HEFT 1
FACHNOTIZEN
27
sehr schönen Messingschild geziert, das die Devise trägt: „Ich
fang es an mit Gott unt dem Glick — das ist mein Meisterstick.“
Es ist mir bekannt, daß der Brechschild bei dem „Turnier“
nicht benutzt wurde, doch der erste Stifter der Sammlung,
Graf Franz zu Erbach*Erbach, hat um 1820 die Stücke selbst
zusammengestellt und die Pietät verbot die Entfernung, zumal
die Rüstung einem „Erbacher“ zugeschrieben wird.
Bei der Neuordnung der Sammlung, die 1922 vorgenommen
wurde, gab ich dem Reiter die Stellung, die er beim Angriff
im Turnier und im Gefecht haben muß. Er steht mit durch*
gedrücktenKnieen im Bügel; sein Sitz ist derartig um diese Zeit,
daß er sich mit dem Gesäß gegen die Backen des Krippens
Sattels stemmt. Der Oberkörper ist leicht vorgeneigt und etwas
nach links gedreht, wie es der Rechtsgalopp des Pferdes be*
dingt. So zwischen dem Sattel, in dessen Pauschen die Beine
fest liegen, und die Bügel gepreßt, kann der Reiter den feinds
liehen Stoß aushalten, den eigenen aber mit möglichster Energie
anbringen; die Linksdrehung ermöglicht es ihm, seine Renn*
Stange dem Gegner auf die Tartsche zu setzen.
Der Harnisch zeugt von sehr guter Waffenschmiedearbeit,
ist exakt in den Einzelheiten durchgeführt, so daß er, nach
den mittelmäßigen Leistungen der Übergangsarbeiten nach der
Gotik, als Meisterstück angesprochen werden kann.
Müller=Hickler
II. ALTE TRACHTEN.
TAFEL VII
Kostüm aus gelbem (früher grünem) Atlas mit Silber und
bunter Seide bestickt und mit Pailetten benäht. Bestehend
aus Wams mit 19 Knöpfen, Hosen, zum Anhängen, mit streifen*
förmiger Stickerei, Mantel, dieser aus Seidenrips, Kragen von
generbtem Samt, Handschuhen aus Leder mit gelben Atlas*
Stulpen und gelb*silbernen Fransen. — Im Inventar der Kleider*
kammer 1711: ein Paar Papagoygrün adlaß hosen .... ein gros
de naple Mantel. — Anfang 17. Jahrhundert.
(Dresden, Histor. Museum.)
FACHNOTIZEN
I
Nochmals: Gerkammer und Wafifenhaus. Den Süddeut*
sehen, wenn er nicht gerade zufällig Germanist ist, wird
Paul Reimers irrtümliche Deutung (9, 75) des Wortes Ger*
kammer nicht so seltsam (9, 176) berührt haben, wie Flerrn
Julius Schwietering. Ergänzend bemerke ich, daß es auch in
Emden mindestens eine solche Gerkammer gegeben hatte.
Beninga, Ostfrieslands Geschichtsschreiber, erzählt von dem
Wiedertäufer Melchior Hofmann, derselbe „dopede tho Embden
in der Geerkammer in der grooten Kercken“ (Jahrbuch der
Gesellschaft f. bild. Kunst u. vaterl. Altertümer, Emden 1920,
Bd. 20, S. 74). Dabei wird der Ausdruck Geerkamer als Kleider*
kammer, Sakristei, in Klöstern auch als die Bibliothek, armarium,
erklärt und beigefügt, daß diese Kammer an die Südwand der
großen Kirche, in der Nähe der Kanzel angebaut ward, jedoch
nicht mehr vorhanden ist.
