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Nr. 29
5. Jahrgang
Verbürgte
Auflage 5000
Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich L.SV
vierteljährlich, Ausland s.—
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
Anzeige«:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum L0 Psg., Auktionen »0 Psg.
Stuttgart, 14. Juli 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)
Auflage Eo A
Versteigerungen und Alterthumsknnde.
Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken
Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens
schöpft. (W. Wundt.)
Allerlei Liebhabereien.
Von Hngo Klei«.
(Nachdruck verboten.)
Was wird in dieser Welt nicht alles gesammelt?
Der Sammeltrieb ist vielleicht in der menschlichen Na-
tur begründet; wären sonst so viele Leute bemüht, min-
destens eine Million von Markstücken zu sammeln? Aber
nicht nur Markstücke sind es, welche den Trieb, zu sam-
meln, so passionirt gestalten. Man sammelt alles Er-
denkliche, Kunstgegenstände wie die trivialsten Objekte
des Alltagslebens, Porzellan und Briefmarken, Waffen
und Tabakspfeifen, Gobelins und Sandalen des Aller-
thums, Malerpinsel und Autogramme. Ja, es gibt so-
gar Amateurs für schöne menschliche Gedanken. Wer
sich gründlich über die Sammelmanie dieser Welt un-
terrichten will, der nehme ein höchst lesenswerthes Buch
zur Hand, das kürzlich in Paris erschienen ist: „Oollse-
tion8 et Oolleotiounsnrs", von Paul Endel. Der Ver-
fasser ist nicht blos selbst ein passionirter „Sammler",
sondern auch ein geistvoller und gelehrter Schriftsteller,
der in seinem Buche auch ausgezeichnete Kunstessays
über die Schätze berühmter Sammler veröffentlicht, wie
beispielsweise über die geradezu einzige Sammlung von
Kunstgegenständen des vergangenen Jahrhunderts, deren
Besitzer Baron Charles Davillier ist, der Verfasser einer
ganzen Reihe werthvoller Werke über das Kunstgewerbe
aller Zeiten. Von diesen liebevollen künstlerischen Stu-
dien ganz abgesehen, erzählt aber der Verfasser auch eine
Fülle interessanter Dinge über manche andere seltsame
Liebhabereien der „Sammel-Fexe" in allen Zonen.
Eine wirklich sehenswerthe Sammlung von Kurio-
sitäten ist die Kollektion von Kinderspielzeug der Schau-
spielerin Madame Agar. Die Hauptstücke dieser Samm-
lung, die auch künstlerischen Werth besitzen, dienten zur
Unterhaltung einer Tochter des Prinzen von Oranien-
Nassau, welcher wegen der schönen Augen der Gräfin
von Aultremont auf den Thron der Niederlande ver-
zichtete. Das Ganze stellt das Innere eines holländischen
Hauses in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts vor.
„O'sst tont NU xosms!" ruft der begeisterte Berichter-
statter aus. Wir sehen vor Allem ein kleines Bett,
dessen Baldachin durch graziöse kleine Säulen getragen
wird. Die Vorhänge sind aus schwerer, alter, mit Trod-
deln und Franzen eingesäumter Seide; der Baldachin
ist durch einen vergoldeten Adler gekrönt. Die Haupt-
figur unter den Puppen, die Mutter des Hauses, welche
kaum ihre Niederkunft überstanden hat, ruht im Bette,
das müde Haupt in die Kissen gedrückt, das Gesicht ist
durch die Spitzen ihres Häubchens halb verborgen. Alles
Bettzeug trägt in feiner Stickerei die königliche Marke,
ein X mit einer Krone, darunter ist mit rothem Faden
die Nummer des Dutzends notirt. Unweit vom Bette
sitzt die Amme in ihrem geblümten Rocke auf einem
Schemel. Ein reiches Geldtäschchen von schwarzem
Sammet, mit silbernem Schloß, vermuthlich ein Geschenk,
hängt an der Seite vom Gürtel herab. Unter ihren
Füßen — man muß die Ammen hätscheln — sehen wir
eine hölzerne Wärmflasche. Da es die Dame bei den
Pflichten, die sie zu erfüllen hatte, bequem haben wollte,
legte sie Leibchen und Mieder ab — das Letztere steht
steif wie eine Rüstung, mit seinen Holzstäben und eiser-
nen Schienen neben ihr; man kann da mit aller Muße
das getreue Konterfei dieses Marterinstruments aus dem
vergangenen Jahrhundert bewundern. Die linke Hand
Nr. 15. Gewichtseinsatz.
