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Antiquitäten-Zeitung — 5.1897

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Nr. 22 (26. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61937#0173
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Verbürgte
Auflage 5000

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.

Auflaa7^
Versteigerungen und Alterthnmskunde.

Nr. 22.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.S0
vierteljährlich, Ausland s.—

Stuttgart, 2«. Mai 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)

AuKeifferr:
Die Nonpareillezerle oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen SO Pfg.

5. Jahrgang.


Von der Numismatischen Ge-
sellschaft in Berlin.

-(Münzen und Medaillen Wilhelm's I. — Nachahmungen im Mittel-
alter. — Bismarck-Medaillen. — Mittelalterliche Goldmünzen. —
Feld-, Noth- und Belagerungsmünzen. — Fischhaken-Münzen. —
In Oppeln geprägte Polen. — Litteratur. —)
Die Sitzung vom 5. April war zum überwiegenden
Theile dem Andenken Kaiser Wilhelm's des Großen
geweiht: im Anschluß an die allgemeine Hundertjahr-
feier galt sie der numismatischen Hinterlassenschaft seiner
Regierung, die durch die einheitliche Regelung des
deutschen Münzwesens auch auf diesem Gebiete von un-
vergänglicher Bedeutung ist. Die Herren Regierungs-
rath von Kühlewein und von der Heyden hatten sich in
die Arbeit getheilt und legten aus ihren Sammlungen
stattliche Folgen der Münzen und Medaillen des hoch-
seligen Herrn vor. Da war zunächst die vollständige
Reihe aller seiner Doppelthaler und Thaler in stempel-
glänzenden Exemplaren, darunter jenes Kuriosum, der
sog. Dinerthaler, ein gewöhnlicher Thaler, der die Brust-
bilder des Kronprinzen und des Prinzen Friedrich Karl
auf der Rückseite aufgelöthet trägt und nach der Ueber-
lieserung von beiden Prinzen an die Theilnehmer eines
Festmahls verschenkt worden sein soll. Ferner ebenso
vollständig die Reihe der 'Fünfmarkstücke, die letzten
Goldmünzen nach der Vereinswährung und die ersten
nach der Reichswährung u. s. w. Besonders reichhaltig
war die Folge der vorgelegten Medaillen. Sie beginnt
mit einem 1817 zum Andenken an den Besuch des Prin-
zen in der Petersburger Münze ausgegebenen Stück mit
den Bildnissen seiner Eltern, dann folgt die Gedächtniß-
münze für seinen Besuch der Düsseldorfer Münzstätte
aus dem Jahre 1819 in Gestalt des alten, im Ringe
geprägten Viergroschenstückes mit dem Bilde König
Friedrich Wilhelm's III. auf der Haupt- und mit der
Inschrift auf der Rückseite: D. IV. D. (Friede. Wilh.
Ludw.) IVillllommsu s -Illsuror i LöniKS-8olln 1 an cior
! Dassel s 1819, sodann eine Medaille von 1829 zur
Erinnerung an seine Vermählung; auch zur Feier der
silbernen und goldenen Hochzeit sind Schaustücke erschie-
nen. Der Theilnahme des Prinzen an den Bestrebungen
der Freimaurer gelten zwei Stücke von 1840 und 1849;
aus letzterem Jahre stammt auch eine Medaille zur Er-
innerung an die Niederwerfung des badischen Aufstandes.
Die Krönungsmedaille von 1861 wiederholt diejenige
von 1840. Einzelheiten ihrer Zeichnung beruhen, wie
die Akten ergeben, auf eigenen Entwürfen des Königs.
Von 1866 sind nur wenige Medaillen vorhanden, unter
ihnen das schönste von allen Geprägen dieses Herrn,
das auf der Rückseite eine nach einem römischen Denar

gearbeitete Siegesgöttin zeigt. Sehr reich sind die Reihen
von 1870 , darunter besonders merkwürdig jene franzö-
sischen Spottmedaillen und das große osfizielle Schau-
stück mit dem Siemering'schen Fries an der Siegessäule,
das sich leider durch ein wenig gelungenes Bildniß un-
vortheilhaft auszeichnet. Ein sehr sauber ausgeführtes
Medaillon des Kölner Dombanvereins von 1867 findet
sein Gegenstück in der Medaille auf den Besuch des
Kaisers in Straßburg 1877, einer der schönsten der ganzen
Reihe. Schier unübersehbar sind die aus Anlaß des
Todes des Kaisers und der Hundertjahrfeier, meist von
privaten Unternehmern ausgegeben und für den Handel


Nr. 8. Becherchen, Goldschmiede-Arbeit des 16. Jahrhunderts.
Museum in Stuttgart, Neckarstr. 8. (Text Seite 172.)

