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Antiquitäten-Zeitung — 5.1897

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Nr. 15 (7. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61937#0117
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Verbürgte
Auflage 5000.

Verbürgte
Auflage 9000. Versteigerungen und Alterthumskunde.

.Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Berkert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.

Nr. 15.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich S.SO
vierteljährlich, Ausland S.—-

Stuttgart, 7. April 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

5. Jahrgang.

l Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken 8
Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens 8
schöpft. (W. Wundt.)


Der Büchsenmacher
Beitrag zur Geschichte der Zünfte.

mit geraden als mit gewundenen vertieften Reifen ge-
zogen werden. Eine Büchse hat nämlich einen geraden
Zug, wenn die Züge in einem gezogenen Rohre nach
geraden Linien gehen; sind hingegen die Reifen gewun-
den, so heissen sie svhrale Linien oder Drallen, ingleichen
Schneckenlinien. Die Einrichtung der Ziehbank mit
ihren Theilen und anderm Zngehör lernet man am besten
in der Werkstätte des Büchsenmachers kennen.
Das Zündloch eines Feuergewehrs bohret der Büch-

Mit I Abbildung.
(Nachdruck verboten.)

Unser Gewährsmann berichtet im Jahre 1804:
Das Handwerk des Büchsenmachers oder Bücbsen-
schmides hat seinen Ursprung der Erfindung des Pul-
vers und der kleinen Feuergewehre zu verdanken: denn
er macht alle Arten derselben, als Flinten, Mus-
keten, Musketons, Carabiner, Vogelflinten, Büchsen
und Pürfchrohre, Stutzer, halbe Flinten, Pistolen und
Terzerole oder Sackpuffer. Zu allen diesen Feuerge-
wehren verfertiget er den Lauf, das Schloß und das
übrige Beschläge. Zuweilen gibt er sich auch mit Be-
arbeitung der Windbüchsen ab; wiewohl diese gewöhn-
lich von Kunstdrehern und anderen mechanischen Künst-
lern gemacht werden.
Der Büchsenmacher erhält das Rohr zu jedem
Feuergewehr von irgend einer Gewehrfabrik ohne
Schwanzschraube, Zündloch, Richtkorn und Politur;
er arbeitete es aber in seiner Werkstätte so aus, daß
es als Schießgewehr brauchbar ist und nur noch von
dem Büchsenschäfter geschäftet werden darf, wiewohl
der Büchsenmacher, der sich in kleinen Städten nieder-
läßt, jedes Feuergewehr, das er verfertiget, sogleich
auch selbst zu schäften pfleget.
Da der Büchsenmacher zu den vorzüglichsten Eisen-
arbeitern gehört, so braucht er auch die bei ihnen ge-
wöhnlichen Materialien und Werkzeuge, als: Eisen,
Stahl, eine Esse, den Schraubstock, das Schneidzeug
oder Schneideisen, Meissel und Feilen. Ihm eigen
ist die Bohrbank, die mittelst eines Rades durch die
Hand des Menschen bewegt wird. Schon ihr Rame
zeiget an, daß jedes Rohr auf derselben durch Hülfe
verschiedener Bohrer, die an Größe Stufenweise etwas
abnehmen, ausgebohret wird.
Mit der Saite, die ein hölzerner Bogen mit einer
Darmsaite ist, untersucht er, ob sich ein Rohr geworfen
habe; in diesem Falle legte er es auf den Richtstock
und biegt die Krümmungen in dem Schraubstock ge-
rade. Den Rohrzirkel braucht er, um zu erforschen,
ob die äussere Fläche eines Rohrs etwa hie und da un-
eben sey, wo alsdann mit der Feile nachgeholfen werden
muß. Mit dem hölzernen Kolben, der in der Mitte
eine stählerne Platte mit kleinen schrägen Schneiden
hat, feilet er alles Unebene in der Sele, d. i. in dem
Innern des Laufs ab, und mit dem gespaltenen Kolben
glättet er sie; endlich wird sie mit dem bleiernen Kolben
geschmirgelt.
Das künstlichste Werkzeug des Büchsenmachers ist
die Ziehbank, auf welcher die gezogenen Läufe so wohl

Wandernde Handwerksburschen. (Text neben.)


senmacher mit dem Zündlochsenker konisch aus; dieser
ist ein stählerner Bohrer, in Gestalt einer kleinen vier-
eckigen Pyramide, der ein Stirnrad und drei kleine Ge-
triebe hat. Die größte Oeffnung des Zündlochs ist
gegen die Sele des Rohrs gekehrt.
An der untersten Mündung des Laufs ist die
Schwanzschraube, die mit der Schraubenmutter, einem
starken Schneidezeuge, geschnitten wird: zum Einbohren
der dazu gehörigen Gänge in dem Rohre dienet der
Schraubenbohrer.

