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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Schubring, Paul: Die primitiven Italiener im Louvre
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0231

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Abhandlungen.

Die primitiven Italiener im Louvre.

Mit 7 Abbildungen.

an wird die Trecento-
Sammlung im Louvre
doch wohl als die glän-
zendsteVertretung dieser
primitiven Künstler dies-
seits der Alpen gelten
lassen müssen. Gewifs
hat Glück und Zufall
hier mehr Verdienst gehabt als die zähe
Energie der Sammler, die sich namentlich in der
Gegenwart sehr selten diesen Schätzen zu-
wenden kann, da sie kaum mehr frei werden.
Und sonderbar bleibt es, dafs gerade Frank-
reich die besten Trecentisten hat. Ueber das
Alter der Louvresammlungen brauche ich
kein Wort zu verlieren; und es wäre schliefs-
lich nicht verwunderlich, wenn im Lauf der
Jahrhunderte neben all den Leonardos, Raffaels,
Mantegnas auch mal ein Giottist untergelaufen
wäre. Aber der einzigartige Charakter des
Louvre ist doch dadurch bedingt, dafs sich hier
so sehr viele vollendete, in sich abgeschlossene
Meisterwerke finden, die das Auge sofort
fesseln und nicht erst auf kunsthistorischen
Umwegen als interessanter Fall erobert werden
müssen. Jedes Bild, das den Louvre betritt
und betrat, wird und wurde befragt, ob es
einen besonderen „charme" besäfse. Dieser ent-
schied. Es ist das gerade entgegengesetzte
Prinzip, nach dem in London gesammelt wird.
Dort sucht man vor allem nach interessanten,
kunsthistorisch wichtigen, ja manchmal einfach
nach möglichst altfränkischen Bildern. Dafs
in London stattliche Trecentisten vorhanden
sind, kann deshalb nicht Wunder nehmen.
Berlin endlich, die dritte Konkurrentin, hat
ebenso spät wie London, aber mit bedeutend
weniger Mitteln angefangen zu sammeln. Auch
hier liegt prinzipiell der Schwerpunkt auf dem
historischen Zusammenhang, darin London sich
nähernd, den lückenlos in guten Mustern
vorzuführen das eigentliche Ziel ist. Selbst-
verständlich tritt darum der absolute Qualitäts-
standpunkt nicht zurück.

Haben und hatten nun die Louvre-Tre-
centisten jenen charme, der die unerläfsliche
Bedingung zur entree war? In der That
finden wir auch hier ganz köstliche Perlen,
die dem ungeschulten Auge weniger eindrucks-
voll bleiben mögen, dem Liebhaber aber eine
Fülle der gröfsten Ueberraschungen bieten.
Es mufs eine Zeit gegeben haben, in der man
im Lande der Gothik die gothischen Italiener
des XIV. Jahrh. höher schätzte als heute.
Der Beweis liegt einmal in der Existenz der
schon 1843 versprengten, viel früher zusammen-
gebrachten Galerie des peintres primitifs, die
der Sammler Artaud de Montor vereinigt
hatte und in einer bei Challamel 1843 er-
schienenen Publikation der Gegenwart er-
halten hat. Leider ist diese Galerie heute in
ihren versprengten Stücken nicht mehr zu
verfolgen; kein einziges Bild hat sich bisher
nachweisen lassen und da auch der Louvre
kein Stück daraus erworben hat, so mufs man
fast annehmen, dafs sie das Opfer eines ele-
mentaren Ereignisses geworden ist. Aber sie
bleib t charakteristisch für den Sammlergesch mack
um 1830. Das heutige Paris hat m. W. nur
einen einzigen Trecento - Sammler, Monsieur
Heugel; und wenn Sedlmeier mal einen Tre-
centisten erwischt, so reist dieser meist über
den Kanal. Der zweite Beweis liegt eben in
der Existenz der Louvre-Trecentisten. Sie
sind nur zum Theil alter Besitz; Hauptstücke
sind erst im XIX. Jahrh. erworben (so
der kostbare Flügel von Simone Martini),
oder sie stammen aus dem nicht reklamir-
ten Reste des Napoleönischen Eingriffs, wie
Cimabues und Giottos Tafel aus Pisa. Kurz,
der Anfang des Jahrhunderts war in Paris
den Primitiven geneigt. — Die archäologi-
sche Renaissance des Empire schützte auch
diese Kunst. Leider ist Paris wie im Sam-
meln überhaupt, so auch in dieser Abthei-
lung stehen geblieben. Die Direktion des
Louvre wendet den Skulpturen, Möbeln und
der Antike mehr Interesse zu als den Bildern;
j schon aus dem sehr plausibeln Grund, weil
I sie keine Bilder mehr hängen kann, da schon
 
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