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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Herzig, R.: Der große Radleuchter im Dome zu Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0020

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1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

14

Der grofse Radleuchter im Dome zu Hildesheim.

(Mit 4 Abbildungen.)

rühmittelalterliche grofse Radleuch-
ter haben sich im Aachener Münster,
in der Abteikirche zu Komburg
und im Dome zu Hildesheim er-
halten. Von ihnen ist der letztgenannte nicht
nur durch seine Grofse, sondern auch durch die
reiche Ausbildung der Einzelheiten der hervor-
ragendste. Leider ist er wohl der am wenigsten
gut erhaltene; ist doch sein Bestand durch die
mangelhafte und sorglose Art der Befestigung
der vielfach zerstörten Kupferblech-Verkleidung
ernstlich gefährdet, sodafs von berufener Seite
eine Wiederherstellung angeregt ist, um da-
durch einem gänzlichen Verfall des hochbedeut-
samen Kunstwerks vorzubeugen. Seltsamer
Weise ist diese mit aller dem Kunstwerk schul-
digen Vorsicht in's Werk gesetzte Absicht nicht
ohne Widerspruch geblieben, wie dies in einer
Zuschrift an die „Denkmalpflege" zum Aus-
druck gekommen ist.

Der Kronleuchter ist eine Stiftung des Bi-
schofs Hezilo (1054—1079). Vorbilder dieser
Krone mögen wohl in der von dem hl. Bischof
Bernward der St. Michaelskirche geschenkten,
jetzt nicht mehr vorhandenen Lichterkrone zu
suchen sein, dann aber auch in der durch eine
spätere Restauration veränderten, sonst noch
gut erhaltenen sog. „kleinen Krone" im Chore
des Domes, die von dem Bischof Azelin (1044
bis 1054) herrührt.

Auch der grofse Radleuchter hat in den
beinahe 1000 Jahren seines Bestehens manche
Zerstörungen und, was noch schlimmer sein
mag, mehrere Restaurationen erleben müssen.
Dr. Kratz berichtet in seinem Werk: „Der
Dom zu Hildesheim", dafs die Krone in der
Stiftsfehde (1518—1523) vom Rath der Stadt
Hildesheim zerbrochen und zur Zeit der Re-
formation, 1546 und nochmals 1595, von
Frevlerhänden zerstört sei. Nach Dr. Bertram
hat das Domcapitel zur Zeit der Stiftsfehde
die grofsen silbernen Platten aus der grofsen
Krone genommen, um damit Reuter und
Knechte, welche dem Bischof gedient, zu lohnen.
(Geschichtliche Nachrichten über die beiden
Radleuchter im Dome zu H.; St. Bernwardsblatt
1900.) Im Jahre 1601 wurde die Krone durch
den Goldschmied Seb. Korber wieder her-
gestellt. Worin diese Herstellung, welche (nach

Dr. Kratz) durch ein in der Mittelkugel vor-
gefundenes Schriftstück beglaubigt ist, be-
standen hat, ist nicht bekannt. Auch den
Schweden, welche im 30 jährigen Kriege Hildes-
heim besetzten, wird eine Zerstörung des Kron-
leuchters zugeschrieben. Im Jahre 1818 liefs
dann der Domvicar Todt die Krone durch
einen Klempner ausbessern; leider geschah
diese Restauration, bei der vermuthlich ver-
schiedene nicht mehr gut erhaltene Theile ver-
loren gingen, in wenig sorgfältiger Weise. Der
Klempner zerschnitt die ein laufendes Orna-
ment darstellenden Kupferstreifen der Länge
nach, und stellte auf diese Weise zwei Orna-
mentstreifen her, die er dann wieder auf dem
Reifen befestigte; an die ursprüngliche Stelle
dieser Ornamente setzte er Streifen von Weifs-
blech, die mit einem Muster von Kreuzen und
Sternen durchlocht waren. Ebenso rücksichts-
los verfuhr er mit dem den ganzen Reifen
umgebenden, wulstförmigen, getriebenen Orna-
ment; die mit einem zarten Muster verzierten
runden Flankirthürmchen neben den Thoren
ersetzte er an mehreren Stellen durch kupferne
Röhren,' überhaupt geschah die Ergänzung der
fehlenden oder zerstörten Theile nicht durch
Nachbildung nach den vorhandenen Mustern,
sondern durch willkürliche Zuthaten nüch-
ternster Form; statt der alten Befestigung der
Blechbekleidung mittels Niete wählte man ein
einfacheres Verfahren: Anbinden mit Draht.
Und doch müssen wir dem Domvicar Todt
und seinem Klempner noch dankbar sein für
diese Restauration, da sonst der Kronleuchter
vielleicht ganz aus dem Dome entfernt und
verloren gegangen wäre. Hatte doch das Dom-
capitel im Jahre 1737 schon die Beseitigung
der Krone beschlossen, um dafür 8 Bronze-
Kronleuchter anbringen zu lassen, nur wegen
der Höhe der hierzu erforderlichen Kosten
nahm man hiervon Abstand. (Vergl. Abb. 1,
Grundrifs des Radleuchters und Abb. 2, Ge-
sammtansicht des Radleuchters in seinem jetzi-
gen Zustande.)

Der heutige Zustand des Radleuchters ist
selbstverständlich in Folge der vielen Zer-
störungen und Beraubungen wie der zwei-
maligen Restauration ein ganz anderer wie zur
Zeit, als er die vom hl. Bern ward gegründete


 
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