Auf dem Schloßblecheisen schraubet der Büchsen-
macher das Schloßblech, worauf alle kleine Theile eines
Schlosses bevestigt werden, zum Abfeilen an.
Das Pfanneneisen dienet zur Ausarbeitung der
Pfanne mit der Feile, indem er diese kleine eiserne
Schraubenzwinge im Schraubstocke bevestigt. Die Ver-
tiefung der Pfanne, worein das Zündkraut geschüttet
wird, reibet er mit dem Pfannenkolben aus. Die Federn
des Schlosses biegt er aus einem geraden Stücke Stahl
mit dem Federeisen um; und den Schraubenkopf der
Schraube, die den Hahn am Schloßbleche bevestigt,
glättet er entweder mit dem Kaliber oder mit dem
stählernen Abdrehnagel. Die Zapfen der Nuß in
dem Schlosse werden mit dem Nußeisen geschnitten.
Hat nun der Büchsenmacher ein Rohr ausgebohrt,
gezogen und mit seinen übrigen Nebentheilen versehen,
so polirt er es auf der äussern Fläche entweder selbst,
oder schickt es auf eine Schleifmühle, wo solches in
kürzerer Zeit geschiehet. Nach dem Schleifen hobelt
er das Rohr ab, d. i., er feilet es mit einer stählernen
und mit Feilenhieben versehenen Plätte, die wie ein
Hobel geführet wird, ab, und glättet sie alsdann mit
der Schlichtfeile. Zum Policen nimmt er Schmergel
und Baumöl, und zuletzt Blutstein und Zinnober; da-
mit wird das Rohr mittelst eines weichen Holzes
gerieben.
Bei Verfertigung des Schlosses an einem Feuer-
gewehre bedienet sich der Büchsenmacher der gewöhn-
lichen Handgriffe des Schlossers. Die äussern Theile
des Schlosses sind das Schloßblech, der Pfannendcckel
oder die Batterie: Der Schwanz derselben ruhet auf
der Deckelfeder, die den Deckel, wenn er auf der
Pfanne liegt, vest aufdruckt, damit das aufgeschüttete
Pulver (Zündkraut) nicht von der Pfanne abfalle.
Endlich ist noch der Hahn mit seinem Maule, worein
der Flintenstein gefaßt wird, zu merken. Die inner»
Theile des Schlosses sind die Nuß, die Studel, die
Ruhen, die Schlagfeder, und die Stange mit der
Stangcnfeder.
Ein Büchsenschloß hat äusser den Theilen eines
Flintenschlosses noch einige kleine Stücke zur Erleichte-
rung des Abbrennens, nämlich statt des Abzugsblechs
einen Schneller mit seiner Nadel, dem Schlagstücke,
der Schlagstückfeder und dem Spiele.
Alle Theile des Schlosses sind größtentheils von
Eisen, und müssen gehärtet werden, damit sie eine
feine Politur annehmen können. Bei dem Härten und
Poliren verfährt der Büchsenmacher nach bekannten
Handgriffen: Die Federn des Schlosses schmiedet er
aus Stahl.
An dem Schafte einer Flinte oder Büchse werden
noch einige kleine Stücke bevestigt, die man zusammen
den Beschlag nennet; dieß sind: der Abzug mit seinem
Abzugbleche, der messingene Bügel, die messingenen
Röhren, das messingene Seitenblech und die messingene
Kappe.
Der Büchsenmacher verfertiget Flinten und Büchsen
nicht nach einerley Länge, sondern entweder nach eige-
nem Gefallen, oder nach geschehener Bestellung, bald
kürzer, bald länger. So macht er auch Flinten mit
 
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