Zentral-OeaanfürSammelwesen,
Äufltlste >000. Versteigerungen und Alterthnmsknnde.
Verbürgte
Auflage 5000.
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
Nr. 2.
Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—
Stuttgart, 6. Januar L8S7.
(Erscheint wöchentlich.)
Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Psg.
5. Jahrgang.
Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens
schöpft. (LS. Aiundt.)
Alt-Wiener Porzellan.
Von E. M. v. Saal.
(Nachdruck verboten.)
Unter den keramischen Sammelobjekten nimmt „Alt-
Aicn" entschieden eine der hervorragendsten Stellungen
ein, und insbesondere in neuester Zeit wird mehr denn
je nach den kleinen Kunstwerken mit dem österreichischen
Bindenschilde (denn ein Bindenschild und nicht, wieland-
läufig behauptet wird, ein Bienenkorb, ist die Marke
des Alt-Wiener Porzellans) gefahndet, umsomehr, als
die Wiener Porzellanfabrik der Vergangenheit angehört
und ihre Erzeugnisse so recht eigentlich den Gegenstand
des Sammeleifers bilden. Jünger als die Meißener,
hat die Wiener Porzellanfabrik nur eine verhältnißmäßig
kurze Glanzperiode, und während erstere dem Schicksale
der Auflösung entging, gehört letztere seit 1864 bereits
der Geschichte an, allerdings nicht ohne daß die maß-
gebenden Faktoren diesen vorzeitigen Schritt bereut
hätten.
Bekanntlich wurden die Gehülfen Böttger's in
Meißen, die den Namen „Arkanisten", führten, bezüglich
der Geheimhaltung der Art und Weise ver Porzellan-
Erzeugung beeidet. Den vielfachen Bestechungen, den
diese Arkanisten ausgesetzt waren, vermochten jedoch
nur Wenige Stand zu halten, und so wurde mit deren
Hülfe eine Reihe neuer Fabriken gegründet, als erste
1718 die zu Wien. Allerdings reichen deren Anfänge
schon weiter zurück, ohne daß jedoch ein nennenswerther
Erfolg zu verzeichnen gewesen wäre. Der k. k. Kriegs-
agent Claudius Jnnocenz du Paquier, ein Holländer,
errichtete dieselbe, indem er die viel von Porzellanfabri-
ckation handelnden Berichte aus China durchforschte und
-auch das geeignete Kaolin in Oesterreich fand. Nachdem
er jedoch allein schlecht reussirte, ließ er sich angelegen
sein, einen in der Fabrikation erfahrenen Arkanisten
zu gewinnen, den er auch in der Person des von Meißen
entwichenen Stenzel fand. Ueberdies gelang es ihm,
den Emailleur und Vergolder Christof Konrad Hunger
in Dienst zu bekommen.
Dieser Erfolg machte eine Vermehrung des Betriebs-
kapitals zur Nothwendigkeit, nachdem Stenzel schon
außer freier Wohnung und freier Equipage 1000 Thaler
jährlich bekommen sollte. Es betheiligten sich an der
Fabrik nun der Hofkriegsagent Heinrich Zorder und der
Kaufmann Martin Peter, welch' letzterer den kaufmän-
nischen Theil des Geschäftes übernahm. Am 27. Mai
1718 unterzeichnete Karl VI. zu Luxemburg das Privi-
legium, in dem es u. A. heißt, daß die drei Genannten
berechtigt seien, „die durch ungemeine Wissenschaft,
Mühe, Sorge, Fleiß, Gefahr und Unkosten, ohne daß
das Aerar im Geringsten was dazu Vorschüßen dürfte,
erzeugte feingemalte, gezierte und auf allerhand Weise
verzierte Porzellanmajolika und indianisches (irrthümlich
für chinesisches, indem Indien nur den Handel ver-
mittelte) Geschirr, Gefäß und Gezeug, wie solche in Ost-
indien und anderen fremden Ländern gemacht werden,
allein zu erzeugen und sowohl im Großen als Kleinen
in den Erbländern zu verkaufen."
Trotzdem nun die Bedingungen für ein gedeihliches
Aufblühen der Fabrik gegeben schienen, kam sie, und
zwar hauptsächlich deßhalb, weil der Minderbemittelte
bei der Kostspieligkeit des Fabrikates beim altherge-
brachten Zinn- und einheimischen Steingeschirr, der Vor-
nehme beim kostbaren Silber bleiben wollte, und sohin
der Absatz ein geringer war, bald in arge Geldverlegen-
heiten.
