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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Hager, Georg: Zur Geschichte der abendländischen Klosteranlage, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0132

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Abhandlungen.

Zur Geschichte der abendländischen
Klosteranlage.

(Mit 7 Abbildungen.) (Schlufs.)

V. Die Marienkapelle.

[ie Marienkapelle habe ich
bei der Rekonstruktion
des Planes von Farfa be-
reits berührt. Ich wies
aus denHirsauer Konstitu-
tionen nach, dafs sie mit
dem Kapitelsaal verbun-
^^^^^^^^^^^ den war und östlich an
denselben stiefs. Im Folgenden bespreche ich
die Marienkapelle einer Reihe von Cluniacenser-
klöstern und thue dar, wie sie ihren typischen
Platz an der Ostseite des Kreuzganges behält,
mit kleinen Varianten in der Disposition.

Ich gehe dabei vom Peterskloster in Hirsau
aus, das vom Abt Wilhelm 1082—1091 erbaut
wurde. Am 2. Mai 1091 ist das Petersmünster
des Neubaues, am 3. Mai desselben Jahres die
_Marienkapelle geweiht worden. In den Jahren
1508—151G erlitt die Hirsauer Marienkapelle
einen durchgreifenden Umbau, bei welchem
vom alten romanischen Bau nur Theile der
Westwand beibehalten wurden, und in den
Jahren 1888—1892 fand eine Restauration statt,
bei welcher die jetzt als protestantische Pfarr-
kirche dienende Kapelle westlich einen Anbau
erhielt. Während der Restaurationsarbeiten
wurde im September 1891 in den Fundamenten
des gothischen Altares das linksseitige Eckstück
des Schmiegegesimses der romanischen, 1508
abgebrochenen Chorapsis gefunden. Die Ka-
pelle erhebt sich östlich vom Kapitelsaal, und
zwar stiefs, bevor sie die moderne Verlänge-
rung im Westen erfuhr, ihre Westwand un-
mittelbar an die Ostwand des Kapitelsaales.
Die Marienkapelle gehört zu den wenigen
mittelalterlichen Theilen des Klosters, die nicht
in Trümmern liegen. Inmitten der grofsartigen
malerischen Ruine ragt sie auf, aus rothen Bunt-
sandsteinquadern gefügt, ehrwürdig an Alter
und doch verjüngt. Die Marienkapelle ist doppel-
geschossig. (Abb. 6.) Das untere Geschofs
enthält den Kirchen räum, das obere Geschofs

barg seit 1516 in schön geschnitzten spät-
gothischen Schränken die Bibliothek.50) Die
Bücher sind verschwunden, die Schränke aber
sind noch erhalten. Seit der letzten Restau-
ration ist die ehemalige Bibliothek zu einem
sorgfältig geordneten Museum von Alterthümern
eingerichtet, die auf Hirsauer Boden gefunden
und insbesondere von dem um Hirsaus Ge-
schichte verdienten Pfarrer Dr. Klaiber ge-
sammelt worden sind. Weiter auf den Bau
einzugehen, ist hier nicht unsere Sache. Für
unsere Untersuchung ist lediglich die Lage der
Kapelle unmittelbar östlich vom Kapitelsaal
von Interesse. Sie stimmt völlig überein mit
der Disposition, die ich oben für die Marien-
kapelle aus den Hirsauer Konstitutionen nach-
gewiesen habe. In dem Grasboden südöstlich
der Kapelle stecken Fundamente, welche vom
Krankenhaus und dem Noviziat herrühren;
Ich füge bei, dafs, um die Uebereinstimmung
mit der Hirsauer Regel vollständig zu machen,
unmittelbar südlich vom Kapitelsaal im öst-
lichen Trakt des Claustrums die Ruinen der
Umfassungsmauern eines rechteckigen, ca. 25 m
langen Raumes erhalten sind. Hier lag das
Auditorium. (Abb. 5.)

Die gleiche Lage der Marienkapelle läfst
sich in einer Anzahl Klöster nachweisen, die
von Hirsau aus besetzt wurden.

In Petershausen am Bodensee liefs der von
Hirsau gesendete Abt Theoderich an der Nord-
seite der Sakristei eine Marienkapelle erbauen
und am 9. September 1093 einweihen. Sie ist
verschieden von der ebenfalls der hl. Jungfrau
geweihten Krankenhauskirche. Dafs das Kran-
kenhaus sehr nahe an der Clausur war, geht
daraus hervor, dafs 1159 ein Brand, der in
einem Anbaue desselben entstand, in kürzester
Zeit die Klosterkirche und das Kloster mit

tl)) Die Bibliothek über der Marienkapelle findet
sich im XV. Jahrh. auch in Admont, wahrscheinlich
auch in Blaubeuren, ferner in Steingaden; vergl.
G. Hager „Die Bauthätigkeit im Kloster Wesso-
brunn" »Oberbayr. Archiv«, Bd. 48 (1894) 270. Im
Obergeschofs des Verbindungstraktes der Marienka-
pelle in Rebais, im Obergeschofs des östlich vorsprin-
genden Kapitelsaales in Sainte-Tiinite in Tiron. Mo-
nasticon Call. PI. 58, 00.
 
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