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FACHNOTIZEN
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12 Büchsenmeisterfragen, die in Form eines Frag- und
Antwortspiels die vorsündflutlichen ballistischen An-
schauungen der mittelalterlichen Artilleristen enthalten.
Ferner sind in ihm Angaben über Gewinnung der drei
Haupteleimente des alten Schwarzpulvers, Kohle, Salpeter
und Schwefel, sowie eine große Anzahl recht naiver
pyrotechnischer und Pulverrezepte, die sich durch myste-
riöse Beimischungen, Oleum benedictum, Basilisken,
Menschenblut usw., auszeichnen.
Daß das Feuerwerksbuch zur Zeit seines Enstehens
Aufsehen erregte, zeigt seine Übersetzung in die franzö-
sische Sprache. Der erste Druck erschien 1529 als An-
hang des deutschen Vegez. Kulturhistorisch und zur
Beurteilung der artilleristischen Kenntnisse des 15. Jahr-
hunderts ist es von hohem Werte.
Herr G. Ad. CIoB bespricht das gotische Brust- und
Rückenstück auf der Wartburg (Kat. Diener v. Schön-
berg Nr. 13, W. G. I. Nr. 4198). Die beweglichen Einsätze
an den Armausschnitten deuten auf die späteste Zeit des
gotischen Harnisches, die Beintaschen waren jedenfalls
nicht angeschnallt, sondern angenietet. Diese Eigen-
tümlichkeiten zeigen eine nahe Verwandtschaft mit der
Rüstung des Kaisers Maximilian I. in Wien, datiert
ca. 1490, auch der Rücken mit dem in der Mitte stark
lierabgezogenen Hinterschurz hat große Ähnlichkeit, wie
auch die Gesamtform des Bruststücks. Die Wiener
Rüstung ist ein Werk des Lorenz Colman in Augsburg
und es ist nicht ausgeschlossen, daß auch der Wartburg-
harnisch denselben Ursprung hat. Ein weiterer Grund
für diese Zuschreibung ist aber der kleine Rasthaken am
Rückenstück, der in dieser Art nur an der gekehlten
Rüstung im Hist. Museum zu Bern (Nr. 81, Kat. Nr. 101)
bekannt ist, die ebenfalls die Marke des Lorenz Colman
trägt (+ 1516).
Der mit obigen Stücken zusammengestellte Helm, ein
sog. „Armet“, ist bedeutend später, doch immer noch
vor der Zeit der kannelierten Rüstungen (ca. 1510),
da die Dekoration aus flachen Kehlungen besteht. Die
Visierstütz« ist wohl eine spätere Zutat.
Die französische und englische Terminologie scheint
für alle Visierhelme den Namen „Armet“ zu verwenden;
der Vortragende möchte denselben aber auf diejenigen
ältesten Visierhelme beschränken, die weder im Kragen
umgehen, noch Halsreifen haben. Für diese würde er den
deutschen Namen „Helmlein“ vorschlagen.
21. Sitzung am 25. November 1924. Herr M. Dreger:
Spanische Klingenschmiede. Der Vortragende er-
wähnt das auffallende Mißverhältnis zwischen der Be-
rühmtheit der spanischen Klingen des 16. und 17. Jahr-
hunderts und unserer Kenntnis ihrer Verfertiger. Rund
200 Namen sind uns überliefert, von denen nur etwa 10
wegen ihres häufigeren Vorkommens und wegen der
Schönheit der Klingen näherer Betrachtung wert sind.
Auch von diesen 10 fehlen fast alle Nachrichten, kaum
daß man weiß, wo und ungefähr wann sie gelebt haben.
