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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 1.1923-1925

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Band 1, Heft 2/3
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Rumpf, Fritz: Steppkleider des achtzehnten Jahrhunderts
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Zu den Tafeln
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69977#0084

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66

ZU DEN TAFELN

FACHNOTIZEN

BAND 1

brauchs nicht mehr Hauskleid, oder wenigstens nicht
mehr nur Hauskleid war.
Wesentlich später, gegen das Ende des Jahr-
hunderts, müssen die roten Berliner Stepp-
kleider entstanden sein. Sie bestehen ja auch
aus Röcken mit Jacken, die aus verkürzten
Überkleidern entstanden sind, ebenso wie der
Hamburger Casaquin. Aber diese Überkleider waren
keine Contouchen oder Schlender mehr und der Name
Casaquin erscheint für die Berliner Jacken nicht
mehr recht angebracht.
Dieser Name blieb zwar nicht an die bei-
den bei Racinet geschilderten Formen gebunden.
Es entwickelte sich aus ihm auch eine eng-
anliegende Schoßjacke mit halblangen Ärmeln
der sogenannte Casaquin juste, der besonders
gegen die Neige des Jahrhunderts auch als Casa-
quin schlechtweg bezeichnet wurde. Wurden die
Casaquinschöße sehr stark verkürzt, dann führte
die Frucht dieser Verstümmelung den an-
rüchigen Namen Pet en l’air. Am meisten Ein-
trag tat dem Namen Casaquin aber eine Benennung,
für die gar kein innerer Grund vorlag. Im Jahre
1768 empfingen die Damen von Nantes den Her-
zog von Aiguillon in der landesüblichen bretoni-
schen Bauernjacke, dem Caraco. Den Gästen gefiel
wohl der Anblick. Sie erzählten davon in Paris
und schnell wurde der Caraco Mode. Eigentlich nur
sein Name, denn seine Form ließ sich von der des
anliegenden Casaquins kaum trennen, und bald unter
der einen bald unter der andern Bezeichnung
schleppt sich dies Kleidungsstück, das letzten
Endes immer wieder die Jacke, das verkürzte
Überkleid ist,' durch das Jahrhundert.
Auf die verkürzte Contouche folgt die verkürzte
Robe ä la framjaise, wofür die roten Berliner Klei-

der Beispiele bieten. Das eine zeigt eine engan-
liegende Taille, die vorn zugeknöpft ist, ein damals
nicht gewöhnlicher Verschluß. Angearbeitet an die
Taille ist eine Jacke mit Rückenfalte, ein Caraco
plisse, eine sogenannte Adrienne. Das andere rote
Berliner Kleid hat unter der eigentlichen Jacke
ein Schnürleibchen mit einem die Brust bedeckenden
rotseidenen Latz. Dieser Latz trägt an seinen obe-
ren Ecken je einen Knopf, in den die Jacke einge-
knöpft wird. Diese schmiegt sich mit ihren Vorder-
rändern leicht dem Mieder an. Hinten zeigt sie
eine breite Falte, die oben eine geräumige Ka-
puze trägt. Beide Jacken können als Verkürzungen
des Manteau einer Robe ä la fran^aise gelten. Die
Kapuze der letzteren entspricht den bei den pele-
rinenartigen Mänteln der Damen sehr gebräuch-
lichen Kapuzen und ist ein untrüglicher Be-
weis, daß das Kostüm mindestens ebensowohl für
die Straße, wie für das Haus gedacht war. Die
Beschaffenheit der Steppkleider machte sie wohl zu
Morgengewändern vorzüglich geeignet, sie ver-
wehrte ihnen aber im achtzehnten Jahrhundert nicht
den Weg auf die Straße und in die zwanglose Ge-
selligkeit, wie er all den anderen Deshabilles und
Negliges offen stand, die sich mit den Beinamen
galant, provocant, seduisant, voluptueux u. dgl.
überall zur Geltung brachten. Man braucht darum
nicht eine außergewöhnliche laxe Auffassung des
Schicklichkeitsgefühls in jener Zeit zu denken. Sol-
che Wandlungen sind häufiger gewesen, als man
gewöhnlich annimmt und wären auch heute noch
jederzeit möglich. Was trägt man nicht heute alles
außer dem Hause, was man früher nur im Hause
trug und was könnte man nicht alles tragen, ohne
wirklich den Anstand zu verletzen, wenn man nur
den Mut dazu hätte und wenn die Mode es wollte.

ZU DEN TAFELN

Tafel III.
Siehe W. Gaerte. Ein altpreußischer Heim S. 41.
Tafel IV.
Siehe P. Post. Herkunft und Wesen der Schaube S. 46.

Bemerkung der Schriftleitung: In Heft 1 der
Neuen Folge Bd. 1 sind die Tafeln VII: Meisterwerke der
Waffenschmiedekunst (Turnier- und Feldharnisch, Schloß
Erbach) und „Alte Trachten“ (Hofkleid aus gelbem Atlas,
Kurfürst Johann Georgs I. von Sachsen) lediglich als Tafel
I und II zu bezeichnen.

FACHNOTIZEN

Nochmals: Der Erbacher Harnisch. Im vorigen Heft die-
ser Zeitschrift ist auf T. VII ein „Turnier- und Feld-
harnisch, Schloß Erbach“ abgebildet, der, nächst dem ihn

begleitenden Text, schärfsten Widerspruch herausfordern
muß.
Nach diesem Text ist die „Mannenrüstung“ (sehr
 
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