Verbürgte
Auflage 5000.
, u ° Zentral-QraanfnrSammelwesen,
Auslage '>000. Versteigerungen «nd Alterthumsknnde. li
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
Nr. 8.
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Deutschland u. Oesterreich X S.S»
vierteljährlich, Ausland s.—
Stuttgart, 17. Februar 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)
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Die Nonpareillezeil« oder deren
Raum 20 Psg., Auktionen »o Pfg.
5. Jahrgang.
I Die Wissenschaften find Gemeingut, weil das Denken 8"
ö Gemeingut ist, und dar Denken aus der Quelle des Wissens 8°
l! schöpft. (W. Wundt.) L
Die 9!otariats-Signete.
Ein neuer Sammelzweig.
Mit S Abbildungen.
Einen neuausgetauchten Sammelzweig bilden die No-
tariatssignete, auf welche der ff Dr. Friedrich Leist in
seinem bei Giesecke L Devrient in Leipzig soeben er-
schienenen Werke zum ersten Male aufmerksam macht.
Diese Signete haben eine gewisse Verwandtschaft mit
den Buchdrucker- oder Verleger-Marken, oder auch mit
den Exlibris, und bilden einen werthvollen Beitrag zur
Geschichte des Notariats, sowie zur Lehre von den Pri-
vat-Urkunden. Der Verfasser sagt in der Einleitung:
Schon im 13. Jahrhundert vereinzelt, bald aber im Be-
ginne des 14. Jahrhunderts regelmäßig und allgemein,
erscheinen die Notariatsurkunden mit dem sogenannten
Notariats-Signete, dem Handzeichen des die Urkunde
ausfertigenden Notars, versehen. Ob die Einführung
dieses Gebrauchs der Signete, bezw. ihrer Verbindung
mit der Eintragung der Unterzeichnungs- und Beglaubig-
ungsformel in den Notariats-Instrumenten, auf eine
gesetzliche Bestimmung sich gründete, läßt sich Mangels
einer solchen nicht erweisen. Wir sind über die An-
fänge des öffentlichen Notariates in Deutschland nicht
allseitig und vollkommen genug unterrichtet; nur aus
den vorhandenen Urkunden läßt sich schließen, daß das
öffentliche Notariat in Deutschland schon im Anfänge
des 14. Jahrhunderts bekanntgeworden ist und daß bei
geistlichen Gerichten bereits im 13. Jahrhundert öffent-
liche Notare fungirten. Es fällt also die Erscheinung
der Notariats-Signete so ziemlich mit dem Auftreten
des Notariates überhaupt zusammen und, da auch die
übrigen formellen Theile der Notariats-Instrumente
schon zu dessen Anfangszeit als etwas Fertiges und be-
reits Feststehendes, allgemein liebliches erscheinen, so
dürften eben am wahrscheinlichsten mit der Institution
des Notariates selbst auch bestimmte allgemeine formelle
Verhältnisse des italienischen Notariates, aus dem sich
ja eigentlich unter der Einwirkung der fremden Rechte,
namentlich des kanonischen und des römischen, das ähn-
liche Institut in Deutschland herausbildete, nach Deutsch-
land sich verpflanzt haben. Fortgesetzte allgemeine Uebung
bestimmter Gebräuche bei Ausfertigung von Notariats-
Urkunden führte dann nachträglich zur Aufstellung und
Annahme gewisser gesetzlichen Bestimmungen, wie für
die Notariats-Signete namentlich gilt, daß alle Notare
ihre Handschrift und ihr Signet beim Kammergericht ein-
reichen mußten, auch nach der Notariats-Ordnung Maxi-
milian's vom Jahre 1512 den Notaren befohlen wird,
thre Signete nicht willkürlich zu ändern.
Es ergibt sich nun bei genauer Betrachtung und
Vergleichung einer größeren Anzahl solcher Notariats-
Signete eine Reihe von Fragen, die immerhin Werth
erscheinen, einer näheren Prüfung unterzogen zu werden,
um das Wesen einer Sache festzustellen, der von vorn-
herein ein gewisser historisch - diplomatischer Werth zu-
kommt, die aber zugleich in der Originalität ihrer Er-
scheinung an sich, sowie auch in ihrer unmittelbaren
Verbindung mit einem Rechtsinstitute von der Wichtig-
keit des Notariates genugsam die Rechtfertigung einer
kritischen Würdigung von selbst bietet. Fassen wir zu-
nächst die äußere Erscheinungsform der Notariats-Sig-
nete in's Auge, so erkennen wir leicht als die beiden
hauptsächlichsten charakteristischen Merkmale: die Origi-
nalität der einzelnen Gestalten und die große Mannig-
faltigkeit der Formen. In ersterer Hinsicht läßt sich im
ganzen Gebiete der Diplomatik nichts nachweisen, das
der Bildung der Notariats-Signete als Muster gedient
hätte, denn die monogrammatischen Unterschriften in
NotariatSsignet aus dem lS. Jahrhundert. (Text neben.)