Mehrere der bekanntesten sind ganz oder halb sagen-
haft; einige sogar nachweislich erst im verflossenen
Jahrhundert erfunden. Die Gründe für dies Mißver-
hältnis sind: Die noch heutigen Tages in Spanien >üb-
liche Bevorzugung des Vornamens vor dem Familiennamen
und die Vorliebe für nur einige wenige und also über-
aus häufig gebrauchte Vornamen. Die unentwickelte
Schreibweise in Verbindung mit noch flüssigen Familien-
namen (z. B. Monte, del Monte, Delmonte, Belmonte,
Velmonte, Vilmonte, de Belmonte, de Velmonte, de Vil-
monte). Das mehrfache Wechseln der Namen der-
selben Familie (Vater: Muleto, Sohn: Aguado; Vater:
Nieto, Sohn: Haza). Das vielfache Verdrängen der eigent-
lichen Namen durch Spitznamen und Herkunftortsbezeich-
nungen. Die fast ausschließliche Benutzung der Anfangs-
' buchstaben des Vornamens als Schmiedemarke und die
gemeinsame Schildform mit Krone dieser Marken. Der
auffallend geringe Wert, den Spanien selber auf die
Frage legt, was im Gefolge hat, daß mit einer Er-
forschung der Archive noch gar nicht begonnen ist. Doku-
mente sind daher nur in sehr geringer Zahl vorhanden.
Das Schlimmste ist aber, daß die wenigen vorhandenen
Dokumente entweder gar nicht oder mit einer an Ge-
wissenlosigkeit streifenden Oberflächlichkeit ausgenutzt
sind.
Abgesehen von fünf älteren Quellen, die insgesamt
54 Namen meist nur nebenbei und ohne weitere An-
gaben erwähnen, ist die Hauptquelle der Zweiblattdruck
von 1762 von Palomares, der 99 flüchtig1 gezeichnete
Marken und Namen von toledaner Schwertschmieden
aufführt. Er führt sie alphabetisch — natürlich nach den
Vornamen — auf, weil, wie er sagt, er die Zeit nicht
genau kennt, wo sie gearbeitet haben; nur bei fünfen
gibt er eine Jahreszahl. Dennoch wäre die Liste von
unschätzbarem Wert, wenn nicht schon eine flüchtige
Durchsicht erkennen ließe, wie fehlerhaft und kritiklos
sie von irgendeiner älteren Liste abgeschmiert ist. Nicht
weniger als 18 Fehler sind aus inneren Gründen ohne
weiteres nachzuweisen, 20 bis 30 weitere Fehler sind zu
vermuten. Diese schon an und für sich schlimme Sach-
lage wird aber dadurch geradezu katastrophal, daß
1840 das seltene Zweiblatt eine übergroße Verbreitung
durch die französische Veröffentlichung von Jubinal ge-
funden hat. Kennzeichnend für den Grad von dessen Genau-
igkeit ist schon die Tatsache, daß bei. ihm der Spanier
Franzisco1 de Santjago Palomares zu einem Manuel
Rodrigez Palomino wird. Abgesehen davon, daß die
Markenzeichnungen noch flüchtiger sind als bei P., finden
sich bei J. rund 40 fehlerhafte Abweichungen gegenüber
der an und für sich schon mangelhaften spanischen Liste.
Und dieses trübe Wasser hat nun als Quelle gedient
für all die seither erschienenen Listen spanischer Klingen-
schmiede von Demmin bis leider auch Boeheim und war
Taufwasser bei der Bestimmung von Klingen aller
Waffensammlungen seit fast einem Jahrhundert! Man
kann ruhig sagen, daß mehr als die Hälfte dieser Be-
stimmungen infolgedessen falsch sind. Bei Boeheim sind
von 66 aufgeführten Namen spanischer Klingenschmiede
29 fehlerhaft und 20 unter diesen gründlich. Nur einige
seien erwähnt:
C. Alcado ist verbessert aus Calcado und heißt wahr-
scheinlicherweise nicht einmal so, sondern Cataldo.
Alcazes heißt Alcozer.
Die beiden De Aiman heißen Almau und sogar Almau;
die Schlußfolgerungen auf Alemania sind grundlos. Die
beiden Sterne, die ihnen als Marke zudiktiert werden,
sind bei Palomares nur Hinweissternchen auf eine
Anmerkung, die besagt, daß die Almaus keine Marke
führten, sondern mit dem Vornamen stempelten. (Wie un-
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12 Büchsenmeisterfragen, die in Form eines Frag- und
Antwortspiels die vorsündflutlichen ballistischen An-
schauungen der mittelalterlichen Artilleristen enthalten.