Museum in Stuttgart, Neckarstraße 8. (Text Seite 228.)
der Amme ruht auf der schaukelnden Wiege, in der sich
der Säugling befindet, die andere schwingt ein buntes
Band in der Luft, um die Aufmerksamkeit des Kindes
zu fesseln. In einem bauchigen Schranke befindet sich
die prächtige Wäsche-Ausstattung des Säuglings; alle
diese Hemdchen, Röckchen, Häubchen sind mit Spitzen be-
setzt und zeigen die beschriebene Marke. Nebenan be-
findet sich eine Presse für die Wäsche, weiterhin ein präch-
tig ausgestatteter Toilettetisch; wenn man die Schub-
laden öffnet, findet man alle Toilettenrequisiten darin,
Kämme, Bürsten und Puder-Schachteln, ja sogar einige
Schminktiegelchen. Neben diesem Schlafgemache befinden
sich noch zahlreiche andere Räumlichkeiten, Speisesäle,
Empfangszimmer, Salons rc., alles mit stylvoller Ein-
richtung nach dem Geschmacks der Zeit. Im Speise-
saale steht der Thee bereit. Die Kanne mit den win-
zigen Tassen befindet sich auf einem runden Tischchen,
neben welchem einige „große" Fauteuils L la Louis XIII.
mit gerader Rücklehne, der Sitz mit Utrechter Sammet
überzogen und mit goldenen Nägeln beschlagen, stehen.
In der Nußholz-Kredenz befinden sich die verschiedensten
Glas- und Porzellan-Garnituren. Es würde uns zu
weit führen, alle diese und andere Herrlichkeiten zu be-
schreiben, welche da aufgestapelt sind; genug an dem,
daß uns diese liliputanischen Interieurs ein historisch
treues Bild eines mit künstlerischem Geschmacke ausge-
statteten, vornehmen holländischen Hauses im vergange-
nen Jahrhundert zeigen. Da ist nichts vergessen. Der
Küche ist dieselbe Sorgfalt zugewendet wie dem Salon.
Ja, es sind sogar Ställe und Remisen da; in den
letzteren sehen wir einige große holländische Staatskarossen
mit Malereien im Genre Teniers' auf rothem Grunde
und vergoldetem Wagenkranze. Es kann fürwahr nichts
Niedlicheres und Interessanteres geben, als diese kom-
plete Einrichtung eines ganzen Hauses, die mit so viel
künstlerischer Liebe und Sorgfalt verfertigt wurde. Dieser
Schatz der Frau Agar erregte in Paris, wo er eine
Zeit lang ausgestellt war, Aufsehen. Vor den Glas-
scheiben der Ausstellungskästen drängte sich Tage lang
die Kinderwelt der Seinestadt, und der Verfasser unseres
Buches belauschte da manches interessante Gespräch. Eine
Mutter fragte ihr kleines, sechsjähriges Töchterchen, was
sie vorziehen möchte, die vielen schönen Puppen in diesen
Zimmern, oder die vielen schönen Einrichtungsgegenstände.
Die Kleine brauchte lange Zeit, um ihre Wahl zu treffen;
dann flüsterte sie der Mama heimlich zu: „Ich hätte das
schöne Spielzeug lieber; aber sage den Puppen nichts
davon."
Eine andere, gewiß schwer begreifliche Liebhaberei
ist das Sammeln von Tabakspfeifen, die indessen nicht
zu den Seltenheiten gehört. Der große Richelieu hul-
digte dieser Liebhaberei wie der General Vandamme,
dessen einzige Hinterlassenschaft in einer Kollektion Pfeifen
bestand, für welche die glücklichen Erben 60,000 Francs
lösten — man kann sich also ungefähr vorstellen, wie
viel diese Sammlung den General selbst gekostet hat!
Theophile Gautier erzählt übrigens in einem seiner
orientalischen Reisebücher, daß man bei den reichen Tür-
ken Stambuls häufig Pfeifen-Sammlungen findet, die
man getrost auf 150,000 Francs schätzen darf. Es gibt
indessen im Occident Pfeifen-Liebhaber, welche jenen
vielleicht noch „über" sind. Ein solcher Sammler ist
Baron Oskar de Watteville in Paris. Er behauptet
sogar, eine — prähistorische Pfeife zu besitzen! Warum
auch nicht? Vielleicht haben sich schon die Pfahlbauern
mit der Frage des staatlichen Tabakmonopols beschäftigt.
Die Wohnung Watteville's in Paris, Boulevard Males-
herbes, ist ein wahres Pfeifen-Museum. In allen Sälen,
in allen Stockwerken, nichts wie Pfeifen! Sie stehen in
langen Reihen auf ihren Gestellen an allen Wänden,
und es wäre vergebliche Mühe, sie zählen zu wollen. Es
gibt da lange und kurze, runde und viereckige, breite
und schmale Pfeifen, Pfeifen von der Form eines Eies
und andere von der Form eines Trichters, Pfeifen aus