Verbirgt sich hinter dem kriegerisch klingenden Wort Geer*
kamer also keine Waffenablage, so scheint es in den dänischen
Dorfkirchen eine solche gegeben zu haben. In dem Roman
„Reif für das Leben“ von Karl Gjellerup wird auf der Seite 417
als „Waffenhaus“ die Vorhalle der Dorfkirche bezeichnet, wo
im Mittelalter die Besucher des Gottesdienstes ihre Wehr ab*
zulegen hatten. Otmar Baron Potier
Die hundert Helme aus Chalkis. (Siehe Z. FI.W. K. 8, 30.)
Wo befinden sich tatsächlich diese mittelalterlichen Helme,
die nach Ansicht Dr. Wilbrands im Schlosse zu Athen
aufbewahrt sein müßten? Ein Brief (vom 9. Okt. 22) des
Professors Konstantin Rados, des gelehrten ersten Vorsitzenden
der Historischen und Ethnologischen Gesellschaft Griechen*
lands, gibt auf meine Anfrage die folgende Antwort:.... La col*
lection de debris d’armures, provenant de Chalcis, que notre
Musee possede, se compose de 68 casques de toute Sorte et
quelques autres fragments, jambieres, cuissards etc. La plupart
sont du XVieme siede de notre ere. II faut lire lä*dessus
Buchon, qui a fait leur decouverte et qui les considere comme
des restes de la Bataille de Copais [15. März 1311] ä laquelle les
ducs framjais d’Athenes furent battus par la Compagnie des
Catalans. Fait apres lequel fut erige le duche espagnol „el
Ducado Catalan di Atenas“. Mais il ne faut pas trop se fier
aux considerations archeologiques de Buchon. Venez vous
meine ä Athenes pour les etudier. II y a un certain Monsieur
Traquair [?] (Anglais ou Ecossais), qui a publie quelque chose
sur ces casques, mais je n’ai pas vu cette publication. Elles
valent la peine d’etre etudiees.
Unzweifelhaft würde eine eingehende Prüfung der Helme
an Ort und Stelle von großem Nutzen sein. Ich kann zur
Zeit einen Besuch Griechenlands nicht unternehmen. Vielleicht
ist Dr. Wilbrand, der auf sie ja wieder aufmerksam gemacht
hat, geneigt, der Sache weiter nachzugehen. Franz VFeinitz
Eine unbekannte, unzugängliche, jetzt öffentlich gewordene
PrivatsWafifensammlung in Belgien. Im „Handbuche der
Waffenkunde“ von Wendelin Böheim (Leipzig 1890)
findet sich auf Seite 639 unter den „bedeutenderen Waffensamm*
lungen“ „in Privatbesitz“ bei „Belgien und den Niederlanden“
die Sammlung „M. Nuyt“ in Brüssel erwähnt. Da die Samm*
lung unter dieser Angabe wohl von niemand wird aufge*
funden werden können, mir aber einiges darüber bekannt ist,
möchte ich dieses hier mitteilen. Es handelt sich um die Samm*
lung meines vor etwa zwanzig Jahren verstorbenen Onkels
Adolphe Neyt, der mit der leiblichen Schwester meiner 1863
verstorbenen Mutter Stephanie, geb. Drory, mit Eli za, geb.
Drory, in kinderloser Ehe lebte. Diese ist im Juli 1912 gestorben.
Die Pflicht, an ihrer Beerdigung teilzunehmen, hat mich, neben*
bei bemerkt, abgehalten, der Hauptversammlung des Jahres 1912
des „Vereins für historische Waffenkunde“ in Eisenach bei*
zuwohnen.