Tänzer auf einer broncenen Lampe. Zu Pompeji gefunden, jetzt im
Museum zu Neapel.
Dazu kam noch, daß die „Seele", Stenzel, erbost
darüber, daß ihm das Versprochene nicht geleistet werden
konnte, nach Zerstörung von Modellen und Material
im Werthe von 15,000 fl. unter Mitnahme seines Ge-
heimnisses aus Wien verschwand. Wohl gelang es Du
Paquier nach vielen Anstrengungen wiederum, und zwar
auf Grund dessen, was er von Stenzel erspäht hatte,
ein Porzellan herzustellen, das immerhin dem Fayence
an Güte und Schönheit vorzuziehen war, doch der er-
hoffte pekuniäre Erfolg blieb aus und Du Paquier sah
sich nach 25jährigen Mühen gezwungen, die Fabrik mit
Vertrag vom 10. Mai 1744 an den Staat zu verkaufen,
womit die erste Periode schließt.
Hier sei bemerkt, daß die Wiener Fabrik allerdings
indirekt die Stammutter der Berliner ist, indem ein
Angestellter der Wiener Fabrik Namens Ringler, der
im Besitze der Arkana war, Wien verließ und 1740 in
Höchst im Curmainzischen in Gemeinschaft mit dem Bra-
banter Bengraf eine neue Fabrik errichtete. Ringler,
der ein ausgezeichneter praktischer Chemiker war, huldigte
im Uebermaße dem Trünke, so zwar, daß es seinen
Arbeitern gelang, Abschriften seiner die Porzellanfabri-
kation betreffenden Rezepte, die er stets bei sich trug,
zu erlangen und damit in alle Welt zu gehen, um das
unredlich erworbene Geheimniß zu verwerthen. Im
Jahre 1750 errichtete nun zu Berlin der Kaufmann
Wegely eine Manufaktur ächten Porzellans, für die er
das Arkanum von Arbeitern der Ringler'schen Fabrik
erworben hatte. (Fortsetzung folgt.)
Der Konzertmeister.
Eine Antiquitäten-Geschichte.
Von
Ferdinand Runkel.
(Nachdruck verboten.)
In Berlin verbirgt sich eine Menge Talent und
Wissen, das im Kampfe um das tägliche Brod nicht zur
Entfaltung gelangen kann. So fand ich durch Zufall
eine Persönlichkeit von ganz eigenartiger Prägung und
seltenen Gaben: den Konzertmeister.
Ganz im Süden, wo die Blücherstraße den Cha-
rakter eines Feldlagers gewinnt, bewohnt der Konzert-
meister im Quergebäude eine Stube mit anstoßender
Küche. Auf starkes Klingeln öffnet ein freundlicher Mann,
dessen Alter auf den ersten Blick schwer zu schätzen ist.
Er hat das bleiche Gesicht eines Grüblers und die großen
freien Augen des selbstständigen Talentes.
Das Zimmer ist groß und hell und so voll von
alten Musikinstrumenten wie ein Museum. Neben einer
alten Kirchenorgel steht ein Harmonium aus der Werk-
statt Schiedmayer's, auf einem Regal finden sich alte
Klappenhörner in Kupfer und Messing, eine Anzahl
Clavichorde aus dem siebzehnten Jahrhundert dekoriren
die Wände rundum, sie sind zum Theil schon von der
Hand des Meisters in spielfähigen Zustand versetzt,
Pedalharfen mit prächtigen Schnitzereien, eine Portativ-
orgel aus dem Jahre 1500, alte Streichinstrumente,
Posaunen, Flöten, Zithern, Lauten und Guitarren von
den ältesten bis zu den modernsten Formen. Die Krone
des kleinen interessanten Museums ist ein Clavicymbel,
an dem Johann Sebastian Bach seine unsterblichen
Fugen komponirt haben könnte. Es ist lang wie ein
Flügel und bunt bemalt. Die Füße sind hochkünstlerisch
geschnitzt und reich vergoldet, auch am Rande des Re-
sonanzbodens zieht sich ein reiches Holzornament hin.
Wie eine Geliehte streichelt der stille nervöse Mann
die Kostbarkeit, dann öffnet er den Deckel, eine alter-
thümliche Klaviatur erfcheint. Er setzt sich auf einen
gichtbrüchigen Stuhl, den er zurecht gerückt, und beginnt
eine Bach'schc Fuge zu spielen. Sein musikalischer Aus-