Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Antiquitäten-Zeitung — 5.1897

DOI Heft:
Nr. 17 (21. April)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.61937#0133
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 17.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich s.so
vierteljährlich, Ausland s.—

Stuttgart, 21. April 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)


AMESoooAentral-OrganfürSammelwesen,
. Bersteigerungen und Alterthumskunde.

Verbürgte
Auflage 5000.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum L0 Pfg., Auktionen so Pfg.

5. Jahrgang.

Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken
Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens
schöpft. <W. Wundt.>

Die schlesischen Nnndwälle.

In einer Sitzung des Vereins für das Museum
-schlesischer Alterthümer in Breslau hielt Herr Söhnel
aus Alt-Raudtcn einen Vortrag über die schlesischen
Rundwälle. Im Eingänge bemerkte der Redner, daß
zwar die Rundwälle an Reichthum der Funde sich nicht
mit den vorgeschichtlichen Begräbnißstätten messen könn-
ten, daß sie aber darum nicht minder Beachtung ver-
dienten und neuerdings auch gefunden hätten. Für
Schlesien seien besonders die Arbeiten von Büsching,
Preusker, Schuster, Zimmermann, Stoeckel und Vug
von grundlegender Wichtigkeit gewesen. Den weiteren
Ausführungen des Vortragenden war Folgendes zu ent-
nehmen.
Die Namen, mit denen das Volk jene alten Wälle
belegt, lauten sehr verschieden. Am häufigsten trifft man
den Ausdruck Schwedenschanze, doch kommt auch Tataren-,
Hussiten- und Pandurenschanze vor. Diese Benennungen
bedeuten weiter nichts, als daß man eine dunkle Er-
innerung an den Zusammenhang solcher Anlagen mit
großen Kriegs- und Feindesnöthen bewahrt hat. Mehr
auf die Art der Benutzung gehen Namen wie Burgberg,
Burgwall, Schloßberg, Borchelt, Räuberhebbel, Bauern-
burg und das polnische Kroämsllo, das z. B. in Grätsch-
berg, Hintergrätz, Gröditzberg und vielleicht auch in
Grottkau wiederklingt. Endlich findet sich noch eine
große Zahl vereinzelter Ausdrücke, wie Wallbergel,
Gückelsberg, Kuppitzeberg, Opferberg, Ringmauer, wüstes
Schloß, wilde Fischerei u. s. w. Rundwälle gibt es in
ganz Mittel- und Nordeuropa, von Bulgarien bis Eng-
land , von Frankreich bis Finland, von Oesterreich bis
Norwegen. In Schlesien sind bisher mehr als 280 fest-
gestellt, eine Zahl, die durch genauere Beobachtungen
sicher noch bedeutend vermehrt werden wird. Ihre Lage
ist theils auf Bergen, theils im Thalkessel, theils in
moorigen Niederungen. Besonders häufig sind sie in
den Flußgebieten der Oder, Bartsch und Lohe. Der
Form nach überwiegen bei Weitem die eigentlichen Rund-
wälle , seltener sind viereckige und halbrunde oder huf-
eisenförmige Anlagen. Die Böschung steigt gewöhnlich
in einem Winkel von 25—45 Grad und verläuft auf
der Innenseite in einen Kessel, selten in eine plateau-
artige Erhöhung. Zahlreiche Scherbenfunde an der
Außenseite der Wälle sprechen dafür, daß dieselben in
ruhigen Zeiten zu Wohnzwecken benutzt wurden. Um
den Wall herum führte meist ein Graben, oft auch eine
doppelte und dreifache Umwallung. Die Zugänge wurden
zuweilen durch vorgelagerte Aufschüttungen gedeckt. In
Bezug auf Größe und Umfang zeigen die Wälle große
Verschiedenheiten. Der größte dürfte wohl das Walle-
feld bei Lubowitz, Kreis Ratibor, sein. Es bildet ein

saft vollständiges Quadrat mit etwa 500 m Seitenlänge.
Nicht viel kleiner ist die Steinschüttung auf dem Geiers-
berg (Kr. Reichenbach), dann die auf dem Zobten und
die Tartarenschanze bei Girlachsdorf. Andererseits gibt
cs Wälle von kaum 150 gm Flächeninhalt.
Das Material bilden Steine und Erde. Sehr merk-
würdig sind die verschlackten Wälle, bei denen man mit
angezündeten Holzstücken und Zugröhren die Gesteine
zum Schmelzen gebracht hat. Gern benutzte man für
den Aufbau schon vorhandene natürliche Erhebungen,
z. B. bei der Pandurenschanze von Sandberg und der
Schwedenschanze von Oswitz. Doch scheute man auch keine
Mühe, wenn es galt, einen künstlichen Grund durch Ver-
senken von Baumstämmen, Steinen und Erde zu schaffen.
Holzsubstruktion nach Art der Pfahlbauten als Grund-
lage für Wälle, wie sie anderwärts beobachtet worden


Hirnhaube (MArettu in tsstu) mit fünf Spitzen, geschwärzt und mit
geschobenen kleinen Backenstllcken versehen. Italienisch. IS. Jahr-
hundert, zweite Hälfte.

