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- Versteigerungen und Alterthumskunde. Auflage 5000
Verbürgte
Auflage 5000
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
Nr. 50.
Abonnement:
Deutschland u, Oesterreich uti S.60
vierteljährlich, Ausland s.—
Stuttgart, 8. Dezember 18S7
(Erscheint wöchentlich.)
Anzeigen:
Die Nonpareille,eue ober deren
Raum so Pfg., Auktionen so Pfg.
5. Jahrgang.
Unsere Bnrcaux befinden sich nunmehr in
unserem eigenen Hause, Reinsbirrgstratze 44
in Stuttgart.
Die Redaktion.
Zierliche Sächelchen.
Der Handschuh. Der Sonnenschirm. Der Muff.
Von Hugo Klein.
(Nachdruck verboten.)
-4-
Die Geschichte des Handschuhs ist voll Romantik.
An diese zierlichen Sächelchen aus Seide und geschmei-
digem Leder, in welchen schöne Frauen die kleinen,
weißen Hände verbergen, knüpft die Phantasie der Dichter
so gerne an. Wer denkt nicht an den Handschuh, den
Schiller besang und den die herzlose Schöne in den
Löwenzwinger fallen ließ, damit ihn der verliebte Ritter
von dort hole? Zärtliche und schwärmerische, leiden-
schaftliche und rührende Geschichten umkränzen den
Handschuh. Auch einige grauenhafte und entsetzliche.
Die Chronik dunkler Zeiten erzählt von den vergifteten
Handschuhen, welche Katharina von Medicis für die
unglückliche Johanna d'Albret anfertigen ließ und die
derselben einen schrecklichen Tod bereiteten. Die vor-
nehmen Damen des Abendlandes entfalteten früh einen
großen Luxus in den Handschuhen, die, aus den feinsten
Stoffen verfertigt, mit den kunstreichsten Stickereien
übersät, mit den herrlichsten Spitzenmanchetten umrahmt
wurden. Wie weit ging da die Laune der Frauen, die
sich dessen wohl bewußt waren, wie sehr die Männer-
welt eine zierliche Hand und ihr Abbild, den Handschuh,
zu schätzen pflegte? Und wie weit ging die Schwärmerei
der Männer? Octave Uzanne, der über den Fächer so
reizend plaudert, weiß auch vom Handschuh viel Merk-
würdiges zu erzählen. Unter Anderem veröffentlicht er
einen Brief des Antonio Perez, des Geliebten der
Prinzessin von Eboli, der sich vor der Eifersucht Phi-
lipp's II. nach Frankreich und England flüchtete, wo
er der Held mannigfacher galanter Romane wurde.
In London lag er der Lady Riche, einer Schwester des
Lord Essex — die Sonette Shakespeare's sollen nach
einer Version an diese Dame gerichtet gewesen sein —
zu Füßen. Die Dame beauftragte ihn, ihr Handschuhe
aus Hundsleder zu verschaffen, und der schwärmerische
Kavalier schreibt ihr:
.Ich war so sehr betrübt, Ew. Herrlichkeit die
Handschuhe aus Hundsleder, die Sie gewünscht haben,
nicht sofort beschaffen zu können, daß ich mich entschloß.
Haut meines eigenen Körpers zu opfern. Die Liebe und
die Ergebenheit im Dienste einer Dame können dahin
führen, daß man sich für sie schinden und aus der eigenen
Haut Handschuhe anfertigen läßt. Oder soll ich mir
das bei Ew. Herrlichkeit erlassen, ich, dessen Gewohn-
heit es ist, mir für Diejenigen, die ich liebe, die Seele
zerfleischen zu lassen? Und Wenn man die meinige
sehen könnte, wie meinen Körper, so würde man die
zerfleischteste Seele sehen, die jämmerlichste Sache der
Welt. Die Handschuhe sind aus Hundsleder, schöne
Frau, und sie sind doch von mir, denn ich bin im Dienste
Ew. Herrlichkeit ein Hund, und ich bitte, mich als
solchen zu betrachten, sowohl was meine Treue, als
auch was meinen Eifer in Ihrem Dienste anbelangt."
Solche Blagueurs der Liebe gibt es doch in unse-
ren Tagen nicht mehr.
Rr. St und S6. Pokal der Bäckerzunft in Böblingen. Pokal der
Schneiderzunst in Stuttgart. Museum in Stuttgart, Neckarstraste 8.
(Text Seite SW.)
