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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 1.1923-1925

DOI issue:
Band 1, Heft 5
DOI article:
Rady, Ottilie: Der Kruseler
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Zu den Tafeln
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69977#0154

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136

ZU DEN TAFELN

BAND 1

etwa 30 jährigem Bestehen (etwa 1350—80) end-
gültig abgetan20).
Die Zeitspanne, in der der Krüseler in seinen hier
geschilderten drei Hauptformen der beliebteste deut-
sche Frauenkopfputz gewesen, läßt sich somit ziem-
lich genau auf 50—60 Jahre angeben. Für das Auf-
kommen des Krüselers bot der Mittelrhein, wie ein-
gangs festgestellt, um 1350 das erste Beispiel21).
Ende des 14. Jahrhunderts finden sich dann am Mit-
telrhein bereits Verbindungen des Krüselers mit dem
wiederkehrenden Schleier (Abb. 12, 13, 14). Der
Krüseler wird jetzt unmodern22). Das frühe 15.
Jahrhundert liebt, entgegen dem Geschmack der
zweiten Hälfte des 14., Faltenreichtum, den fließen-

20) Wenigstens am Mittelrhein, wahrscheinlich aber auch
in der sonstigen deutschen Porträt- d. h. Grabsteinplastik.
Dagegen vgl. eine Konsole vom „schönen Brunnen“ zu
Nürnberg, wo ein Krüseler erster Form — augenscheinlich
mit im Rücken durchgeführter Krause — noch um 1385 bis
1396 vorkommt. Abb. bei Sauerlandt, Max: „deutsche Pla-
stik des Mittelalters“, Düsseldorf, S. 56.
21) E. Roehl (a. a. 0. S. 22 ff.) hat bei der Durchsicht
der schlesischen Fürstinnensiegel den Krüseler bereits 1342
angetroffen.
22) Roehl, (ebenda) fand die Kruselerkopftracht um 1408
zum letztenmal.

den Fall der Stoffe, was uns seine Kunst, in der
kunstgeschichtlichen Literatur als „weicher Stil“ ge-
kennzeichnet, überall belegt. In diese Zeit paßt der
knappe, steife Krüseler nicht mehr. Dennoch wird
er in der Grabplastik hier und da noch dargestellt.
So am Mittelrhein auf dem Grabstein des Ruprecht
von der Pfalz -[• 1410 und Gemahlin, Stiftskirche zum
hl. Geist in Heidelberg und auf dem Grabstein der
Anna von Bickenbach f 1415, Katharinenkirche zu
Oppenheim23). Schließlich im Badischen sogar noch
nach 1428 auf dem Grabmal des Markgrafen Ru-
dolfs III. und Gemahlin in der Dorfkirche zu Rot-
teln 21). Auch provinzielle Bau- und Altarplastik mag
den Krüseler in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahr-
hunderts noch gerne wiedergegeben haben. Erfor-
dert doch die Darstellung seiner leicht zu schema-
tisierenden Form nicht soviel künstlerische Stärke
als diejenige eines Schleiers mit seinem freien Fal-
tenwurf. Trotzdem ist der Krüseler als Modeform
nach dem ersten Jahrzehnt des 15. Jahrh. zweifellos
überwunden.
23) Abb. siehe Back, Friedrich „Mittelrheinische Kunst“,
Frankfurt a. M. 1910, Tafel III, Abb. 2.
21) Abb. siehe Dehio, a. a. 0., II. Bd., Tafeln, S. 259,
Abb. 382a.

ZU DEN TAFELN.

Tafel VII.
Ornamentstich von Jean Berain d. A.: Ein Ent-
wurf für Eisenschnittdekor von Pistolen. — Der Archi-
tekt, Zeichner und Ornamentstecher Jean Louis Berain,
geb. 28. Okt. 1637 zu St. Mihiel in Lothringen, Schüler von
Gissey und Jean Le Moyne, 1674 zum Kammer- und Ka-
binettzeichner des Königs ernannt, seit 1691 Nachfolger
des Hofmalers Israel Silvestre, gest. 1711, hat sich durch
seine Entwürfe für Dekorationen am Hofe Ludwigs XIV.,
wie sie bei Festlichkeiten für Kostüme, Feuerwerk, Trauer-
dekoration und Inventionen, zur Ausstattung von Räumen,
für Schmuck und alle Art kunstgewerbliche Arbeiten ge-
braucht wurden, einen angesehenen Namen gemacht. Seine
zrhlreichen Blätter, von denen wir hier aus der Serie der
Gewehrverzierungen von 1607 eine bezeichnende Probe
bringen, meist durch bewegliche Blattwerkranken mit
Tiergestalten, Masken und figürliche Szenen gekenn-
zeichnet, haben auf die Ornamentik des Barock einen
ungewöhnlich tiefen Einfluß ausgeübt. H.
Tafel VIII.
Unser Bild stellt einen vornehmen, jungen Kavalier aus
den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts dar. Das Blatt ist
zwar in London gestochen worden, aber von dem Fran-
zosen Gravelot gezeichnet und zeigt auch die für die Über-
gangszeit von der Regence zum eigentlichen Louis XV.

charakteristischen Merkmale der französischen Mode:lange
Schoßweste mit reichem Knopfbesatz, jedoch nur in der
Magengegend geschlossen, so daß das weiße Hemd mit
Jabot zu sehen ist. Darüber der kragenlose, lange Rock
(justaucorps), der in Nachahmung des soeben in Mode
gekommenen Damen-Reifrocks mit Fischbein abgesteift ist
und glockenförmig absteht. Die Ärmel mit breiten, bis zum
Ellenbogen hochgehenden Umschlägen (pattes), aus denen
die gefältelte Leinenmanschette hervorblickt. Die Ober-
schenkelhose über dem Knie etwas geweitet, um den
Strumpf zu überfassen; die Strumpfbänder unsichtbar dar-
unter. Niedrige Schnallenschuhe mit niedrigen Absätzen.
Die (gepuderte) Lockenperücke, noch einigermaßen hoch-
stehend, ist hinten in einen Haarbeutel (crapaud) mit
breiter Atlasschleife zusammengenommen. Dreispitz mit
(silberner) Borte in der Linken.
Das seltene Blatt entstammt der Freiherr!, v. Lipper-
heideschen Kostümbibliothek und gehört zu einer Folge
von 6männlichen Kostümfiguren (grandes figures de mode),
die von dem sonst fast nur als Buchillustrator bekannten
Hubert Francois Bourguignon, genannt Gravelot, gezeich-
net und von dem englischen Stecher L. Truchg 1744 zu
London, also kurz vor Gravelots Weggang von England,
in Kupfer radiert worden sind. Die originale Blei-
stiftzeichnung dazu war früher im Besitz der Brüder Gon-
court (vgl. Katalog Goncourt, Paris 1897 S. 66, Recueils
Nr. 639). Bruhn.
 
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