»(di«
LMiWM'
4^MüLÄ'
tz. .. ><?
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
» 7 7 ^»» iZentral-OraanfürSammelwesen,
Auflage 5000. Versteigerungen und Mterthumskunde.
Verbürgte
Auflage 5000.
Nr. 49.
Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich s.so
vierteljährlich, Ausland
Stuttgart, 1. Dezember ISS?'.
(Erscheint wöchentlich.)
Anzeigen:
Die N»npareill«»eil« oder deren
Raum 20 Psg., Auktionen »0 Pfg.
5. Jahrgang.
»7? Di« Wissenschaften sind Gemeingut, weil da» Denken
Gemeingut ist, und da« Denken au» der Quell« de» Wissen»
schöpft. (W. Wundt.)
Die ehemalige Seyffer sche
Sammlung in Stuttgart.
Von Max Bach.
(Nachdruck verboten.)
Die schönste und reichste Sammlung von Kunstal-
Äerthümern, welche je in Stuttgart unter den Hammer
kam, war diejenige des Prof. Dr. Otto Seyffer, früher
Redakteur des „Staatsanzeigers" und zeitweise auch
Vorstand der Staatssammlung vaterländischer Kunst- und
Alterthumsdenkmale in Stuttgart.
Die Sammlung war mit großem Fleiß und Sach-
kenntniß innerhalb 25 Jahren zusammengebracht worden,
und nur ungern entschloß sich der Besitzer, seine Schätze
zu veräußern, gezwungen durch ein schweres Nervenleiden,
welches ihm den Genuß der Sammlung entzog und
schließlich auch seinen Tod herbeiführte.
Dem schönen, von Kunsthändler Gutekunst ver-
faßten Katalog entnehmen wir nachfolgenden Passus,
der für die Geschichte der Sammlung von Interesse ist.
„Vor beiläufig 25 Jahren (zu Anfang der Sech-
ziger Jahre) ersuchte ein auswärts lebender Bekannter
unfern Freund, ihm in einer hier stattgehabten Fahr-
niß-Auktion einige alte Krüge zur Zimmerdekoration zu
kaufen. Dr. Seyffer entsprach dieser Bitte und er-
steigerte mehrere derartige Gefäße; als er sie aber seinem
Bekannten zuschickte, fanden sie dessen Beifall nicht und
er sprach dies offen aus, worauf Dr. Seyffer sagte:
,Nun, so behalte ich sie eben für mich!' Dies war der
Anfang einer Sammlung von Antiquitäten und kunst-
gewerblichen Gegenständen aller Zeiten, so vollständig,
werthvoll und mustergültig, wie es wohl in unseren
Tagen in Privatkreisen wenige ähnliche geben wird."
Der Schwerpunkt der Sammlung lag in der Kunst-
töpferei, feinen Silbergeräthschaften und kleinen Nipp-
sachen des Rococo; dann waren vorhanden eine reich-
haltige Dosensammlung (132 Stück), ferner Uhren,
Schmucksachen, Waffen- und Eisenarbeiten, Arbeiten in
Bronce und Zinn, Gläser, kleinere Möbel, Kassetten u.
dergl.
Unter den Kunsttöpfereien befanden sich hervorragende
Stücke, besonders Steingutkrüge, und es fehlte wohl
keine Spezialität dieser Branche. Dann Gläser, Vene-
tianer und deutsche emaillirte Sachen, geschliffene und
gravirte Gläser.
Von hohem Interesse waren die Silbergeräthschaften,
ein Gebiet, das wegen seiner Kostspieligkeit nur wenigen
Sterblichen gegönnt ist, zu betreten. Es waren die
verschiedensten Formen von Pokalen und Humpen vor-
handen, von der Renaissance bis zum Rococo. Herv'r-
zuheben sind der silberne Wolf der Familie Wölsing,
Heidelberger Arbeit vom Jahr 1553, dann der Pokal
der Familie Jäger, Berner Arbeit aus dem 17. Jahr-
hundert, Prunkgefäß in Form eines Schwans, Meister-
stück des Sebastian Fechter von Basel (geb. 1611). Fer-
ner sog. Dutzend- und Jahrzeitenbecher, schöne Ananas-
und Stollenbecher, Stengclbecher, d. h. solche, deren
Korpus von einem pflanzenartig gebildeten Stiel, mit
Moosblumen garnirt, getragen wird; dann Kokosnuß-
becher, Humpen, Salzfässer u. dergl. An diese Silber-
geräthe reihte sich dann eine große Kollektion von Schmuck-
sachen aller Art an: Ringe, Colliers, Anhänger und
Filigran-Arbeiten.
Die kleinen Nippsachen, von dem ehemaligen Be-
Nr. 33. Achatgefaß, 16. Jahrhundert.