Wenn man das Buch Uzanne's durchblättert, so
muß man über den Luxus staunen, der in vergangenen
Zeiten mit Handschuhen getrieben wurde und von dem
er berichtet. Es war etwas Gewöhnliches, daß die
„Gigerl" verflossener Epochen für verschiedene Gelegen-
heiten sechsmal am Tage die Handschuhe wechselten.
Wenn man die Geschichte der letzteren überblickt, so
fällt Einem namentlich der Wechsel der Sitten im Ge-
brauche der Handschuhe auf. Während man in unseren
Tagen ohne Handschuhe keinen Besuch machen kann und
wohl als Bauer angesehen würde, wenn man im Tanz-
saale eine Dame ohne Handschuh bei der Hand fassen
wollte, verlangte es in alten Zeiten gerade die vornehme
Sitte, daß man aus Höflichkeit und Achtung die Hand-
schuhe ablegtc. Das geschah stets beim Tanzen und
auch bei anderen bemerkenswerthen Gelegenheiten. Wir
haben schon bei der Geschichte des Fächers gesehen, daß
die La Vallisre genöthigt war, den Handschuh anzu-
ziehen, um Madame den Gegenstand reichen zu können,
den diese fallen gelassen. Das war eine strenge Vor-
schrift der Hofetikette, der sich Niemand entziehen durfte.
Andere Zeiten brachten wieder einen so unmäßigen
Gebrauch des Handschuhs, daß man in ihnen aß und
schlief und das ganz natürlich fand. Aus dieser Zeit
hat sich eine lustige Anekdote vom Dichter Duclos er-
halten, welche wie eine heitere Satire aus diese Mode-
narrheit klingt. Duclos badete also in der Seine, als
er plötzlich jämmerlich Hülferufe vernahm. Er sprang
aus dem Wasser, nahm sich nicht die Zeit, seine Kleider
anzulegen, durchbrach die Gebüsche und sieht eine reizende
junge Dame, welche eben aus dem Wagen gestürzt war.
Er läßt der Verletzten alle nothwendige Hülse zu theil
werden, und da sie sich erholt hat und an seiner Hand
wieder aufrichtet, sagt er: „Verzeihen Sie, meine
Gnädige, daß ich keine Handschuhe anhabe."
Wie der Fächer, so gehört auch der Sonnenschirm
zu den ältesten Utensilien der Menschheit. Es ist kon-
statirt, daß er in China, das als seine Heimath anzu-
sehen ist, bereits 2000 Jahre v. Chr. allgemein in
Gebrauch war. Als seine Erfinderin gilt bei den
Chinesen Thongsu-wen, eine Frau, die Gattin des
Zimmermanns Lupan, die es unternahm, ihren Mann
zu übertrumpfen und ein Dach zu bauen, welches jeder
Mensch mit sich führen könnte. Der Gebrauch des
Schirms im Reich der Mitte ist so verbreitet, daß es
überhaupt schwer fällt, sich einen Chinesen ohne einen
solchen vorzustellen. Welche Kunststücke chinesische Equi-
libristen mit dem Sonnenschirm zu Stande bringen, ist
bekannt. Aber überall im Orient ist der Schirm un-
zertrennlich vom Menschen. Der goldene Sonnenschirm
gilt als Zeichen der Herrschaft, so zwar, daß man im
Jahre 1877, als der Prinz von Wales seine Reise in
Indien machte, wie W. H. Ruffel erzählt, gezwungen
war, ihn auf einen Elephanten zu setzen und einen
goldenen Sonnenschirm über ihn zu halten, um ihn den
Eingeborenen kenntlich zu machen. Auch in Griechen-
land war er früh in Gebrauch. Herkules soll, wenn
man Ovid glauben will, über Omphale den Sonnen-
schirm gehalten haben, um sie vor den heißen Strahlen
des himmlischen Gestirns zu schützen, und Aristophanes
gebraucht ihn in seinen Komödien zu frivKen Scherzen.
Der Regenschirm ist dagegen eine Erfindung des Abend-
landes, und zwar eines Engländers, des Sir Jonas
Hanway, welcher im Jahre 1750 zum ersten Mal auf
der Straße mit einem Regenschirm erschien. Aber wie
alle Erfinder, fand er für seine Neuerung Anfangs nur
Undank. Man machte nicht bloß Spottlieder auf ihn
und verhöhnte ihn in Karikaturen, sondern die Menge
beschimpfte ihn auch auf der Straße, bewarf ihn mit
faulen Eiern, sogar mit Steinen. Aber nach zwanzig
Jahren war der Gebrauch des Regenschirms in Eng-