158
WALTHER ROSE: DAS MITTELALTERLICHE WURFBEIL USW.
BAND 1
der deutschen Landsknechte, und vorn den Anprall
der schwergeharnischten deutschen Ritterschaft auf
die hinter ihren charakteristischen großen und
heraldisch bemalten Pavesen15) verschanztenBöhmen,
wobei der durch die Krone kenntliche Kaiser Maxi-
milian selbst auf dem niederbrechenden Pferde durch
einen Ahlspieß verwundet wurde und seine Rettung
nur der Hilfe des hinter ihm haltenden Herzogs
Erich von Braunschweig verdankte. Bei den voll-
ständig „auf hussitische Weise“ mit Malchusschwer-
tern, langens Morgensternen und Kriegsflegeln
(Drischeln), Kettenmorgensternen (sogen. Weih-
wassersprengern) und Ziskasternen, schweren Streit-
hämmern, böhmischen Orlöffeln und Ahlspießen
bewaffneten Böhmen16) erblickt man nicht weniger
als vier Wurfbeile mit nach oben und unten ge-
schwungener Beilfläche und kurzem Holzschaft:
Zwei von ihnen erscheinen in der zum Wurf er-
hobenen Hand von zwei rechts hinten im Gedränge
stehenden Kriegern, ein drittes liegt im Vordergründe
noch steht es unter dem Namen sekina (securis?)
im Gebrauch der böhmischen und ungarischen Hir-
ten, die es mit solchem Geschick werfen sollen,
daß sie auf bedeutende Entfernung einen auf einem
Baum ruhenden Vogel zu zerschneiden vermögen18).
Mit langem Holzschafte, schmalem Beilblatte
und gerader Schneide, sowie mit einem kurzen
Hammeransatze am Rücken findet man die Waffe
als eigentliche Wurfhacke oder „lange Wurf-
hacke“, noch vielfach zum Teil reich verziert mit
Tauschierung und Atzung, in größeren Sammlungen,
entsprechend dem schon früher veröffentlichten
Exemplar mit Marke und Jahreszahl 1578 aus der
Wiener Waffensammlung. (Abb. 15.)
Eine gleichzeitige Abart dieser Gattung bildet in
Ungarn der einer kleinen Streithacke ähnliche
Czakany, der jedoch zu Kriegszeiten früher eben-
falls als Wurfwaffe benutzt wurde19), und der noch
heute als Gehstock vielfach Verwendung findet,
wobei das metallene mondsichelförmige Hammerbeil
Abb. 15. Lange Wurfhacke mit Marke.
Datiert 1578. (Wiener Waffensammlung.)
links unter der großen Pavese, auf welcher sich
die Vorderbeine des gestürzten Streithengstes Maxi-
milians stützen, und das vierte steckt im Gürtel des
in der Mitte des Vordergrundes zwischen den
Pavesen Gefallenen.
Bei der besonderen Vorliebe der slavischen Völ-
kerschaften für das kurze Wurfbeil blieb dieses
auch in der Folgezeit ein steter Begleiter des Bür-
gers und Bauern, wie z. B. aus mehreren gericht-
lichen Verhandlungen der Stadt Myslowitz vom Ende
des 17. Jahrhunderts hervorgeht17), und sogar heute
15) Betr. diese großen bemalten Pavesen der böhmischen
Söldner s. auch Walther Rose Z. H. W. K. 6, 77/78.
lc) Es ist höchst interessant, daß unter den verschiede-
nen Helmarten, mit denen die Böhmen ausgerüstet sind,
auch 5 „pickte“, „gepickte“ oder „puechhüte“ zur Darstel-
lung gelangen. Stöcklein Z. H. W. K. 6, 108. Abb. 1—3.
17) So heißt es in einer Verhandlung vom 22. Nov. 1680:
„Im Tanze sich fortbewegend, hat er ihm mit einem kleinen
bemalten Beil einen Schlag versetzt“.
Unterm 24. Mai 1681: „Er riß das Beil aus dem Gurt und
als Handgriff dient. Auch als Waffe auf Reisen
zur Abwehr gegen räuberische Überfälle und als
versetzte dem Soldaten mit der Klinge einen Hieb über die
Schulter“.
Unterm 8. Juni 1682: „Aus der Myslowitzer Kirche von
der Trauung kommend, haben die Bauern aus Porabka, das
bei der hiesigen Kirche eingepfarrt war, sich, mit dem Beile
auf diesem Kretschmer (Wirtshaus) geworfen“.
(Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum
Schlesiens. Band X. Heft 1. S. 211/212.) Aus diesen Bei-
spielen geht hervor, daß das kurze Beil selbst beim Tanze
und sogar beim Besuche der Kirche getragen wurde.
ls) Lindenschmit a. a. O. S. 17. Jähns a. ä. 0. S. 142.
Demmin a. a. 0. S. 820 unter Nr. 19.
10) Biltl, Katalog der Waffensammlung des Prinzen Karl
von Preußen. S. 7 bei Nr. 44. So tötet der Czekler Blasius
Ördödy den Fürsten Andreas Bathory durch einen solchen
Beilwurf bei St. Thomas.
Nach den hinterlassenen Notizen des Postdirektors Jo-
sef von Scheiger wurde auch der kaiserliche Oberst Graf
Colloredo am 13. Oktober 1720 bei Bruck an der Leitha von
den ungarischen AÄalcontenten überfallen, geschlagen und
mit einem „Buzogany“ (Streitkolben) — eine Verwechslung
WALTHER ROSE: DAS MITTELALTERLICHE WURFBEIL USW.
