106
AUKTIONSBERICHTE
BAND 1
sprach, so blieb er dafür freilich den Beweis schuldig.
Das gute Stück mit ungewöhnlich langen Schößen, deren
letztes Geschähe mit getriebenen Cherubköpfen geschmückt
ist, brachte 143.5 Pfd. St. Demgegenüber schien die
Brust eines Rennzeuges mit einer linken Doppelachsel,
ohne Not „französisch“ getauft, mit 183.15 Pfd. St. reich-
lich überzahlt. Ein paar Cominazzopistolen, mit der be-
kannten Eisenschnittausstattung und der etwas verdäch-
tigen Inschrift „Lazari Cominaz“, aber sonst scheinbar
tadellos, brachte mit Recht 199.10 Pfd. St. Daneben sah
man eine Pirschbüchse, Schaft mit Silbereinlagen, auf
dem Kolben ein Schildchen mit dem Wappen des Gol-
denen Vließes, Preis 105 Pfd. St. Für zwei reich gravierte
Radschlösser, die angeblich aus der Dresdner Rüstkammer
stammen sollen, wurden je 19.19 Pfd. St. gezahlt. Ein
Paar sehr lange Schöße, einschließlich der Kniee, mit
äußeren Kniebuckeln, von 21 Geschüben, reich geätzt und
zum Teil vergoldet, vielleicht italienisch oder französisch,
gingen bis auf 146.15 Pfd. St. Ein geschlossener Helm
mit hohem Kamm und Steilvisier, Atzstreifen auf gekörntem
(granulated) Grund, ehemals in der Sammlung Thill, auf
210 Pfd. St. Eine italienische Roßstirn, mit aufgesetzten
Ohren und Augendächern, z. T. geätzt und mit einem
Schnürenmotiv als Mittelgrat, auf 168 Pfd. St. Der
Halbharnisch (Nr. 703) aus der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts, an dem außer der sehr nüchternen Linien-
führung nur die geschlossenen Armbeugen Erwähnung
verdienen, wurde mit 252 Pfd. St. nicht eben hoch be-
zahlt; denselben Preis erzielte ein „Landsknecht-Har-
nisch“, vielleicht schweizerisch, Mitte 16. Jahrhundert:
offene Sturmhaube, Tapulbrust, kurze Beintaschen, halbe
Muscheln, Handschuhe (nicht zugehörig). Von bedeuten-
deren Stücken wären noch zu nennen: Reitschwert
(„Royalist sword“), auf dem Griff die Bildnisse Karls I.
und seiner Gemahlin, um 1630 (63 Pfd. St.); Linkhand-
Dolch (Alain Gauche dagger), sächsisch (!) (54,12 Pfd.
St.); Brust und Rücken eines Maximiliansharnischs (84
Pfd. St.); Gotischer Harnischschuh mit 8 Geschüben, und
einem angenieteten Radsporn (210 Pfd. St.); Visierhelm
mit Spuren von Atzung, 16. Jahrh. (189 Pfd. St.); Visier-
helm vom Maximilianstyp, mit doppeltem Schnüren-
streifen auf der Glocke (105 Pfd. St.). E. EI.
Versteigerung der Waffen und Kostüme aus dem Nach-
lasse Professors E. Doepler d. J. f, Rudolf Lepke, Berlin,
11.—13. Oktober 1923. (Dollarstand: 4,2 Milliarden, also
1 Milliarde rund 1 Goldmark.)
In der Versteigerungsmasse des Nachlasses E. Doep-
lers d. J. bildeten die Kostüme und Waffen nur einen
Teil und nicht den wertvollsten. Weitaus höhere Preise
erzielten Mobiliar und Teppiche. Die Kostüme erwiesen
sich mit ganz geringen Ausnahmen — ein paar Herren-
röcke des 18. Jahrhunderts, ein Kaselbruchstück — fast
durchweg als moderne Schneiderarbeit, wohl noch von
Münchener Künstlerfesten herrührend, von denen Doepler
so gern erzählte. Das Interesse, das sie fanden, galt
allein den alten, z. T. wertvollen Samt- und Seiden-
stoffen. Sehr hübsch war eine Sammlung vorwiegend von
Damenschuhen des 17. und 18. Jahrhunderts, die Kahlert
erwarb.
