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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Semper, Hans: Eine venetianische Holztafel mit Beinreliefs im Kensington-Museum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0035

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35

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

36

Eine venetianische Holztafel mit Beinreliefs im Kensington-Museum.

(Mit 5 Abbildungen.)

I.

m Kensington - Museum befindet sich
eine Holztafel mit Beinbelag und Schnitz-
werk, welche daselbst von ihrem (bereits
gestorbenen) Eigenthümer Mr. Alexander
Barker deponirt wurde und nach mehr
als einer Richtung hin durch ihren
räthselhaften Charakter ein besonderes
Interesse erweckt (Fig. 1). Dieselbe bildet
ein längliches Viereck voiilß1^ engl. Zoll
Breite und 82/8 Höhe. — An beiden Seiten und
am oberen Rand ist die Tafel durch einen Dop-
pelzahnschnitt eingefafst, unter dem sich oben
aufserdem noch ein Eierstab hinzieht. Am
unteren Theile befindet sich ein zweistufiger
Sockel, der mit Elfenbeinplättchen belegt ist.
Auf der oberen Stufe erheben sich drei frei-
stehende und an jeder Seite je eine halbe
Säule, welche zusammen vier Rundbogenarkaden
tragen. Die Basen dieser Säulen und Halb-
säulen bestehen aus einem Plinthus, einem,
mit Zahnschnitt verziertem Plättchen, und einem
sehr schwach geschwellten Toms, über welchem,
durch einen gewundenen (schnurartigen) Rund-
stab damit verbunden, gewelltes und gekräuseltes
Blattwerk den unteren Säulenstatnm schmückt.
Dieser selbst ist mit spiralförmigen, profilirten
Bändern verziert, zwischen welchen ziemlich
tiefe Kehlen ausgehöhlt sind. Die Kapitale
der Säulchen, welche mit diesen durch einen
gewundenen Rundstab verbunden sind, zeigen
verschiedenartige Bildungen; ihr wesentlicher
Bestandtheil sind zwei Reihen von Acanthus-
blättern, von denen die untere emporstrebt,
die obere von der Deckplatte aus nach abwärts
gerichtet ist. Am Kapital der Mittelsäule findet
sich aufserdem zwischen dem Blattwerk eine
menschliche Maske, während am Kapital der
links daneben stehenden Säule die untere Blatt-
reihe durch ein Zickzackornament ersetzt ist.
Das Gesammtprofil der Kapitale ist steil, klotz-
förmig; das Blattwerk ist nur in flachem Relief
daran ausgearbeitet. Auch die Deckplatten zei-
gen an jedem Kapital eine etwas andere Gestalt.
Durchwegs bestehen sie aus zwei Theilen, einer
oberen viereckigen Platte und einem unteren
vermittelnden Glied. Letzteres besteht an zwei
Kapitalen aus einem gewundenen Rundstab,
an zwei anderen aus Zahnschnitt, am Mittel-

kapital endlich aus einem zweiten, weniger als
das obere ausladende Plättchen, das von jenem
durch eine Hohlkehle getrennt ist.

Die Archivolten der Arkaden, welche sich
über die Säulen spannen, unterscheiden sich
ebenfalls durch ihren Ornamentschmuck von
einander. An der ersten und zweiten Archivolte
von links aus sind aus Henkelkörben ent-
springende, sich verflechtende Doppelranken
dargestellt. An der äufsersten Archivolte links
zweigen sich von den Ranken eingerollte'
magere Akanthusblätter ab, an der zweiten
Archivolte sind die inneren Zwischenräume
der Ranken mit aufwärtsstrebenden, roh ange-
deuteten Akanthusblättern ausgefüllt. — An der
dritten Archivolte sehen wir blofs solche steife
Akanthusblätter aus Körben entspringen und im
Scheitel des Bogens an einer Rosette zusammen-
treffen. An der vierten Archivolte sind lauter
Körbe dargestellt, die mit ihren Henkeln ver-
schlungen sind.

Die Laibungen der Arkaden vertiefen sich
abgeschrägt nach dem Grunde der von ihnen
eingeschlossenen Lünette hin und scheinen
ebenso wie die Lünette selbst mit Stuck ver-
kleidet und mit bandartigen Ornamenten bemalt
zu sein. Die Lünetten sind segmentkuppelförmig
vorgewölbt, mit Stuck verkleidet und auf diesem
mit aufgeprefsten gitterartig sich kreuzenden
Reliefstäben verziert, zwischen denen halbkugel-
förmige Erhöhungen aufgeprefst sind. Ohne
Zweifel sind auch diese Halbkuppeln in Farben
und vielleicht in Gold gefafst gewesen. Ent-
sprechend der Wölbung dieser Kuppelsegmente
haben die darunter als Füllung der Nische an-
gebrachten .Beinreliefs die Form von Cylinder-
segmenten.

Diese Reliefs sind es besonders, welche
Ueberraschung hervorrufen. Diebeiden äufseren
Stücke erweisen sich nämlich als ziemlich
getreue Kopien der Porphyrgruppen
sich umarmender Krieger, welche an
der Südseite der Marcuskirche in
Venedig zunächst der Porta della Carta
aufgestellt sind.

Nicht minder überraschen die Gestalten
eines byzantinischen Kaisers und einer Kaiserin
welche auf den beiden inneren Beinstücken in
Relief dargestellt sind und für die es uns eben-
 
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