Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 1.1923-1925

DOI Heft:
Band 1, Heft 4
DOI Artikel:
Literatur
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69977#0128

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
110

LITERATUR

BAND 1

LITERATUR

Bernhard Rathgen, Die Pulverwaffen und das Ant-
werkbisl450. (Zwei Kapitel aus dem noch ungedruckten
Werke obigen Titels: „Die Pulver- und Feuerwaffen
in Naumburg, 1348—1449“ und „Die Pulverwaffen im
Deutschordensstaate bis 1450“, die als vorläufige Ein-
zeldrucke erschienen sind.)
„Die Pulver- und Feuerwaffen in Naumburg von 1348
bis 1449“ (Sonderdruck aus dem Naumburger Tageblatt
Naumburg a. S., Sieling 1921, 48 S.). Die Arbeit stützt
sich auf die Kämmereirechnungen der Stadt Naumburg,
die von 1348 an erhalten sind. Die früheste Rechnung
stammt aus dem letzteren Jahre und in ihr ist die Pulver-
waffe bereits erwähnt; ein Beweis dafür, daß sie nicht
nur am Rheine, sondern auch in Mitteldeutschland um
jene Zeit im Gebrauch war und, wie die später behan-
delten Rechnungen zeigen, dauernd weiterhin verwendet
wurde. Der Verfasser geht systematisch vor, indem er
im Wortlaute alle die Stellen wiedergibt, in der die
Pulverwaffe in den Stadtrechnungen vorkommt. Die Aus-
gaben sind bis zum Jahre 1390 lateinisch, von da an
deutsch geschrieben. Durch die Veröffentlichung dieses
Urkundenmaterials ist eine Basis geschaffen, von der aus
man unbedingt sichere Folgerungen ziehen kann, die
falsche Schlüsse unmöglich machen und die jederzeit
nachgeprüft werden können; auf diesem Wege allein ist
ein Arbeiten auf dem Gebiete des frühen Geschützwesens
ersprießlich.
Rathgen behandelt auf Grund der feststehenden Werte
zuerst „die Büchse“; die 1348 vorkommende wird ,,in-
strumentum“ genannt, das Pulver „ignis graecus“; sie
schoß noch Pfeilbolzen. Diese erste Büchse ist vermut-
lich aus oder über Erfurt nach Naumburg gekommen.
1357 werden dann Bronzerohre erwähnt; alle diese Ge-
schütze waren kleinen Kalibers. Die erste Steinbüchse
wird 1393 gegossen, eine Handbüchse kommt 1419 vor.
Das Auftreten des fahrbaren Feldgeschützes, der Tarras-
büchse, fällt in das Jahr 1445. Ganz genau ist der Guß
einer großen Büchse, eines Mauerbrechers aus dem Jahre
1448 geschildert. — Auf die verschiedenen Büchsenarten,
die auch nach der technischen Seite klargelegt werden,
folgt das Geschoß: 1348 noch ein Pfeil, 1373 bereits die
Bleikugel, 1394 für die Steinbüchse eine solche aus Stein,
1446 mit der Tarrasbüchse die geschmiedete Eisenkugel.
Wir erhalten ferner einen Einblick in die Bereitung des
Pulvers, das zuerst von auswärts bezogen, dann an Ort
und Stelle hergestellt wurde. Eine Tabelle gibt eine
Übersicht über die Gewichte der Büchsen, nach Jahr,
Anzahl, Kaufpreis, Arbeitslohn, Rohrgewicht in Pfund,
Geschoß eingeteilt; eine zweite die nachgewiesenen Pul-
vermengen nach Kauf- und Pfundpreis des Salpeters und
Pulvers, ferner des Arbeitslohns im ganzen. Solche Ta-
bellen sind zum Vergleiche äußerst wichtig, wenn sie
auch nie ganz vollständig hergestellt werden können.
Der Verf. beschäftigt sich dann mit der Armbrust, mit
den Büchsenmeistern, dem Zeughaus, „der Wehre“ und
dem Antwerk, dessen Vorkommen er aus den Stadtrech-
nungen belegt. Zum letzteren gehören die Blide, der
„Selbscoch“, das Drehkraftgeschütz, und dann der „Tum-
meier“, der Sturmbock. Der Verf. vergleicht schließlich die