Auffallend niedrige Preise erzielten die Waffen, mit
einigen Ausnahmen, darunter ein sehr zweifelhafter Har-
nisch, gutes Mittelgut. Nur sehr wenige Stücke von
Qualität erreichten frühere Friedenspreise, die aber ver-
glichen mit diesjährigen Londoner Versteigerungen auch
sehr niedrig sind. So erwarb Kahlert eine hervorragend
geätzte Radschloßpistole, die in den Besitz des Zeughauses
überging (vgl. S. 93 Abb. la), für 330 Goldmark. Eine
Radschloßpirschbüchse mit reichen Beineinlagen von 1687
(K. Nr. 1134) brachte 190 Goldmark. Eine entzückende
Pulverflasche mit Eisenschnitt des 17. Jahrhunderts (Nr.
1143) ersteigerte Kahlert gleichfalls für 225 Goldmark.
Das Gros der Waffen, in die sich im wesentlichen die
Waffenhändler Kahlert (Berlin), Schmidt (München) und
Nykander (Schweden) teilten, wurden weit unter Frie-
denspreis zugeschlagen. Helmbarten des 16. Jahrhunderts
brachten es durchweg nur auf 20—30 Goldmark; Schwer-
ter, darunter ein gotisches, von dem alles bis auf den
Griff gut, 30—40 Goldmark. Die Orientalia, obwohl im
allgemeinen wie die zusammengestoppelten Krise von ge-
ringer Qualität, erzielten im allgemeinen den Vorkriegs-
preis, lagen z. T. sogar darüber. Fast gar keine Inter-
essenten fanden sich für die wenig ausgebotene Waffen-
literatur. So konnte der beschämende Fall eintreten, daß
die heute namentlich in Mitgliederkreisen SO' gesuchten
alten Bände der Zeitschrift für historische Waffenkunde,
fast lückenlos von B. I—IX, mangels Angebots für ganze
23 Goldmark weggingen. Wir lassen die erzielten Einzel-
preise folgen.
Einstweilen wollen wir annehmen, daß die Ergebnisse
dieser Versteigerung nicht als Norm zu gelten haben,
sondern nur ein Spiegelbild der hoffentlich bald über-
wundenen gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnisse mit ihrem
täglichen Wechsel sind. Es folgen die wichtigsten Num-
mern : P. P.
Preise in
Milliarden
39. Chin. Prachtgewand, Seide, bunt bestickt
mit Blumen und Schmetterlingen. Gelb mit
schwarzer Borte, Futter blaugemustert. 43
40. Desgl., Seide, gefüttert. Blau mit schwarzer
Borte und gelbem Armelbesatz. Blumen und
Schmetterlinge, schwarz mit Gold bzw.
blau abschattiert und bunt mit Gold. ... 46
613. Herrenrock, hellbraune Seide, ganz mit rei-
chen Blumenranken in bunter Seide bestickt.
18. Jahrh.17
616-618. Rock mit Beinkleid aus weißem Seiden-
damast, Besätze schwarz. 17. Jahrh. Hierzu
ein schwarzer Hut.28
619. Herrenrock aus grauer Seide. Ende 18. Jahrh. 8
625. Louis-XIV.-Brokat, Gold, Silber und Bunt
auf Graublau. 95x40 cm. (Zusammenges.) . 25
632. Kasel aus ital. grünen Seidendamast des
17. Jahrh., Blattranken großen Maßstabs.
Goldbort.27
1081. Sarong (Frauengewand), Batikarbeit mit
dichtem Muster aus Pflanzenmotiven in den
typischen Farben. Java. 18
1052. Banner der Confederation Suisse von 1864,
Seide bedruckt. 0,200
1065. Sammlung alter Schuhe: elf Paar und vier
einzelne. Leder, Samt od. Seide, z. T. be-
. stickt. 17.-19. Jahrh. 0,610
1071-1072. Alter Grünsamt, einfarbig, zwei kleine
Stücke. 3,400
AUKTIONSBERICHTE
BAND 1
sprach, so blieb er dafür freilich den Beweis schuldig.