Die Sammlung hat sich, so lange ich denken kann, in dem
Hause meines Onkels Neyt in Gent, an der „Coupure“ be*
legen, befunden. Dort war sie in einem prunkvollen Saale,
„Salle d’Armes“ genannt, untergebracht, weniger bedeutende
Stücke in einem Nebenraume. Die „Salle d'Armes“ diente den
Hausbewohnern als Rauch* und Kaffee*Zimmer bei Gesellig*
keiten, bei größeren Festlichkeiten auch zum Speisen. Der
FACHNOTIZEN
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sehr schönen Messingschild geziert, das die Devise trägt: „Ich
fang es an mit Gott unt dem Glick — das ist mein Meisterstick.“
Es ist mir bekannt, daß der Brechschild bei dem „Turnier“
nicht benutzt wurde, doch der erste Stifter der Sammlung,
Graf Franz zu Erbach*Erbach, hat um 1820 die Stücke selbst
zusammengestellt und die Pietät verbot die Entfernung, zumal
die Rüstung einem „Erbacher“ zugeschrieben wird.
Bei der Neuordnung der Sammlung, die 1922 vorgenommen
wurde, gab ich dem Reiter die Stellung, die er beim Angriff
im Turnier und im Gefecht haben muß. Er steht mit durch*
gedrücktenKnieen im Bügel; sein Sitz ist derartig um diese Zeit,
daß er sich mit dem Gesäß gegen die Backen des Krippens
Sattels stemmt. Der Oberkörper ist leicht vorgeneigt und etwas
nach links gedreht, wie es der Rechtsgalopp des Pferdes be*
dingt. So zwischen dem Sattel, in dessen Pauschen die Beine
fest liegen, und die Bügel gepreßt, kann der Reiter den feinds
liehen Stoß aushalten, den eigenen aber mit möglichster Energie
anbringen; die Linksdrehung ermöglicht es ihm, seine Renn*
Stange dem Gegner auf die Tartsche zu setzen.
Der Harnisch zeugt von sehr guter Waffenschmiedearbeit,
ist exakt in den Einzelheiten durchgeführt, so daß er, nach
den mittelmäßigen Leistungen der Übergangsarbeiten nach der
Gotik, als Meisterstück angesprochen werden kann.
Müller=Hickler
II. ALTE TRACHTEN.
TAFEL VII
Kostüm aus gelbem (früher grünem) Atlas mit Silber und
bunter Seide bestickt und mit Pailetten benäht. Bestehend
aus Wams mit 19 Knöpfen, Hosen, zum Anhängen, mit streifen*
förmiger Stickerei, Mantel, dieser aus Seidenrips, Kragen von
generbtem Samt, Handschuhen aus Leder mit gelben Atlas*
Stulpen und gelb*silbernen Fransen. — Im Inventar der Kleider*
kammer 1711: ein Paar Papagoygrün adlaß hosen .... ein gros
de naple Mantel. — Anfang 17. Jahrhundert.
(Dresden, Histor. Museum.)
FACHNOTIZEN
I
Nochmals: Gerkammer und Wafifenhaus. Den Süddeut*
sehen, wenn er nicht gerade zufällig Germanist ist, wird
Paul Reimers irrtümliche Deutung (9, 75) des Wortes Ger*
kammer nicht so seltsam (9, 176) berührt haben, wie Flerrn
Julius Schwietering. Ergänzend bemerke ich, daß es auch in
Emden mindestens eine solche Gerkammer gegeben hatte.
Beninga, Ostfrieslands Geschichtsschreiber, erzählt von dem
Wiedertäufer Melchior Hofmann, derselbe „dopede tho Embden
in der Geerkammer in der grooten Kercken“ (Jahrbuch der
Gesellschaft f. bild. Kunst u. vaterl. Altertümer, Emden 1920,
Bd. 20, S. 74). Dabei wird der Ausdruck Geerkamer als Kleider*
kammer, Sakristei, in Klöstern auch als die Bibliothek, armarium,
erklärt und beigefügt, daß diese Kammer an die Südwand der
großen Kirche, in der Nähe der Kanzel angebaut ward, jedoch
nicht mehr vorhanden ist.
