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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Semper, Hans: Eine venetianische Holztafel mit Beinreliefs im Kensington-Museum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0054

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67

1901. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

68

Eine venetianische Holztafel mit Beinreliefs im Kensington-Museum.

(Mit 6 Abbildungen.)

II. (Schlufs.)

m zunächst die beiden sich umar-
menden Paare von Kriegern in den
äufseren Nischen zn besprechen, so
erweisen sich dieselben, wie schon
bemerkt, auf den ersten Blick als Nachbil-
dungen zweier ganz entsprechenden, in Por-
phyr ausgemeifselter Hochreliefgruppen, welche
an der Aufsenseite der Schatzkammer, am Erd-
geschofs der Südseite der Marcuskirche, zunächst
der Porta della carta aufgestellt sind. (Fig. 2.)
Dieselben sind aus einem einzigen Porphyr-
block ausgehauen und stehen auf einem ge-
meinsamen, kämpferförmigen Sockel. Die beiden
Gruppen wenden einander den Rücken zu und
sind durch eine Scheidewand getrennt, mit der
ihre Rückseiten zusammenhängen.

Bezüglich ihrer Herkunft herrscht die Ueber-
lieferung vor, dafs sie aus S. Jean d'Acre (Pto-
lemais) stammen und von dort entweder im
Jahre 1291, nach Eroberung dieser Stadt durch
Sultan Menichesadar, von venetianischen Flücht-
lingen82) oder, was wahrscheinlicher ist, zu-
gleich mit anderen Monumenten,33) im Jahre
1256 als Beutestücke vom venetianischen Ad-
miral Lorenzo Tiepolo nach Venedig gebracht
worden seien.34) In letzterem Jahre hatte näm-
lich zwischen den Genuesen und Venetianern
ein blutiger Kampf um den Vorrang in S. Jean
d'Acre und insbesondere um den Besitz der
noch aus den ersten Jahrhunderten des Christen-
thums stammenden Kirche S. Saba stattgefunden,
welche von den Genuesen befestigt, von den
Venetianern aber erobert worden war, wonach
sie diese Kirche zerstörten und einzelneTrümmer

32) Didron aine »Annales archgol«. XVI p. 404.

33) Darunter befanden sich auch zwei altbyzan-
tinische, reichornamentirte Mamorpfeiler, welche gleich-
falls an der Südseite der Marcuskirche aufgestellt
wurden. Dieselben stimmen im Stil mit den von
Vogtie veröffentlichten Monumenten des V. u. VI. Jahrh.
aus Centralsyrien Uberein, entstanden auch jedenfalls
vor der Besetzung Syriens durch die Araber, womit
aber nicht bewiesen ist, dafs die Porphyrreliefs aus
derselben Zeit stammen. — Vergl. Weber »Epistola
ad E. A. Cicogna« (Ven. 1826) Tafel I und Text. —

Vogüe" »La Syrie centrale« (Paris 1847) Bl. 46
62, 100, 129 etc.

M) Zucchini »Cron. Ven.« II. p. 313.

und Monumente davon nach Venedig aus-
führten.88)

Nach Aussage einiger Schriftsteller sollen je-
doch die genannten Porphyrreliefs aus K o n s t a n-
t i n o p e 1 stammen, ohne dafs aber Erstere die
älteren Quellen angeben würden, auf welche
sie sich stützen.86)

Wie dem nun sei, ob die genannten Re-
liefs nach den einen, wie uns scheint glaub-
würdigeren Nachrichten, aus Akkon, oder aber
nach den anderen aus Konstantinopel stammen,
jedenfalls herrscht über ihre Herleitung aus
dem oströmischen Reiche bei den an-
geführten Schriftstellern Uebereinstimmung.

Damit ist jedoch die weitere Frage über
die Zeit ihrer Entstehung noch nicht gelöst,
und über diese sind die verschiedenartigsten
Ansichten zu Tage gefördert worden.

Von Haus aus läfst sich nur soviel fest-
stellen, dafs die Figuren auf diesen Reliefs
eine der römischen Imperatorenrüstung ver-
wandte_ Kriegertracht tragen und dafs sie in
einem Stile ausgeführt sind, der ebensowenig
den besseren Zeiten altrömischer Scuiptur wie
dem strengen Byzantinismus entspricht.

Um der Frage ihrer Entstehungszeit näher
zu treten, sei vor allem darauf hingewiesen,
dafs sich im Museum des Vatikans zwei Bruch-
stücke von Porphyrsäulen befinden, an
denen, auf gesimsförmig ausladenden Kämpfern
stehend, zwei mit Lorbeerkränzen bekrönte
Paare bärtiger Männer, in römischem Krieger-
gewande, in Relief ausgearbeitet sind, welche so-
wohl ihrer Tracht, wie ihrer Bewegung und Hand-
lung nach mit den Reliefs von S. Marco so
grofse Aehnlichkeit zeigen, dafs der typische Zu-
sammenhang zwischen beiden Gruppen sich nicht
verkennen läfst.87) (Fig. 3 u. 4.) Hier wie dort,

35) Sabellico »Hist. Ven.» 1668. L. X. p. !34.
Weber op. c.

Mothes »Geschichte der Bauk. und Bildhauerei
in Venedig« I. 176.

30) Ant. Steinbüchel »I due gruppi di porfido
che stanno sull' angolo del tesoro della Basilica di
S. Marco« (Venezia 1844). — Weber op. 12. —

Selvatico »Sulla architettura e sulla scultura in
Venezia«. (Venezia 1847). p. 499.

31) Seroux d'Agincourt ed. Quast. „Sammlung
von Denkmälern der Architectur, Scuiptur und Male-
rei etc." »Atlas der Skulpturen.« T. III. Fig. 17, 17.
 
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