BAND 1
der deutschen Landsknechte, und vorn den Anprall
der schwergeharnischten deutschen Ritterschaft auf
die hinter ihren charakteristischen großen und
heraldisch bemalten Pavesen15) verschanztenBöhmen,
wobei der durch die Krone kenntliche Kaiser Maxi-
milian selbst auf dem niederbrechenden Pferde durch
einen Ahlspieß verwundet wurde und seine Rettung
nur der Hilfe des hinter ihm haltenden Herzogs
Erich von Braunschweig verdankte. Bei den voll-
ständig „auf hussitische Weise“ mit Malchusschwer-
tern, langens Morgensternen und Kriegsflegeln
(Drischeln), Kettenmorgensternen (sogen. Weih-
wassersprengern) und Ziskasternen, schweren Streit-
hämmern, böhmischen Orlöffeln und Ahlspießen
bewaffneten Böhmen16) erblickt man nicht weniger
als vier Wurfbeile mit nach oben und unten ge-
schwungener Beilfläche und kurzem Holzschaft:
Zwei von ihnen erscheinen in der zum Wurf er-
hobenen Hand von zwei rechts hinten im Gedränge
stehenden Kriegern, ein drittes liegt im Vordergründe
noch steht es unter dem Namen sekina (securis?)
im Gebrauch der böhmischen und ungarischen Hir-
ten, die es mit solchem Geschick werfen sollen,
daß sie auf bedeutende Entfernung einen auf einem
Baum ruhenden Vogel zu zerschneiden vermögen18).
Mit langem Holzschafte, schmalem Beilblatte
und gerader Schneide, sowie mit einem kurzen
Hammeransatze am Rücken findet man die Waffe
als eigentliche Wurfhacke oder „lange Wurf-
hacke“, noch vielfach zum Teil reich verziert mit
Tauschierung und Atzung, in größeren Sammlungen,
entsprechend dem schon früher veröffentlichten
Exemplar mit Marke und Jahreszahl 1578 aus der
Wiener Waffensammlung. (Abb. 15.)
Eine gleichzeitige Abart dieser Gattung bildet in
Ungarn der einer kleinen Streithacke ähnliche
Czakany, der jedoch zu Kriegszeiten früher eben-
falls als Wurfwaffe benutzt wurde19), und der noch
heute als Gehstock vielfach Verwendung findet,
wobei das metallene mondsichelförmige Hammerbeil
Abb. 15. Lange Wurfhacke mit Marke.
Datiert 1578. (Wiener Waffensammlung.)
links unter der großen Pavese, auf welcher sich
die Vorderbeine des gestürzten Streithengstes Maxi-
milians stützen, und das vierte steckt im Gürtel des
in der Mitte des Vordergrundes zwischen den
Pavesen Gefallenen.
Bei der besonderen Vorliebe der slavischen Völ-
kerschaften für das kurze Wurfbeil blieb dieses
auch in der Folgezeit ein steter Begleiter des Bür-
gers und Bauern, wie z. B. aus mehreren gericht-
lichen Verhandlungen der Stadt Myslowitz vom Ende
des 17. Jahrhunderts hervorgeht17), und sogar heute
15) Betr. diese großen bemalten Pavesen der böhmischen
Söldner s. auch Walther Rose Z. H. W. K. 6, 77/78.
lc) Es ist höchst interessant, daß unter den verschiede-
nen Helmarten, mit denen die Böhmen ausgerüstet sind,
auch 5 „pickte“, „gepickte“ oder „puechhüte“ zur Darstel-
lung gelangen. Stöcklein Z. H. W. K. 6, 108. Abb. 1—3.
17) So heißt es in einer Verhandlung vom 22. Nov. 1680:
„Im Tanze sich fortbewegend, hat er ihm mit einem kleinen
bemalten Beil einen Schlag versetzt“.
Unterm 24. Mai 1681: „Er riß das Beil aus dem Gurt und
als Handgriff dient. Auch als Waffe auf Reisen
zur Abwehr gegen räuberische Überfälle und als
versetzte dem Soldaten mit der Klinge einen Hieb über die
Schulter“.
Unterm 8. Juni 1682: „Aus der Myslowitzer Kirche von
der Trauung kommend, haben die Bauern aus Porabka, das
bei der hiesigen Kirche eingepfarrt war, sich, mit dem Beile
auf diesem Kretschmer (Wirtshaus) geworfen“.
(Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum
Schlesiens. Band X. Heft 1. S. 211/212.) Aus diesen Bei-
spielen geht hervor, daß das kurze Beil selbst beim Tanze
und sogar beim Besuche der Kirche getragen wurde.
ls) Lindenschmit a. a. O. S. 17. Jähns a. ä. 0. S. 142.
Demmin a. a. 0. S. 820 unter Nr. 19.
10) Biltl, Katalog der Waffensammlung des Prinzen Karl
von Preußen. S. 7 bei Nr. 44. So tötet der Czekler Blasius
Ördödy den Fürsten Andreas Bathory durch einen solchen
Beilwurf bei St. Thomas.
Nach den hinterlassenen Notizen des Postdirektors Jo-
sef von Scheiger wurde auch der kaiserliche Oberst Graf
Colloredo am 13. Oktober 1720 bei Bruck an der Leitha von
den ungarischen AÄalcontenten überfallen, geschlagen und
mit einem „Buzogany“ (Streitkolben) — eine Verwechslung