Verbirgt sich hinter dem kriegerisch klingenden Wort Geer*
kamer also keine Waffenablage, so scheint es in den dänischen
Dorfkirchen eine solche gegeben zu haben. In dem Roman
„Reif für das Leben“ von Karl Gjellerup wird auf der Seite 417
als „Waffenhaus“ die Vorhalle der Dorfkirche bezeichnet, wo
im Mittelalter die Besucher des Gottesdienstes ihre Wehr ab*
zulegen hatten. Otmar Baron Potier
Die hundert Helme aus Chalkis. (Siehe Z. FI.W. K. 8, 30.)
Wo befinden sich tatsächlich diese mittelalterlichen Helme,
die nach Ansicht Dr. Wilbrands im Schlosse zu Athen
aufbewahrt sein müßten? Ein Brief (vom 9. Okt. 22) des
Professors Konstantin Rados, des gelehrten ersten Vorsitzenden
der Historischen und Ethnologischen Gesellschaft Griechen*
lands, gibt auf meine Anfrage die folgende Antwort:.... La col*
lection de debris d’armures, provenant de Chalcis, que notre
Musee possede, se compose de 68 casques de toute Sorte et
quelques autres fragments, jambieres, cuissards etc. La plupart
sont du XVieme siede de notre ere. II faut lire lä*dessus
Buchon, qui a fait leur decouverte et qui les considere comme
des restes de la Bataille de Copais [15. März 1311] ä laquelle les
ducs framjais d’Athenes furent battus par la Compagnie des
Catalans. Fait apres lequel fut erige le duche espagnol „el
Ducado Catalan di Atenas“. Mais il ne faut pas trop se fier
aux considerations archeologiques de Buchon. Venez vous
meine ä Athenes pour les etudier. II y a un certain Monsieur
Traquair [?] (Anglais ou Ecossais), qui a publie quelque chose
sur ces casques, mais je n’ai pas vu cette publication. Elles
valent la peine d’etre etudiees.
Unzweifelhaft würde eine eingehende Prüfung der Helme
an Ort und Stelle von großem Nutzen sein. Ich kann zur
Zeit einen Besuch Griechenlands nicht unternehmen. Vielleicht
ist Dr. Wilbrand, der auf sie ja wieder aufmerksam gemacht
hat, geneigt, der Sache weiter nachzugehen. Franz VFeinitz
Eine unbekannte, unzugängliche, jetzt öffentlich gewordene
PrivatsWafifensammlung in Belgien. Im „Handbuche der
Waffenkunde“ von Wendelin Böheim (Leipzig 1890)
findet sich auf Seite 639 unter den „bedeutenderen Waffensamm*
lungen“ „in Privatbesitz“ bei „Belgien und den Niederlanden“
die Sammlung „M. Nuyt“ in Brüssel erwähnt. Da die Samm*
lung unter dieser Angabe wohl von niemand wird aufge*
funden werden können, mir aber einiges darüber bekannt ist,
möchte ich dieses hier mitteilen. Es handelt sich um die Samm*
lung meines vor etwa zwanzig Jahren verstorbenen Onkels
Adolphe Neyt, der mit der leiblichen Schwester meiner 1863
verstorbenen Mutter Stephanie, geb. Drory, mit Eli za, geb.
Drory, in kinderloser Ehe lebte. Diese ist im Juli 1912 gestorben.
Die Pflicht, an ihrer Beerdigung teilzunehmen, hat mich, neben*
bei bemerkt, abgehalten, der Hauptversammlung des Jahres 1912
des „Vereins für historische Waffenkunde“ in Eisenach bei*
zuwohnen.
Die Sammlung hat sich, so lange ich denken kann, in dem
Hause meines Onkels Neyt in Gent, an der „Coupure“ be*
legen, befunden. Dort war sie in einem prunkvollen Saale,
„Salle d’Armes“ genannt, untergebracht, weniger bedeutende
Stücke in einem Nebenraume. Die „Salle d'Armes“ diente den
Hausbewohnern als Rauch* und Kaffee*Zimmer bei Gesellig*
keiten, bei größeren Festlichkeiten auch zum Speisen. Der