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FACHNOTIZEN
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hübsch!, erinnert an die „Fahrten Thiodolfs“) eine Ma-
xi miliansrüstung, zu der aber der Helm nicht gehört (of-
fenbar gehören aber Beinröhren und Schuhe auch nicht
dazu). Der Küraß hat die „schmalen kurzen Bauchstrei-
fen“ (statt Bauchreifen) und das „Schwänzel eines Stech-
zeugs“. Aus letzterem erlaube ich mir zu schließen, daß
der Rücken der eines Stechzeugs ist und auch nicht dazu
gehört. Daß sich Stechzeuge durch besonders schmale
Bauchreifen auszeichnen, ist mir neu, diese sind mindestens
so breit oder sogar noch breiter als an Feldharnischen
der gleichen Periode. Da Vorrichtungen zu Verstärkungs-
stücken für das Turnier (wobei übrigens die Frage aufzu-
werfen wäre, ob letztere wirklich nur für das Turnier und
nicht auch zum Feldgebrauch gedient haben) fehlen, so
ist die Rüstung nicht als „Feld- und Turnierharnisch“,
sondern bloß als „Feldharnisch“ anzusprechen.
Die übrigen Teile des Meisterwerks sind durch eine go-
tische Brechscheibe verdeckt, von der dem Verfasser „be-
kannt ist, daß sie beim Turnier nicht benutzt wurde“. Ich
habe immer gehört, daß gerade bei der Turnierart des
„Rennens“ diese Form der Brechscheibe benutzt worden
ist. Durch die für die dicke Rennstange sehr große Öff-
nung der Scheibe ist ein viel zu dünner, abgebrochener
Reißspieß gesteckt, der natürlich auch nicht dazugehört.
Sehr sonderbar sieht der Sattel aus, soweit er zu er-
kennen ist; der Roßkopf scheint gut, und zu dem Diech-
ling, dem einzig sichtbaren Stück des Meisterwerks, zu
passen. Seltsam mutet der Kauz an, der auf einem Strei-
fen von Panzergeflecht mit merkwürdigen Rändern aufge-
nietet ist, wie die Schnürung der Platten zeigt, gehört es,
wie auch die Zügelbleche, nicht zum Roßkopf. Er ist dann
noch auf eine „Barde de criniere“ von Panzergeflecht be-
festigt, so daß man sagen kann: „in dreifaches Erz ist der
Hals des Rosses gegürtet“. Reizend ist der in den ge-
schwungenen Bogen der Kandare geschnallte Trensenzügel.
Der Roßharnisch ist der „typisch leichte“. Fürbug, Ge-
lieger und das sonderbare Stück am Sattel, das wohl die
Flankenbleche ersetzen soll, scheinen das Meisterwerk eines
ländlichen Klempnermeisters zu sein, namentlich sind die
gedrehten Rosetten mit vielem Stilgefühl gearbeitet.
Diese Rüstungsstücke sind, wie der Verfasser mit Stolz
hervorhebt, äußerst realistisch, im Rechtsgalopp, aufge-
stellt; schade, daß die Realistik nicht wenigstens soweit
ging, die Lanze dem Reiter auch in die Hand zu geben,
anstatt dieselbe frei balanzieren zu lassen.
Die ganze ungeheuerliche Zusammenstellung wird mit
„Pietät“ motiviert. Gerade hierzu bin ich aber so frei zu
bemerken, daß diese Art von Pietät aus der Wissenschaft
der historischen Waffenkunde mit Stumpf und Stiel aus-
gereutet werden muß, wenn diese sich vom Niveau ro-
mantischer Spielereien wirklich zu einer Wissenschaft er-
heben will. A. Closs.
Aus der Sammlung Dienst, Straßburg i. E. 1. Sturmhaube
(Bourgignotte), vor etwa zehn Jahren in der Nähe von
Hamburg aus der Elbe gebaggert, aus dem Ganzen ge-
trieben, Eisen und durchaus versilbert. Höhe 31 cm, Höhe
des Kammes 4 cm, Gewicht 1790 g. Die Backenstücke
fehlen. Der niedrige Kamm weist auf eine Entstehungs-
zeit im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts hin (Abb. 1).
2. Streitaxt mit Stoßklinge. Länge der Schneide 19,
der Klinge 22 cm. Beilklinge und Hammer weisen Einlagen
von Messing auf (Abb. 2).
3. Geschützkammer. Länge 27, Durchmesser des Bodens
8, innere Länge 22, innerer Durchmesser 4 cm. Es dürfte
sich hier um eine Kammer für Bleikugeln handeln, wie
Abb. i.
Abb. 3.
sie bei großkalibrigen Handbüchsen, Doppelhaken zu Ende
des 15. Jahrhunderts verwendet wurden (Z. H. W. K.
9, 119) (Abb. 3).
