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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Clauss, Joseph M. B.: Die romanischen Reliquiare von Reiningen im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0043

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51

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

52

Die romanischen Reliquiare von Reiningen im Elsafs.

(Mit 3 Abbildungen.)

n alten Reliquienbehältem bat das
Elsafs aus früheren Zerstörungs-
stürmen wenig mehr gerettet, so
grofs auch die Zahl derselben im
Mittelalter gewesen sein mufs. Wie unersetzlich
dieser Verlust für die einheimische Kunst-
geschichte ist, lehrt ein Vergleich des so spär-
lich Erhaltenen mit. den einst bestehenden
Goldschmiedwerkstätten im Lande, vor allem
in den Klöstern der Benediktiner zu Murbach,
Weifsenburg und Ebersheimmünster, von den
späteren Hauptcentren der Laienkunst in Strafs-
burg und Basel nicht zu reden. Speziell die
Abtei Ebersheimmünster glänzte gerade in der
Zeit, die uns hier beschäftigt, durch die Kunst-
fertigkeit ihrer Mönche. Wir besitzen zum
Glück genaue interessante Angaben hierüber in
dem bekannten Chronicon Ebersheimense, die
um so willkommener sind, als so bestimmte
Angaben äufserst selten und auf die elsäfsische
Goldschmiedekunst ein helles Licht werfen.

Seit dem Jahre 1039 stand dem Kloster
Willo als Abt vor. Er war früher Mönch
in Murbach gewesen, von Kaiser Heinrich III.
aber wegen seiner Kunst an den Hof berufen
worden. Als Goldschmied scheint er in man-
chem der Technik seiner Zeit voraus gewesen

in die rührigste Thätigkeit versetzt. Zwar
dauerte sein Aufenthalt nicht lange; Streitig-
keiten mit seinen Untergebenen vertrieben ihn
angeblich. Was aber er und seine Schüler in
der kurzen Zeit fertig gebracht, zeigt die
Stelle, wo ihm von dem Chronisten zum Vor-
wurf gemacht wird, aus Habsucht eine Un-
masse goldener und silberner Geräthe nach
seinem Zufluchtsort Worms mitgeschleppt zu
haben.

Dafs Willos künstlerisches Wirken nicht
flüchtig vorübergehend war, vielmehr die Kunst
rege fortbetrieben wurde, trotz der in der
Chronik geschilderten inneren Zwistigkeiten,
beweist der Umstand, dafs Abt Adelgaud
1077 die Krone seines Grofsonkels, des Gegen-
königs Rudolf v. Schwaben, heimlich in
seinem Kloster anfertigen lassen konnte, was
doch eine gut eingerichtete Werkstatt und
geschulte Arbeiter voraussetzen läfst. Dafür
traf ihn dann auch die Strafe der Absetzung
durch Heinrich IV.; er starb in Murbach
1078.J) Es ist nun sehr zu bedauern, dafs
wir nichts Genaueres über diese Königskrone
wissen. Das laut Inschrift bald nach dem Tode
(1080) gegossene Reliefbild der Bronzegrab-
platte Rudolfs im Dome zu Merseburg
zu sein, und das will viel heifsen, fällt doch I (s- Literat, bei Otte, Handbuch der kirchl.

diese Zeit zusammen mit dem Aufschwünge
der Goldschmiedekunst in Deutschland, vor-
züglich am Niederrhein im Anfange des
XI. Jahrh. (Bernward von Hildesheim f 1022).
Auf seine Kunstrichtung wird denn auch die
aufblühende sächsische Schule nicht ohne Ein-
flufs geblieben sein. Seiner allzugrofsen Ge-
schicklichkeit im Vergolden verdankte er aber
gerade die Entfernung vom Hofe, seine Er-
hebung zum Abt und dadurch Ebersheim-
münster, wenn nicht den Anfang, so doch die
hohe Blüthe seiner Metallwerkstätte. Als näm-
. lieh die Hofbeamten entdeckten, dafs die ihnen
vom Kön-ge geschenkten Trinkgefäfse anstatt
aus massivem Golde, wie sie geglaubt, nur aus
vergoldetem Kupfer waren, warfen sie ihren
Groll auf den Mönch als Urheber der Täu-
schung und ruhten nicht, bis er entfernt war.
Der Kaiser machte ihn zum Abt von Ebers-
heimmünster. Hier fuhr er rastlos fort zu
arbeiten und hatte bald die Klostervverkstatt

Kunstarchäol. II 544) zeigt blofs einen mit
Steinen und Filigran verzierten Reif mit kreuz-
weis darüber gelegtem schmalen und einfachen
Bügel. — Ich habe mir diesen längeren Exkurs
gestattet, weil die Nachrichten über die Kunst-
thätigkeit der Mönche in Elsafs bisher selbst von
einheimischen Schriftstellern fast gänzlich un-
beachtet geblieben sind.

Wie gesagt, ist das Elsafs an Reliquiaren
aus der Zeit vor der Renaissance sehr arm.
Eine chronologische Aufzählung der erhaltenen
ist gewifs hier am Platze.

1. Reliquienherme des hl. Cyriakus in Alt-
d o r f U.-E., ehemalige Abtei der Benediktiner.
Aus Holz, die Gewandung mit Silberplatten be-
deckt und mit vergoldeten Ornamentstreifen
und gestanzten romanischen und gothischen
Medaillons besetzt. Mehrfach renovirt, zuletzt

l) Chron. Ebersh., MG. SS XXIII. Vgl. dazu
Gerard, »Les Aitistes de l'Alsace I, 23—27 und
mein histor.-topogr. Wörterbuch d. Eis.« S. 285.
 
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