Ferner sind in ihm Angaben über Gewinnung der drei
Haupteleimente des alten Schwarzpulvers, Kohle, Salpeter
und Schwefel, sowie eine große Anzahl recht naiver
pyrotechnischer und Pulverrezepte, die sich durch myste-
riöse Beimischungen, Oleum benedictum, Basilisken,
Menschenblut usw., auszeichnen.
Daß das Feuerwerksbuch zur Zeit seines Enstehens
Aufsehen erregte, zeigt seine Übersetzung in die franzö-
sische Sprache. Der erste Druck erschien 1529 als An-
hang des deutschen Vegez. Kulturhistorisch und zur
Beurteilung der artilleristischen Kenntnisse des 15. Jahr-
hunderts ist es von hohem Werte.
Herr G. Ad. CIoB bespricht das gotische Brust- und
Rückenstück auf der Wartburg (Kat. Diener v. Schön-
berg Nr. 13, W. G. I. Nr. 4198). Die beweglichen Einsätze
an den Armausschnitten deuten auf die späteste Zeit des
gotischen Harnisches, die Beintaschen waren jedenfalls
nicht angeschnallt, sondern angenietet. Diese Eigen-
tümlichkeiten zeigen eine nahe Verwandtschaft mit der
Rüstung des Kaisers Maximilian I. in Wien, datiert
ca. 1490, auch der Rücken mit dem in der Mitte stark
lierabgezogenen Hinterschurz hat große Ähnlichkeit, wie
auch die Gesamtform des Bruststücks. Die Wiener
Rüstung ist ein Werk des Lorenz Colman in Augsburg
und es ist nicht ausgeschlossen, daß auch der Wartburg-
harnisch denselben Ursprung hat. Ein weiterer Grund
für diese Zuschreibung ist aber der kleine Rasthaken am
Rückenstück, der in dieser Art nur an der gekehlten
Rüstung im Hist. Museum zu Bern (Nr. 81, Kat. Nr. 101)
bekannt ist, die ebenfalls die Marke des Lorenz Colman
trägt (+ 1516).
Der mit obigen Stücken zusammengestellte Helm, ein
sog. „Armet“, ist bedeutend später, doch immer noch
vor der Zeit der kannelierten Rüstungen (ca. 1510),
da die Dekoration aus flachen Kehlungen besteht. Die
Visierstütz« ist wohl eine spätere Zutat.
Die französische und englische Terminologie scheint
für alle Visierhelme den Namen „Armet“ zu verwenden;
der Vortragende möchte denselben aber auf diejenigen
ältesten Visierhelme beschränken, die weder im Kragen
umgehen, noch Halsreifen haben. Für diese würde er den
deutschen Namen „Helmlein“ vorschlagen.
21. Sitzung am 25. November 1924. Herr M. Dreger:
Spanische Klingenschmiede. Der Vortragende er-
wähnt das auffallende Mißverhältnis zwischen der Be-
rühmtheit der spanischen Klingen des 16. und 17. Jahr-
hunderts und unserer Kenntnis ihrer Verfertiger. Rund
200 Namen sind uns überliefert, von denen nur etwa 10
wegen ihres häufigeren Vorkommens und wegen der
Schönheit der Klingen näherer Betrachtung wert sind.
Auch von diesen 10 fehlen fast alle Nachrichten, kaum
daß man weiß, wo und ungefähr wann sie gelebt haben.