Das gute Stück mit ungewöhnlich langen Schößen, deren
letztes Geschähe mit getriebenen Cherubköpfen geschmückt
ist, brachte 143.5 Pfd. St. Demgegenüber schien die
Brust eines Rennzeuges mit einer linken Doppelachsel,
ohne Not „französisch“ getauft, mit 183.15 Pfd. St. reich-
lich überzahlt. Ein paar Cominazzopistolen, mit der be-
kannten Eisenschnittausstattung und der etwas verdäch-
tigen Inschrift „Lazari Cominaz“, aber sonst scheinbar
tadellos, brachte mit Recht 199.10 Pfd. St. Daneben sah
man eine Pirschbüchse, Schaft mit Silbereinlagen, auf
dem Kolben ein Schildchen mit dem Wappen des Gol-
denen Vließes, Preis 105 Pfd. St. Für zwei reich gravierte
Radschlösser, die angeblich aus der Dresdner Rüstkammer
stammen sollen, wurden je 19.19 Pfd. St. gezahlt. Ein
Paar sehr lange Schöße, einschließlich der Kniee, mit
äußeren Kniebuckeln, von 21 Geschüben, reich geätzt und
zum Teil vergoldet, vielleicht italienisch oder französisch,
gingen bis auf 146.15 Pfd. St. Ein geschlossener Helm
mit hohem Kamm und Steilvisier, Atzstreifen auf gekörntem
(granulated) Grund, ehemals in der Sammlung Thill, auf
210 Pfd. St. Eine italienische Roßstirn, mit aufgesetzten
Ohren und Augendächern, z. T. geätzt und mit einem
Schnürenmotiv als Mittelgrat, auf 168 Pfd. St. Der
Halbharnisch (Nr. 703) aus der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts, an dem außer der sehr nüchternen Linien-
führung nur die geschlossenen Armbeugen Erwähnung
verdienen, wurde mit 252 Pfd. St. nicht eben hoch be-
zahlt; denselben Preis erzielte ein „Landsknecht-Har-
nisch“, vielleicht schweizerisch, Mitte 16. Jahrhundert:
offene Sturmhaube, Tapulbrust, kurze Beintaschen, halbe
Muscheln, Handschuhe (nicht zugehörig). Von bedeuten-
deren Stücken wären noch zu nennen: Reitschwert
(„Royalist sword“), auf dem Griff die Bildnisse Karls I.
und seiner Gemahlin, um 1630 (63 Pfd. St.); Linkhand-
Dolch (Alain Gauche dagger), sächsisch (!) (54,12 Pfd.
St.); Brust und Rücken eines Maximiliansharnischs (84
Pfd. St.); Gotischer Harnischschuh mit 8 Geschüben, und
einem angenieteten Radsporn (210 Pfd. St.); Visierhelm
mit Spuren von Atzung, 16. Jahrh. (189 Pfd. St.); Visier-
helm vom Maximilianstyp, mit doppeltem Schnüren-
streifen auf der Glocke (105 Pfd. St.). E. EI.
Versteigerung der Waffen und Kostüme aus dem Nach-
lasse Professors E. Doepler d. J. f, Rudolf Lepke, Berlin,
11.—13. Oktober 1923. (Dollarstand: 4,2 Milliarden, also
1 Milliarde rund 1 Goldmark.)
In der Versteigerungsmasse des Nachlasses E. Doep-
lers d. J. bildeten die Kostüme und Waffen nur einen
Teil und nicht den wertvollsten. Weitaus höhere Preise
erzielten Mobiliar und Teppiche. Die Kostüme erwiesen
sich mit ganz geringen Ausnahmen — ein paar Herren-
röcke des 18. Jahrhunderts, ein Kaselbruchstück — fast
durchweg als moderne Schneiderarbeit, wohl noch von
Münchener Künstlerfesten herrührend, von denen Doepler
so gern erzählte. Das Interesse, das sie fanden, galt
allein den alten, z. T. wertvollen Samt- und Seiden-
stoffen. Sehr hübsch war eine Sammlung vorwiegend von
Damenschuhen des 17. und 18. Jahrhunderts, die Kahlert
erwarb.
