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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Hager, Georg: Zur Geschichte der abendländischen Klosteranlage, [1]
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Honsel, H.: Gothische Architekturformen in der Goldschmiedekunst mit besonderer Berücksichtigung der Monstranz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0076

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105

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

10G

ein darüber in die Mauer eingelassenes Kru-
zifix ausgezeichnet. Ferner fanden im Lese-
gang die Fufswaschungen statt, welche die
Mönche jeden Sonnabend an sich, jeden Grün-
donnerstag an den Armen vorzunehmen hatten.
An jedem Ende der Arkadenseite findet sich
ein reich mit Blattwerk verziertes steinernes
Ausgufsbecken. Zwei solcher Ausgufssteine
haben sich z. B. auch im österreichischen Ci-
stercienserkloster Zwettl in den Fensterbänken
erhalten. Zwei weitere ferner am Südflügel
des Maulbronner Kreuzganges (entlang der
Kirche) und zwar gleichfalls in den Fenster-
bänken. Dieser Südflügel in Maulbronn ist
zugleich wieder der Lesegang und zeigt die
auf Konsolen ruhenden Wandsäulen." Für
meine Erklärung ist es wichtig, dafs wir im
Mittelalter auch bei den Benediktinern für den
Kreuzgangtrakt entlang der Kirche dieselbe Be-
stimmung nachweisen können wie bei den Ci-
sterciensern. So z. B. in St. Blasien im Schwarz-
wald.17) Und noch viel früher, fast in dem-

17) Im Liber constructionis monasterii ad s. Bla-
sium heifst es von Abt Rustenus (1108—112r>): Fecit
eliam claustrum, ad maiorem ecclesiam pertinens, id
est parlem ambitus, ubi fratres solent vacare lectioni
et, si locus se obtulerit, conventus potest ibi habere
colloquia. Et cum conventus a labore intrat claus-
trum, etiam lectio ibi recitari debet cum supplicatione
et benedictione. Vergl. F.J. Mone »Quellensammlung
der bad. Landesgeschichte« IV, 104. Mone bezieht
die Stelle irrthümlich auf den Kapitelsaal. Ebenda
wird der gleiche Kreuzgangflügel mit den Bänken er.
wähnt gelegentlich der Vorschrift über die Handarbeit
der Mönche; wenn die Mönche zur Arbeit aufs Feld
etc. gehen, so sollen der Prior und vier alte Brüder
mit dem Ebdomadarius im Claustrum zurückbleiben
— maneant in claustro, id est in ambitu prope ianuam

selben Jahre, in welchem der Plan von St. Gal-
len entstand, nämlich im Jahre 818 ist in der
metrischen Vita Eigilis vom Sitzen der Mönche
im Kreuzgang von Fulda die Rede; dafs wir
diese Stelle, auf welche G. Richter in seiner
verdienstlichen Arbeit über „Die ersten An-
fänge der Bau- und Kunstthätigkeit des Klosters
Fulda"18) als eine Parallele zum Kapitel von
St. Gallen hingewiesen hat, nicht auf eine Ka-
pitelsitzung deuten dürfen, das, glaube ich, ist
aus meiner Darstellung klar geworden.19)

Nicht blofs in der Lage des Kellers und
Refektoriums, sondern auch in der des Ka-
pitels zeigt also St. Gallen Uebereinstimmung
mit dem normalen Klostergrundrisse des Mittel-
alters. Und der Zusammenhang verräth sich,
wie wir sehen werden, auch in der Disposition
einer Anzahl anderer Räume. (Forts, folgt.)

München. Gg. Hager.

monasterii, et sedeant ibi in scampnis duo cum priore,
reliqui ex parte alia legantque psalmos etc. Mone
a. a. O. IV, 132. Bänke im Kreuzgang werden auch
in den Conslitutiones Hirsaugienses aus dem XI. Jahrh.
erwähnt, gelegentlich der Vorschrift über das Rasiren,
üb. II, cap. 38 u. 3'J; vergl. ebenda üb. II, cap. 42.
Im Kreuzgang von St. Emmeram in Regensburg zeigt
der Flügel entlang der Kirche, Anfang des XIII Jahrh.,
au der Kirchenmauer durchlaufende gemauerte Bänke.

18) Zweite Veröffentl. des Fuldaer Geschichtsver.
1900, S. 45.

19; Wenn v. Schlosser a. a. O. S. 37 aus den
Gesta abb. Lobiensium eine Stelle anfuhrt, welche ihm
zu beweisen scheint, dafs noch im X. Jahrh. das Ka-
pitel zuweilen einen Trakt des Kreuzganges bildete,
so ei kenne ich in derselben lediglich den Hinweis
auf einen Kreuzgang vor dem Kapitelhaus und vor
dem Refektorium. Auf Fontaneila, wo v. Schlosser
dieselbe Anlage rekonstruirt, komme ich unten zu
sprechen.

Gothische Architekturformen in der Goldschmiedekunst mit besonderer
Berücksichtigung der Monstranz.

(Mit 36 Abbildungen auf [Doppel-JTafel III).

ie Architektur ist immer und über-
all die Mutter der Kleinkünste ge-
wesen, der Stil jeder Epoche bil-
dete sich bei ihr zuerst und gab
den Töchterkünsten Stoff und Richtung; die
Stilrichtung ist der Geist des Stiles, der un-
verwischbar bleibt, die Formen sind das Ge-
wand, diese werden, um Gegenstände der
Kleinkunst darein zu kleiden, umgemodelt.
Wie diese Umformung von den Goldschmieden

des Mittelalters bei den Monstranz-Gestaltungen
gehandhabt wurde, soll in Folgendem be-
leuchtet werden. Gröfste Gewissenhaftigkeit
bei Erhaltung der Architekturformen, doch ge-
paart mit künstlerischem Feingefühl für die
Forderungen einer, dem Gegenstand ent-
sprechenden, graziösen und freien Behandlung
kennzeichnen diese Epoche.

Zwar reichen die Reliquiarien, aus welchen
sich die Monstranz herausgebildet hat, in's
 
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