Kleidungsstücke aus Heidnischwerk. Unter „Heidnisch-
werk“ versteht man seit dem Mittelalter die sonst als
Gobelinarbeit bezeichnete, auf dem stehenden oder liegen-
den Rahmen gefertigte Bildwirkerei mit figürlicher oder
ornamentaler Darstellung. Der Name, der sich bis in den
Ausgang des 17. Jahrhunderts erhalten hat, gilt dabei nur
für deutsche Arbeiten, fremde werden ausdrücklich als
niederländische, welsche usw. Tapeten bezeichnet. Die
Verwendung, die das Heidnischwerk fand, wechselt. Wand-
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hübsch!, erinnert an die „Fahrten Thiodolfs“) eine Ma-
xi miliansrüstung, zu der aber der Helm nicht gehört (of-
fenbar gehören aber Beinröhren und Schuhe auch nicht
dazu). Der Küraß hat die „schmalen kurzen Bauchstrei-
fen“ (statt Bauchreifen) und das „Schwänzel eines Stech-
zeugs“. Aus letzterem erlaube ich mir zu schließen, daß
der Rücken der eines Stechzeugs ist und auch nicht dazu
gehört. Daß sich Stechzeuge durch besonders schmale
Bauchreifen auszeichnen, ist mir neu, diese sind mindestens
so breit oder sogar noch breiter als an Feldharnischen
der gleichen Periode. Da Vorrichtungen zu Verstärkungs-
stücken für das Turnier (wobei übrigens die Frage aufzu-
werfen wäre, ob letztere wirklich nur für das Turnier und
nicht auch zum Feldgebrauch gedient haben) fehlen, so
ist die Rüstung nicht als „Feld- und Turnierharnisch“,
sondern bloß als „Feldharnisch“ anzusprechen.
Die übrigen Teile des Meisterwerks sind durch eine go-
tische Brechscheibe verdeckt, von der dem Verfasser „be-
kannt ist, daß sie beim Turnier nicht benutzt wurde“. Ich
habe immer gehört, daß gerade bei der Turnierart des
„Rennens“ diese Form der Brechscheibe benutzt worden
ist. Durch die für die dicke Rennstange sehr große Öff-
nung der Scheibe ist ein viel zu dünner, abgebrochener
Reißspieß gesteckt, der natürlich auch nicht dazugehört.
Sehr sonderbar sieht der Sattel aus, soweit er zu er-
kennen ist; der Roßkopf scheint gut, und zu dem Diech-
ling, dem einzig sichtbaren Stück des Meisterwerks, zu
passen. Seltsam mutet der Kauz an, der auf einem Strei-
fen von Panzergeflecht mit merkwürdigen Rändern aufge-
nietet ist, wie die Schnürung der Platten zeigt, gehört es,
wie auch die Zügelbleche, nicht zum Roßkopf. Er ist dann
noch auf eine „Barde de criniere“ von Panzergeflecht be-
festigt, so daß man sagen kann: „in dreifaches Erz ist der
Hals des Rosses gegürtet“. Reizend ist der in den ge-
schwungenen Bogen der Kandare geschnallte Trensenzügel.
Der Roßharnisch ist der „typisch leichte“. Fürbug, Ge-
lieger und das sonderbare Stück am Sattel, das wohl die
Flankenbleche ersetzen soll, scheinen das Meisterwerk eines
ländlichen Klempnermeisters zu sein, namentlich sind die
gedrehten Rosetten mit vielem Stilgefühl gearbeitet.
Diese Rüstungsstücke sind, wie der Verfasser mit Stolz
hervorhebt, äußerst realistisch, im Rechtsgalopp, aufge-
stellt; schade, daß die Realistik nicht wenigstens soweit
ging, die Lanze dem Reiter auch in die Hand zu geben,
anstatt dieselbe frei balanzieren zu lassen.
Die ganze ungeheuerliche Zusammenstellung wird mit
„Pietät“ motiviert. Gerade hierzu bin ich aber so frei zu
bemerken, daß diese Art von Pietät aus der Wissenschaft
der historischen Waffenkunde mit Stumpf und Stiel aus-
gereutet werden muß, wenn diese sich vom Niveau ro-
mantischer Spielereien wirklich zu einer Wissenschaft er-
heben will. A. Closs.
Aus der Sammlung Dienst, Straßburg i. E. 1. Sturmhaube
(Bourgignotte), vor etwa zehn Jahren in der Nähe von
Hamburg aus der Elbe gebaggert, aus dem Ganzen ge-
trieben, Eisen und durchaus versilbert. Höhe 31 cm, Höhe
des Kammes 4 cm, Gewicht 1790 g. Die Backenstücke
fehlen. Der niedrige Kamm weist auf eine Entstehungs-
zeit im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts hin (Abb. 1).
2. Streitaxt mit Stoßklinge. Länge der Schneide 19,
der Klinge 22 cm. Beilklinge und Hammer weisen Einlagen
von Messing auf (Abb. 2).
3. Geschützkammer. Länge 27, Durchmesser des Bodens
8, innere Länge 22, innerer Durchmesser 4 cm. Es dürfte
sich hier um eine Kammer für Bleikugeln handeln, wie
Abb. i.
Abb. 3.
sie bei großkalibrigen Handbüchsen, Doppelhaken zu Ende
des 15. Jahrhunderts verwendet wurden (Z. H. W. K.
9, 119) (Abb. 3).
Kleidungsstücke aus Heidnischwerk. Unter „Heidnisch-
werk“ versteht man seit dem Mittelalter die sonst als
Gobelinarbeit bezeichnete, auf dem stehenden oder liegen-
den Rahmen gefertigte Bildwirkerei mit figürlicher oder
ornamentaler Darstellung. Der Name, der sich bis in den
Ausgang des 17. Jahrhunderts erhalten hat, gilt dabei nur
für deutsche Arbeiten, fremde werden ausdrücklich als
niederländische, welsche usw. Tapeten bezeichnet. Die
Verwendung, die das Heidnischwerk fand, wechselt. Wand-
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