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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Schnütgen, Alexander: Zwei neue Seitenaltäre romanischen Stiles
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0019

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11

1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 1.

12

Wo es sich also namentlich um farbigen
Effekt in die Ferne handelt und aus der
Umgebung von verschiedenen Marmortönen, ist
diese Technik aufs angelegentlichste zu em-
pfehlen.

Auf dem Altartisch steht als Fortsetzung
der unteren Hinterwand, von schwarzer ganz
mäfsig vorspringender Marmorsockelleiste ge-
tragen, das Retabel, dessen Mittelstück, ent-
sprechend dem unteren Träger, ein über Eck
gestellter, durch vorgeblendete Doppelsäule ver-
stärkter Pfeiler bildet. Das aus weifsen Mar-
morbasen, dunkelrothen Schäften, vergoldeten
Kapitalen bestehende Säulenpaar, welches mit
der Mittelsäule der Mensa kräftig kontrastirt,
trägt vergoldete Schmiege und schwarze Mar-
morplatte mit nach vorn ausladendem Dreieck
als Konsole für das Altarkreuz. Dasselbe wird
flankirt von den Leuchtern, die auch hier ihre
Stelle finden können, oder von Blumenvasen,
falls dieser Devotionsschmuck gewünscht wer-
den sollte, bezw. von kleinen Reliquienschreinen
oder Büsten, wenn die Kirche solche besitzt.
Da die Deckplatten das Retabel überragen,
so kommt zwischen ihm und dem Aufsatz
zum Vorschein der Pfeiler, über den jener
aufgeklappt herüberreicht mit seiner Spitze»
(dem auf der Abbildung leider die doppelte
Kreuzblume fehlt), ungefähr bis zu dem Bo-
genkarniefs hinaufsteigend. Den aus vier
schlanken Säulen gebildeten, mit Kleeblatt-
bogen und Frontispiz geschlossenen, von Kup-
pel- und Eckthürmchen, die auf Motive am
Loccumer Schrein (vergl. Bd. VII, Sp. 321)
zurückzuführen sind, bekrönten Holzschrein
füllt die Standfigur des hl. Antonius, um welche
sich die an der Rückseite beweglichen Flügel-
paare herumlegen können. Sie stellen in gol-
digen Gewändern und schwarzen Konturen auf
blauem Grunde den hl. Franziskus und die
hl. Klara, den hl. König Ludwig und die hl.
Landgräfin Elisabeth als Mitglieder des Fran-
ziskanerordens dar, und daneben in Brustbildern
die Charitas, Devotio, Mortificatio und Humi-
litas. Die kräftige, durch reiche Goldanwen-
dung gemilderte Polychromie bringt den Schrein
zur vollen Geltung in steigendem Fortschritt
gegenüber dem Retabel, dessen Umrahmung
aus hellrothem Marmor und hinter Glas ge-
malten Börtchen gebildet ist, dessen Füllungen,
aus Alabaster in überaus fein gemeifselten
Grüppchen zwei Wunder aus dem Leben des hl.

Antonius vorführen. Der Goldgrund derselben
ist nicht ausreichend für die Wirkung, die nach
dem Vorbilde der mittelalterlichen Marmor-
und Elfenbeinfigürchen noch ganz diskrete An-
wendung von Farbe verlangt. Die Haare sind
zu vergolden oder zu färben, die einzelnen
Karnationstheile entweder einheitlich zu be-
malen oder wenigstens zu markiren, die Ge-
wänder mit Goldsäumen zu verbrähmen, event.
auch noch mit kleinen Musterungen zu ver-
sehen. Vor allem sind die Futterumschläge zu
koloriren, und zwar in matten (bläulichen, grün-
lichen oder röthlichen) Tönen, so dafs die har-
monische Wirkung nicht gefährdet wird, welche
in zarter Technik die Polimentunterlage vor-
aussetzt.

Werfen wir noch einen Blick auf diesen
Altar (welcher der Distance wegen etwas von
der Seite aufgenommen werden mufste), so
finden wir, dafs er sich der Stelle, die er ein-
nimmt, vortrefflich anpafst in seinem Aufbau,
wie in seinen Gliederungen. Die Dreitheilung
der Mensa, die Zweitheilung des Retabels, die
Fünftheilung des Aufsatzes ergänzen sich ent-
sprechend ihren Silhouetten, und neben dem
durch den Pfeiler verlangten Aufstreben kommt
die Horinzontale in hinreichendem Mafse zur
Geltung. Und wie die Architektur ihr Recht
erhält, so gliedern sich ihr die Erzeugnisse des
Meifsels und des Pinsels ein, die zugleich an
stilistischer Korrektheit nichts zu wünschen
übrig lassen, durchaus selbstständige Schöpfun-
gen im Geiste der alten Denkmäler.

Soll dem Altar für die Dauer der Celebra-
tion ein gewisser Schutz gewährt werden, so
können zu beiden Seiten an eisengeschmiedeten
Armen angehängte Teppiche vorgezogen wer-
den, die mit romanischen Thier- und Pflanzen-
musterungen verziert sind, in Wolle oder Seide
gewebt, (wie die Industrie sie vereinzelt nach
guten Vorbildern liefert), oder auch in derber
Technik gestickt.

Der romanische Seitenaltar ist eine Aufgabe,
deren Schwierigkeit offenbar von der Mehrzahl
derjenigen nicht erkannt wird, welche an sie
herantreten, zumal, wenn diese sich dagegen
verwahren, nachzuahmen, ohne ihre diesbezüg-
liche Qualifikation jemals nachgewiesen zu haben.
— Dafs diese Aufgabe nicht selten für Barock-
kirchen gestellt wird, vielleicht gar, um einen
Rokoko-Altar zu verdrängen, ist ein Unverstand,
der endlich aufhören mufs. Schnutgen.
 
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