Kaiser- und Fürstenurkunden, die päpstliche Rota und
das Bene-Valete in Papsturkunden sind doch ihrer
äußeren Bildung wie ihrer Bedeutung nach etwas we-
sentlich Anderes als die Notariats-Signete. Auch die
Kanzler-Unterschriften in den älteren Kaiserurkunden
lassen sich nicht vollgültig als Vorbilder der Notariats-
Signete annehmen. In Hinsicht auf die Mannigfaltig-
keit der Formen aber finden wir einen geradezu uner-
schöpflichen Gestaltungsreichthum, der wohl bisweilen
entfernte Aehnlichkeiten zulätzt, aber trotzdem jedem No-
tariats-Signete seine individuelle Eigenart sichert und
bewahrt.
Das Notariats-Signet stellt sich demnach in seiner
äußeren Form dar als ein vollständig von der freien
Wahl des Notars bestimmtes Zeick'--, das dieser in
Verbindung w't Akte d»- ertigung und Be-
glaubigung der von ihm ausgestellten Urkunden dem
betreffenden Dokumente an einer gewohnheitsmäßigen
Stelle beifügt. Fragen wir aber, was denn eigentlich
in letzter Linie für die Gestaltung dieser Figuren maß-
gebend war, was also den Willensakt des Notars be-
stimmt haben mag, gerade diese eine bestimmte Figur
als sein individuell eigenthümliches Zeichen zu wählen,
so dürfte sich diese Frage wohl nur ganz allgemein da-
hin beantworten lassen, daß gewiß ein durchgreifendes
Bildungsprincip für die Herstellung der Notariats-Sig-
nete überhaupt nicht bestand. Das einzig Maßgebende
bei Konstruirung eines solchen Signetes war vielleicht
das Streben, eine Figur zu gewinnen, die möglichst
wenig Aehnlichkeit mit andern schon bestehenden hatte-,
sonst können ja mancherlei Gründe individueller Art
den Notar bestimmt haben und jedes einzelne Signet
bietet dem Beschauer Stoff zur Betrachtung, der der
Phantasie den freiesten Spielraum gewährt, wie gewiß
auch ein Theil der Schaffung dieser Gestalten der Thä-
tigkeit der Phantasie zufällt.
Der Betrachtung über die äußere Erscheinungsform
schließt sich vielleicht am geeignetsten eine kurze Dar-
stellung der allmählichen Entwickelung dieser originellen
Zeichen an. In dieser Beziehung lassen sich bei ge-
nauer Prüfung der Urkunden drei von einander ver-
schiedene Herstellungsarten, die verschiedenen Zeiträumen
angehören, wohl unterscheiden. In der ganzen Zeit
vom ersten Erscheinen der Signete in den Notariatsur-
kunden bis zum Ausgange des 16. Jahrhunderts sind
dieselben durchweg aus freier Hand mittels Feder und
Tinte auf das Pergament eingezeichnet. Der erste Blick
auf solch ein Zeichen lehrt uns, daß bei dessen Schaffung
kein künstlerisches, nicht einmal ein kalligraphisches Prin-
cip gewaltet habe, zumeist dagegen überzeugen wir uns,
daß es, wenn auch mit einer gewissen Sorgfalt gefertigte,
doch flüchtig hingeworfene Zeichnungen sind, diese Sorg-
falt aber nur darauf gerichtet war, das charakteristische
Gepräge mit Sicherheit darzustellen und die Möglichkeit
von Zweifeln an der Aechtheit zu bannen, keinesfalls
aber auf Erzeugung ästhetischer Befriedigung. Bestärkt
wird die Ansicht, daß wir es hier mit Freihandzeich-
nungen zu thun haben, durch den Vergleich mehrerer
Notariats-Instrumente eines und desselben Notars, die
also alle das gleiche Signet tragen. Bei Nebeneinander-
legung mehrerer Stücke und genauer Abmessung mit
dem Zirkel habe ich keinerlei Signete gefunden, deren
Linien sich vollständig decken und deren Maaße sich voll-
kommen gleich gewesen wären, was doch nothwendig der
Fall sein müßte, wenn dem Zeichner eines Signetes
eine Schablone oder sonst eine Form zur Hand ge-
wesen wäre. Mag ja sein, daß einzelne Linien mit
Hülfe des Lineals gezogen, daß Kreise mittels Auflegung
einer runden Form sicherer und symmetrischer gestaltet
wurden — an einzelnen Signeten läßt sich das mit
Bestimmtheit erkennen, — aber eine vollständige fertige
Form, deren Linien man nur einfach mit der Feder
hätte nachzeichnen müssen, lag für gar keine dieser Figuren
vor. Um aber der Frage, ob der Notar immer die
nöthige Zeit hatte, seine bisweilen ziemlich komplizirten
Signets-Figuren einzuzeichnen, zu begegnen, ist vor allem