Museum in Stuttgart, Neckarstraße 8. (Text Seite 388.)
sitzer mit großen Mühen und Kosten gesammelt, füllten
einen ganzen Schrank. Es waren 335 Nummern, größ-
tentheils Necessaires, Riechfläschchen, Büchschen, kleine
Uhren und Puppengeräthe.
Die Abteilung Bronce enthielt eine ganze Reihe
romanischer und frühgothischer Gegenstände von hohem
Jnter-sse, besonders Leuchter in verschiedenen Formen,
Aquamanile, Rauchfässer, Ciborien, Monstranzen, Tisch-
glocken.
Unter den Elfenbeinsachen erwähnen wir eine präch-
tige Herkulesfigur von Angermair in München, einen
schönen Silen mit dem Bacchus, Christus am Kreuz,
mit Maria und Johannes, Arbeit des 14. Jahrhunderts.
Stand- und Taschenuhren waren zahlreich vorhanden,
Reiseuhren, eine große Löwenuhr und eine Mohrenuhr,
welch' letztere jetzt in die Kgl. Württembergische Staats-
sammlung übergegangen ist.
Unter den Eisensachen waren Thürklopfer und
Schlüffelschilder, Kassetten, Dreifüße, Leuchter, Wand-
arme, Handtuchhalter und dergl. vertreten.
Die Waffensammlung zeichnete sich ebenfalls durch
gediegene Auswahl und feines Verständniß in dieser
Branche aus. Von ganzen Rüstungen war vorhanden
der Harnisch des Hoch- und Deutschmeisters Heinrich
von Babenhausen (1572—1588), dann ist zu erwähnen
ein prächtiges Pulverhorn mit prachtvollen Beschlägen
im besten Styl des sechzehnten Jahrhunderts, Hellebarden,
Schwerter, Dolche, ein altgriechischer Broncehelm u. s. w.
Ein ganz hervorragendes Stück war die Betnuß,
in Buchsholz geschnitzt, mit der Darstellung der Kreuz-
tragung und Kreuzigung, im Durchmesser nur 5 om,
herrliche niederdeutsche oder vlämische Arbeit des fünf-
zehnten Jahrhunderts. Sehr reichhaltig waren die
kleinen Kästchen vertreten, die in einem Haushalte des
Mittelalters nie fehlen durften und wegen ihrer wenig
kompendiösen Form und ihrer meist originellen und reich
gebildeten Schnitzereien sich vielfach erhalten haben,
während größere gothische Möbel immer zu den Selten-
heiten gehören; unter den letzteren zeichnete sich besonders
der gothische Aktentisch aus dem Rathhaus zu Wimpfen
aus, welcher von der Kgl. Staatssammlung erworben
wurde.
Noch bleiben zu erwähnen übrig Textilsachen
griechische und römische Alterthümer, unter den ersteren
zwei Antependien, schöne stylisirte niederdeutsche Haute-
lisse-Arbeiten aus dem 15. Jahrhundert, mit religiösen
Darstellungen, Gobelins, Tischdecken, Handtücher und
dergleichen.
Die ausgewählte Sammlung von Anticaglien war
klein, aber fein, und enthielt Broncen, Terrakotten,
Schmuck, Lampen und Geräthschaften aller Art, worunter
besonders ein römischer Schreibapparat hervorzuheben
ist, bestehend aus bleiernen und beinernen Schreibstiften,
Löffelchen von Wachs, und Spatel zum Wachsstreichen,
im Ganzen 19 Stück, ausgegraben in Aquilea.
Die Versteigerung der Sammlung fand in zwei
Abschnitten durch die Kunsthandlung von Gutekunst statt.
Die erste Auktion erfolgte am 8. November 1887 und fol-
gende Tage, die zweite am 14. März 1888 und folgende
Tage jedesmal untergroßem Andrang vonHändlern, Kunst-
liebhabern und Museumsdirektoren. Durchweg wurden
recht gute Preise gezahlt. Den höchsten Erlös erzielte
der silberne Wolf mit 11,200 Mark, und die Betnnß
mit 7600 Mark. Ferner ein Dutzendbecher 3300, ein
Halsgeschmeide 1255, ein Reliquiar 2900, eine eiserne
Kassette 1400, die große Reiseuhr 2050, Löwenuhr 1200 ;
das prächtige Pulverhorn stie - auf 2250 Mark, die Rüst-
ung des Herrn von Babenha *en auf 2160, ein email-
lirter Nestelhaken zum Schn cen, von feinem Gold,
kam auf 1200 Mark, ein goldener Anhänger auf 1710
Mark. Der Ritter St. Georg, den Drachen tödtend,
lebensgroße Vollfiguren, in Eichenholz geschnitten, die
Rüstung Silber und vergoldet, aus guter gothischer Zeit,
1025 Mark, eine große Augsburger Ewiglichtlampe 1200
Mark u. s. w. Von verschiedenen in- und ausländischen