Mehrere der bekanntesten sind ganz oder halb sagen-
haft; einige sogar nachweislich erst im verflossenen
Jahrhundert erfunden. Die Gründe für dies Mißver-
hältnis sind: Die noch heutigen Tages in Spanien >üb-
liche Bevorzugung des Vornamens vor dem Familiennamen
und die Vorliebe für nur einige wenige und also über-
aus häufig gebrauchte Vornamen. Die unentwickelte
Schreibweise in Verbindung mit noch flüssigen Familien-
namen (z. B. Monte, del Monte, Delmonte, Belmonte,
Velmonte, Vilmonte, de Belmonte, de Velmonte, de Vil-
monte). Das mehrfache Wechseln der Namen der-
selben Familie (Vater: Muleto, Sohn: Aguado; Vater:
Nieto, Sohn: Haza). Das vielfache Verdrängen der eigent-
lichen Namen durch Spitznamen und Herkunftortsbezeich-
nungen. Die fast ausschließliche Benutzung der Anfangs-
' buchstaben des Vornamens als Schmiedemarke und die
gemeinsame Schildform mit Krone dieser Marken. Der
auffallend geringe Wert, den Spanien selber auf die
Frage legt, was im Gefolge hat, daß mit einer Er-
forschung der Archive noch gar nicht begonnen ist. Doku-
mente sind daher nur in sehr geringer Zahl vorhanden.
Das Schlimmste ist aber, daß die wenigen vorhandenen
Dokumente entweder gar nicht oder mit einer an Ge-
wissenlosigkeit streifenden Oberflächlichkeit ausgenutzt
sind.
Abgesehen von fünf älteren Quellen, die insgesamt
54 Namen meist nur nebenbei und ohne weitere An-
gaben erwähnen, ist die Hauptquelle der Zweiblattdruck
von 1762 von Palomares, der 99 flüchtig1 gezeichnete
Marken und Namen von toledaner Schwertschmieden
aufführt. Er führt sie alphabetisch — natürlich nach den
Vornamen — auf, weil, wie er sagt, er die Zeit nicht
genau kennt, wo sie gearbeitet haben; nur bei fünfen
gibt er eine Jahreszahl. Dennoch wäre die Liste von
unschätzbarem Wert, wenn nicht schon eine flüchtige
Durchsicht erkennen ließe, wie fehlerhaft und kritiklos
sie von irgendeiner älteren Liste abgeschmiert ist. Nicht
weniger als 18 Fehler sind aus inneren Gründen ohne
weiteres nachzuweisen, 20 bis 30 weitere Fehler sind zu
vermuten. Diese schon an und für sich schlimme Sach-
lage wird aber dadurch geradezu katastrophal, daß
1840 das seltene Zweiblatt eine übergroße Verbreitung
durch die französische Veröffentlichung von Jubinal ge-
funden hat. Kennzeichnend für den Grad von dessen Genau-
igkeit ist schon die Tatsache, daß bei. ihm der Spanier
Franzisco1 de Santjago Palomares zu einem Manuel
Rodrigez Palomino wird. Abgesehen davon, daß die
Markenzeichnungen noch flüchtiger sind als bei P., finden
sich bei J. rund 40 fehlerhafte Abweichungen gegenüber
der an und für sich schon mangelhaften spanischen Liste.
Und dieses trübe Wasser hat nun als Quelle gedient
für all die seither erschienenen Listen spanischer Klingen-
schmiede von Demmin bis leider auch Boeheim und war
Taufwasser bei der Bestimmung von Klingen aller
Waffensammlungen seit fast einem Jahrhundert! Man
kann ruhig sagen, daß mehr als die Hälfte dieser Be-
stimmungen infolgedessen falsch sind. Bei Boeheim sind
von 66 aufgeführten Namen spanischer Klingenschmiede
29 fehlerhaft und 20 unter diesen gründlich. Nur einige
seien erwähnt:
C. Alcado ist verbessert aus Calcado und heißt wahr-
scheinlicherweise nicht einmal so, sondern Cataldo.
Alcazes heißt Alcozer.
Die beiden De Aiman heißen Almau und sogar Almau;
die Schlußfolgerungen auf Alemania sind grundlos. Die
beiden Sterne, die ihnen als Marke zudiktiert werden,
sind bei Palomares nur Hinweissternchen auf eine
Anmerkung, die besagt, daß die Almaus keine Marke
führten, sondern mit dem Vornamen stempelten. (Wie un-
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