sind, hat man bei uns noch nicht gefunden. Den Grund
bedeckt häufig eine im Feuer gehärtete Lehmschicht, so-
dann eine starke Erdschüttung, für die das Material,
Sand, Moorerde, auch Lehmpackungen, kohlen- und asche-
haltige Erde, der nächsten Umgebung entnommen wurde.
Fast in allen Theilen finden sich Steine, Knochen und
Scherben. Herdstellen mit Steinpflasterungen werden
fast immer auf der Innenseite des Walles oder im
Kessel bloßgelegt. Von den offenbar höchst primitiv her-
gestellten Hütten der Bewohner hat sich in der Regel
nichts als Stücke gebrannten Lehmbewurfs erhalten,
auf denen mitunter noch die Eindrücke des Balkenwerks
erkennbar sind. Bei den überaus zahlreichen Scherben
hat man zu unterscheiden zwischen der vorslawischen
und der slawischen Zeit. Die Ersteren entsprechen dem
Typus der Urnenfriedhöfe, sind aber auf eine verhält-
nißmäßig kleine Zahl von Wällen beschränkt. Ebendort

hat man anch Broncen gefunden, z. B. auf dem Zobten
einen Axthammer, auf dem Breitenbergs bei Striegau
eine Pfeilspitze, einen Spiralring und eine Schmucknadel.
Die Gefäße der slawischen Periode sind leicht daran
kenntlich, daß sie mit Hülfe der Töpferscheibe geformt
und hart gebrannt sind. Außerdem tragen sie fast durch-
gehends das sehr charakteristische Wellenornament. Der
Rand ist scharf umgebogen, der Boden häufig mit einem
Stempeleindruck versehen. Von der Lebensweise der
Bewohner geben die Funde von Getreideresten (Weizen,
Gerste, Hafer), Hülsensrüchten und Knochen von Rindern,
Pferden, Schafen, Schweinen und Hunden Zeugniß.
Fischreste hat man dagegen auf schlesischen Schanzen
noch nicht beobachtet. Die Knochen und Geweihstücke
sind vielfach zu Werkzeugen wie Pfriemen, Hämmern,
Kämmen und dergleichen bearbeitet worden. Von Stein-
gerälh finden sich besonders Wetz- und Reibesteine der
verschiedensten Formen. Messer, Gabeln, Schlüssel,
Lanzenspitzen, Bolzen, Sporen, Hufeisen, Picken und
Aexte wurden aus Eisen gefertigt. Von der Bereitung
dieses Metalls zeugen noch zahlreiche Schlackenreste, sowie
die an mehreren Stellen gefundenen Schmelzöfen. End-
lich hat man in Schlesien nicht selten orientalische Münzen
und silberne Schmuckgegenstände ansgegraben. Es scheint
dies darauf zu deuten, daß in der Zeit heftiger Grenz,
streitigkeiten zwischen Deutschen und Slawen die letzteren
ausgedehnte Handelsbeziehungen mit dem Orient unter-
halten haben. Ein eigenthümliches Interesse erregt die
Thatsache, daß man an einigen Orlen, z. B. auf den:
Breitenberge bei Striegau und der Modlauer Schanze
im Kreise Glogau, sehr stark beschädigte menschliche
Skelette gefunden hat. Bei Stargard, Kreis Guben,
entdeckte man drei ganz isolirt liegende Schädel mit
schweren Hiebverletzungen. Nach Virchow leidet es keinen
Zweifel, daß dieselben von erschlagenen Feinden her-
rühren und als Trophäen gedient haben.
Mancherlei Sagen sind im Volksmunde über jene
Denkmäler der Vorzeit verbreitet. So hören wir oft
von einem Schlosse, das in Folge irgend eines Frevels
seines Besitzers versunken ist, und von gewaltigen
Schätzen, die im Innern des Berges vergraben sind und
von bösen Geistern oder Zwergen bewacht werden. Nicht
unwahrscheinlich klingt es, wenn erzählt wird, daß die
Erbauer dieser oder jener Schanze den nöthigen Boden
in ihren Mützen und Helmen herbeigeschleppt, oder daß
sie ihre Habe beim Heranziehen des Feindes eiligst ver-
graben hätten. Jedenfalls tragen diese Sagen dazu
bei, uns über die eigentliche Bestimmung jener Anlagen
aufzuklären. Die verschiedensten Ansichten sind darüber
laut geworden. Schuster sah in ihnen eine systematische
Kette von Befestigungen und ein beredtes Zeugniß für
den kriegerischen Sinn unserer Vorfahren; Schmaler
hielt sie für befestigte Opferplätze aus der Zeit des un-
tergehenden Heidenthums; nach Preusker sind es theils
feste Plätze, Wacht- und Signalposten, theils Opfer-
plätze und Grabstätten, nach Giesebrecht Landwehre;
nach Friedel dienten sie zu drei Zwecken: als Wohnort
der Fürsten, zur Deckung der Straßen und Flußüber-
gänge und als Zuflucht des Volkes in unruhigen Zeiten.
Neuerdings hat Behla die alte Ansicht von der kulturellen
 
Annotationen