Ergebnisse der Stadtrechnungen von Naumburg mit den
beinah noch interessanteren und äußerst wichtigen von
Frankfurt a. M., deren Rechnungen ebenfalls von
1348 an fortlaufend erhalten sind. In Frankfurt muß je-
doch die Pulverwaffe schon längere Zeit vorher im Ge-
brauch gewesen sein; in Naumburg wird sie im Jahre
1348 eingeführt. Die dauernde Mitarbeit Deutschlands
an der Entwicklung der Pulverwaffe, die manchmal be-
stritten wurde, ist ebenso wie für Frankfurt auch hier
für Naumburg erwiesen. An beiden Orten sind die oben-
genannten Büchsen aus Bronze gefertigt. Das beweist
die Überlegenheit Deutschlands in der Pulverwaffe den
andern Ländern gegenüber, die bei der mangelnden Be-
herrschung des Bronzegusses gezwungen waren, ihre
Büchsen aus Eisen zu schmieden. Die Legende, daß die
ersten Büchsen Riesenabmessungen gehabt, daß sie von
Anfang an schwere Steinkugeln verfeuert hätten, das
Übertragen der um 1377 auftretenden großen Steinbüchseri
auf die Anfangszeiten der Pulverwaffe, wird durch die
Rechnungen beider Städte bündig widerlegt. — Der Aus-
bau der für die Geschichte SO' wichtigen Pulverwaffe
erfolgte nicht in Italien, sondern in Deutschland.
Diese Darlegung Rathgens über die Pulverwaffe in der
kleinen Stadt Naumburg gibt uns ein klares und deut-
liches Bild, wie er seine Gesamtuntersuchung über das
Aufkommen der Pulverwaffe in ganz Deutschland ge-
stalten will und welche Bedeutung einer solchen zuzu-
sprechen ist.
Die zweite Untersuchung treffen wir in der umfang-
reichem und auch illustrierten Arbeit „Die Pulverwaffe im
Deutschordensstaate bis 1450“. (Anhang: „Ein Alt-Elbin-
ger Geschütz aus Peter Vischers Gießhütte“, Sonderdruck
aus dem Eibinger Jahrbuch, Heft II, Elbing 1922, 116 S.)
An gleicher Stelle wird noch in diesem Jahr eine Abhand-
lung über die bekannte „faule Grete“ erscheinen.
Der Verf. geht in dieser Arbeit von den gleichen
Grundsätzen aus wie bei der vorigen. Die Unter-
lage bilden die Rechenbücher des festgefügten Be-
amtenstaates des Deutschen Ordens; sie sind für das
gesamte große Ländergebiet nach einheitlichen Grund-
sätzen gefertigt worden, deren Richtigkeit durch die
strengen Visitationen des für das Ganze verantwortlichen
Großkomturs geprüft wurden. Wohl kaum bei einem an-
dern Staat oder einer Stadt lassen die Archivalien die
Entwicklung des Waffenwesens rechnungsmäßig so genau
erkennen wie bei denen des Deutschordensstaates. Die vor-
liegende Arbeit ist ein Musterbeispiel dafür, was aus einem
solchen Material herauszuholen ist. Die Zusammenstel-
lung der Inventarien und der Rechnungen läßt die Ent-
wicklung des Waffenwesens, hier besonders der Pulver-
waffe, für längere Zeitabschnitte mit Sicherheit erkennen.
Langsam und zögernd aufgenommen, ist gegen das Jahr
1400 die Pulverwaffe, wenn auch nur in geringen Mengen,
so doch über das ganze Land hin verbreitet. Eine große
Tabelle gibt uns eine deutliche Übersicht über den In-
halt der Inventarienverzeichnisse. 1374 treffen wir die
ersten Büchsen. Andere Tabellen überschauen das Auf-
kommen der Pulverwaffe. Wir sehen die Entstehung der
verschiedenen Geschützarten; die Steinbüchse, die großen
 
Annotationen