Auffallend niedrige Preise erzielten die Waffen, mit
einigen Ausnahmen, darunter ein sehr zweifelhafter Har-
nisch, gutes Mittelgut. Nur sehr wenige Stücke von
Qualität erreichten frühere Friedenspreise, die aber ver-
glichen mit diesjährigen Londoner Versteigerungen auch
sehr niedrig sind. So erwarb Kahlert eine hervorragend
geätzte Radschloßpistole, die in den Besitz des Zeughauses
überging (vgl. S. 93 Abb. la), für 330 Goldmark. Eine
Radschloßpirschbüchse mit reichen Beineinlagen von 1687
(K. Nr. 1134) brachte 190 Goldmark. Eine entzückende
Pulverflasche mit Eisenschnitt des 17. Jahrhunderts (Nr.
1143) ersteigerte Kahlert gleichfalls für 225 Goldmark.
Das Gros der Waffen, in die sich im wesentlichen die
Waffenhändler Kahlert (Berlin), Schmidt (München) und
Nykander (Schweden) teilten, wurden weit unter Frie-
denspreis zugeschlagen. Helmbarten des 16. Jahrhunderts
brachten es durchweg nur auf 20—30 Goldmark; Schwer-
ter, darunter ein gotisches, von dem alles bis auf den
Griff gut, 30—40 Goldmark. Die Orientalia, obwohl im
allgemeinen wie die zusammengestoppelten Krise von ge-
ringer Qualität, erzielten im allgemeinen den Vorkriegs-
preis, lagen z. T. sogar darüber. Fast gar keine Inter-
essenten fanden sich für die wenig ausgebotene Waffen-
literatur. So konnte der beschämende Fall eintreten, daß
die heute namentlich in Mitgliederkreisen SO' gesuchten
alten Bände der Zeitschrift für historische Waffenkunde,
fast lückenlos von B. I—IX, mangels Angebots für ganze
23 Goldmark weggingen. Wir lassen die erzielten Einzel-
preise folgen.
Einstweilen wollen wir annehmen, daß die Ergebnisse
dieser Versteigerung nicht als Norm zu gelten haben,
sondern nur ein Spiegelbild der hoffentlich bald über-
wundenen gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnisse mit ihrem
täglichen Wechsel sind. Es folgen die wichtigsten Num-
mern : P. P.
Preise in
Milliarden
39. Chin. Prachtgewand, Seide, bunt bestickt
mit Blumen und Schmetterlingen. Gelb mit
schwarzer Borte, Futter blaugemustert. 43
40. Desgl., Seide, gefüttert. Blau mit schwarzer
Borte und gelbem Armelbesatz. Blumen und
Schmetterlinge, schwarz mit Gold bzw.
blau abschattiert und bunt mit Gold. ... 46
613. Herrenrock, hellbraune Seide, ganz mit rei-
chen Blumenranken in bunter Seide bestickt.
18. Jahrh.17
616-618. Rock mit Beinkleid aus weißem Seiden-
damast, Besätze schwarz. 17. Jahrh. Hierzu
ein schwarzer Hut.28
619. Herrenrock aus grauer Seide. Ende 18. Jahrh. 8
625. Louis-XIV.-Brokat, Gold, Silber und Bunt
auf Graublau. 95x40 cm. (Zusammenges.) . 25
632. Kasel aus ital. grünen Seidendamast des
17. Jahrh., Blattranken großen Maßstabs.
Goldbort.27
1081. Sarong (Frauengewand), Batikarbeit mit
dichtem Muster aus Pflanzenmotiven in den
typischen Farben. Java. 18
1052. Banner der Confederation Suisse von 1864,
Seide bedruckt. 0,200
1065. Sammlung alter Schuhe: elf Paar und vier
einzelne. Leder, Samt od. Seide, z. T. be-
. stickt. 17.-19. Jahrh. 0,610
1071-1072. Alter Grünsamt, einfarbig, zwei kleine
Stücke. 3,400