Berliner Mitglieder im Zeughaus. Am
18. Oktober versammelten sich die Berliner Mitglieder des
Vereins zum ersten Male zu wissenschaftlicher Unterhaltung
im Zeughause. Nach einigen einleitenden Worten namentlich
des Dankes an Herrn Direktor Binder, der die Zusammen»
künfte an diesem Ort und in dieser Form ermöglicht hat, hielt
Herr Dreger den ersten Teil eines Vortrags über
„Die technische Entwicklung des Flitzbogens“,
an der Hand von Beispielen, die von den Herren Direktoren
des Museums für Völkerkunde hergeliehen waren. Der Ge»
dankengang des Vortrags war folgender:
Wichtigkeit des Bogens für die Menschheitsgeschichte als
technisches Wunder, als naher Verwandter des Feuerbohrers
und der musikalischen Saiteninstrumente und als Waffe. Richtige
Wertschätzung bei der Vorgeschichte und Völkerkunde, geringe
Beachtung seitens der historischen Waffenkunde, gar keine seitens
derTechnik. Und doch keine andere der altenWaffen der Bewun»
derung so wert. Grundlagen für die Konstruktion des Bogens:
3) Vgl. auch den Aufsatz von C. Arriens: Das uralte Byzanz im Gefolge der
Türkei. Gartenlaube 1915, 25. Heft, S. 532 —534 (mit Abbildungen Sudanesischer
Panzerreiter).
*) Vgl. Demmin: Die Kriegswaffen, 4. Auf!., Leipzig 1893. Abb. S. 402,433,444.

Die Stellung des Schützen und die Haltung des Bogens
beim Gebrauch.
Die sich hieraus ergebenden natürlichen Maße für die Länge
der Bögen.
Die elastischen Vorgänge beim Spannen.
Bewertung der verschiedenen Längen und Querschnitte.
Grenzen der Anwendung eines einfachen Werkstoffs.
Verhältnisse, die zur Benutzung verschiedener Werkstoffe
für die verschiedenen Schichten verschiedener elastischer
Beanspruchung zwingen.
Die natürliche Spannweite und Pfeillänge.
Erfahrungsmäßige Größe der Muskelkraft, die der Schütze
zum Spannen dauernd aufzubringen vermag. Ermittlung
durch Abwägen.
Ansteigen dieser Kraft von Null bis zur Endspannung:
a) Durch die ständig wachsende elastische Inanspruchnahme
der Bogenarme,
b) durch die ständig abnehmende Länge der Hebelarme.
5) Vgl. Boeheim a. a. O. S. 556ff. S. 562 Fig. 651, S. 563 Fig. 652.
6) Nach den, schon in den hinterlassenen Notizen des Postdirektors Josef von
Scheiger (Z. H.W. K. 1, 292 u. 293) erwähnten Mitteilungen des Geschichts* und
Altertumsvereins zu Leisnig, 7. Heft, S. 51, Leisnig 1868.
 
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