bestimmten Stücke, größtentheils Fabrikwaare von ge-
ringem Kunstwerth oder ganz ohne solchen, doch in
ihrer Fülle des kulturgeschichtlichen Interesses nicht ent-
behrend; hervorzuheben sind darunter drei anmuthige
Plaketten aus der Lauer'schen Fabrik, mit den Bildern
des Kaisers und seiner getreuen Helden Bismarck und
Moltke. Es ist zu bedauern, daß die Regierung des ersten
deutschen Kaisers nicht eine würdige Verewigung in Me-
daillen gefunden hat: auch die meisten offiziellen Stücke sind
steif und reizlos, nur einige Arbeiten von Kullrich machen
einen gefälligen Eindruck. In Oesterreich, Frankreich
und England blüht die Kunst des Stempelschneiders,

und namentlich in den beiden erstgenannten Ländern
sieht man jetzt hervorragende Leistungen: bei uns ist
man nicht einmal in der Lage gewesen, die offizielle
Medaille zur Hundertjahrfeier in der Münzstätte Preußens
anzufertigen, sondern hat ihre Herstellung privater In-
dustrie überlassen. Man hat sich damit nicht nur Ge-
winn und Ehre, die hier zu erzielen gewesen wären,
entgehen lassen, sondern auch eine Gelegenheit, wie sie
sich selten bietet, versäumt, die einheimischen Künstler
durch einen amtlichen Auftrag zu fördern.
Herr Landgerichtsrath Dannenberg hielt sodann
einen Vortrag über die Münznachahmungen im Mittel-
alter. Oft lag dabei eine gewinnsüchtige Absicht zu
Grunde: kleine Herren suchten durch engen Anschluß an
die Gepräge mächtiger Fürsten den geringwerthigen Er-
zeugnissen ihrer Münzstätten Umlauf zu verschaffen.
Solche Falschmünzerei wurde schon im Mittelalter, na-
mentlich aber im 16. und 17. Jahrhundert, und zwar
vorzugsweise in der Maasgegend und in Oberitalien
schwunghaft betrieben, trotzdem die Gesetzgebung und die
kaiserliche Regierung dagegen einschritten: z. B. kam der
Fürst Syrus von Correggio aus diesem Grunde nm
Land und Leute. Zu anderen Nachahmungen drängten
die Bedürfnisse des Verkehrs: so sind die englischen
Sterlinge, die floreutiner Goldmünzen, die böhmischen
und französischen Groschen, die venetianischen Matapane
u. A. mit Rücksicht auf ihre Beliebtheit im Handel viel-
fach, freilich auch öfters in unlauterer Absicht nachge-
prägt worden. Eine dritte Klasse endlich dankt ihre Ent-
stehung dem Wohlgefallen, das man an fremden, oft
viele Jahrhunderte älteren Geprägen fand. So setzten
z. B. mohammedanische Fürsten des 12. und 13. Jahr-
hunderts die Köpfe syrischer Könige und römischer Kaiser
auf ihre Münzen, während in Deutschland unter den
sächsischen und fränkischen Kaisern u. A. Denare Ethel-
red's von England, byzantinische Goldmünzen und selbst
eine spanisch-arabische Münze als Muster benutzt wurden.
Die bemerkenswerthesten Fälle dieser Art aber sind die
genaue Nachahmung der Bildseite einer Kupfermünze
der heiligen Kaiserin Helena auf einem Wormser Pfen-
nig und der gleichzeitigen Stücke mit VILIVS DXDL-
0IIV8 auf Oesterreichern aus dem Anfang des 12.
Jahrhunderts. Es ist glaublich, daß beiden Darstellungen
zugleich eine religiöse Bedeutung zukommt, wie solche
sehr vielen Münzbildern innewohnt. Bei der Kreuz-
finderin Helena liegt diese Bedeutung auf der Hand,
und bei dem Tropaeum zwischen den beiden Gefangenen
kann man vielleicht an den Sieg des Christenthums
denken. Von diesem Gesichtspunkte aus läßt sich auch
der in der Sitzung vom 2. März 1896 vorgelegte öster-
reichische Pfennig betrachten, der auf das Genaueste
das Gepräge der noch jetzt so häufigen tarentiner Di-
drachmen , Teras, auf einem Delphin reitend, wieder-
holt. Besser als auf den heiligen Martinian, der nach
der Legende gleich Arion von einem Delphin an's Land
getragen wurde, dürfte sich das Bild auf den bekanntlich
oft unter dem Bilde eines Fisches dargestellten Erlöser
beziehen lassen, der den sündigen Menschen in die Se-
ligkeit hinüberrettet. Hat doch auch sonst das christliche
Mittefalter vielfach antike Vorstellungen und Personen
 
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