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Antiquitäten-Zeitung — 5.1897

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Nr. 20 (12. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61937#0157
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Verbürgte
Auflage 5000.

Zentral-OrganfürSammelwesen,
Versteigerungen «nd Mterthnmskunde.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewahrter Fachleute von Udo Beckert m Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.

Nr. 20.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich S.S0
vierteljährlich, Ausland S.—

Stuttgart, IS. Mai 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareille,eile oder deren
Raum SO Psg., Auktionen so Psg.

5. Jahrgang.

H Die Wiflenschasten find Gemeingut, weil das Denken
U Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens
A schöpft. (W. Wundt.)
Belzoni s Ausgrabungen in
Aegypten.
(Mit t Abbildung.)

Belzoni, so lesen wir in einem Buche von 1819,
ist kein schriftgelehrter Alterthumsforscher, aber ein ge-
borener Mechaniker, ein scharfer Beobachter, von einer
Urtheilskraft, die an Divinationsgabe grenzt, ein leiden-
schaftlicher Forscher, wo es etwas zu entdecken gibt, und
zu diesem Zweck mit unglaublicher Beharrlichkeit aus-
gerüstet. Der englische Konsul in Kairo, Salt, der zwei-
mal die Reise nach Abefsynien gemacht hat, unterstützt
ihn mit der Kenntniß, die er von Aegypten erlangt hat
und mit dem ganzen Gewicht seines Einflusses bei der
dortigen Regierung, desgleichen mit dem erforderlichen
Gelde.
Dadurch, daß er so lange unter den Ruinen von
Theben umhergewandert war und vorzüglich darnach ge-
strebt hatte, Grabstätten der alten Aegypter aufzuspüren,
hatte er äußere Merkmale aufgefaßt, die ihn bei Be-
richtigung einer Gegend fast unfehlbar errathen ließen,
wo dergleichen verborgen sein möchten. Diese Merk-
male leiteten ihn denn auf den Weg, auf welchem er
in den Bergen, die das Thal „Biban el Moluck" (die
Gräber oder vielmehr die Pforten der Könige) umschließen,
an einer Stelle, wo jeder andere Reisende durchaus nichts
vom Innern geahnet hätte, sechs solcher altägyptischer
Felsengräber entdeckte, die von der unterirdischen Pracht
der früheren Landesbewohner ein glänzenderes Bild
aufstellen, als wir bisher irgendwo vermuthet hätten.
Nachdem ich, meldet Belzoni, den Eingang geöffnet hatte,
fand ich einen in den Felsen gehauenen 309 Fuß langen
Gang, der zu vielen ebenfalls in den Felsen gehauenen
-Gemächern führte. Der Felsen ist schneeweiß und die
Wände der Gemächer sind mit Hieroglyphen und mit
wohlgezeichneten Figuren in Fresco-Malerei geziert, deren
Farben so unverloschen, als wären sie eben erst mit dem
Pinsel aufgetragen, und so glühend waren, daß unsere
heutigen besten Wasserfarben dadurch beschämt werden
und daß man sie dem Colorit der venetianischen Schule
unbedenklich zur Seite stellen könnte. — In dem statt-
lichsten dieser Gemächer fand ich ein Meisterstück von
zarter und zierlicher Bildhauer-Arbeit, nämlich einen
neun Fuß fünf Zoll langen, drei Fuß neun Zoll breiten
und zwei Fuß und einen Zoll hohen alabasternen Sar-
kophag, so durchsichtig als Glas undhe lltönend wie eine
Glocke, innerhalb und außerhalb mit Hieroglyphen und
eingeschnittenen Figuren verziert, ganz durchaus wohl
erhalten. Dietz muß (sagt Belzoni) das Grabmal des
Apis sein, auch habe ich in dem innersten dieser Gemächer
einen mit Asphalt einbalsamirten Stier gefunden. Von

jenem wundervollen Ueberbleibstl altügyptischer Kunst
(dem Sarkophag) bin ich dermaßen bezaubert, daß ich,
es koste was es wolle, denselben nach England trans-
portiren lassen will; ich will deßhalb den Nil zum dritten
Mal herauffahren, jedoch vor der Einschiffung dieses
kostbaren Monuments dasselbe an Ort und Stelle, mit
allen seinen Verzierungen von Bildhauerei, an Figuren,
Basreliefs, Malerei und Hieroglyphen, mit genauester
Beobachtung der Maaße, in Wachs bossiren, damit, wenn
es auf dem Transport beschädigt werden oder gar ver-
loren gehen sollte, doch ein zuverläßiges anschauliches
Bild davon auf die Nachwelt komme.
Ueber das Gelingen seines Unternehmens: „in's In-
nere der zweiten Pyramide einzudringen," sagt Belzoni

/.««st orLukifiou
Eine Pyramide in den verschiedenen Stadien ihrer Erbauung.
(Text neben.)


in seinem darüber nach London gesandten Bericht im
Wesentlichen Folgendes:
„Auf das Zeugniß Herodot's hatte man bisher ge-
glaubt, daß die zweite der ägyptischen großen Pyra-
miden nicht so wie die erste, in ihrem Innern Grab-
stätten enthalte, und deßhalb hatte sich von den vielen
neueren Reisenden, welche das Aeußere derselben ange-
staunt » Keiner die für fruchtlos geachtete Mühe geben
wollen, sich zu ihrem Innern einen Zugang zu bahnen.
Ich war anderer Meinung, und reiste am 5. Februar
dieses Jahres (1818) in der Stille, unter dem Vor-
geben, daß ich in einem benachbarten Dorfe einige dort
vorhandene Ruinen untersuchen wolle, aus Kairo ab.
Als ich bei meiner Ankunft in Ghize den Koloß, den

ich zu durchsuchen gedachte, genauer in's Auge faßte,
glaubte ich, nach Analogie dessen, was ich bei den alten
Grabstätten in Theben ausgefpürt hatte, überzeugt zu
sein, daß ich mein Werk an der nördlichen Seite der
Pyramide würde beginnen müssen. Mit dieser Ueberzeug-
ung ging ich spornstreichs nach Kairo zurück und hielt
bei dem Kiaga-Bey um Erlaubniß an: „im Innern der
Pyramide nach alten Kunnstwerken suchen zu dürfen."
Gegen die Sache selbst habe ich nichts, gab er mir zur
Antwort, doch muß ich zuvor wissen, ob du bei deiner
Arbeit nicht urbares Land verwüsten wirst? Unmittelbar
um die Pyramiden, war meine Antwort, liegt der Boden
weit umher voll Schutt und Steinest, und man hat
eine große Strecke zu gehen, ehe man an Ackerfeld
kommt. Mit dieser Aussage wollte sich aber der Kiaga-
Bey nicht begnügen, sondern erwiderte: ich werde mir
von dem Kascheff (Vorgesetzten) des Distrikts darüber
Bericht äbstatten lassen. Erst als dieser meine Angabe
durchaus bestätigte, erhielt ich die nachgesuchle Erlaubniß.
Am 10. Februar machte ich mich nun an die Arbeit,
und zwar mit nicht weniger als sechzig Arbeitern, die ich
auf Taglohn dazu angenommen hatte. Die Leute hatten
acht volle Tage zu ihun, um sich nur durch die Trümmer,
(welche von der äußern Bekleidung der Pyramide vom
Gipfel herabgerollt waren und um die Außenseite der
Basis gleichsam einen Wall formirt hatten) hindurch zu
arbeiten, und diese Trümmer waren, wegen des dazu
angewendeten Cements, so hart, daß viele eiserne Hacken
und Stangen dabei unbrauchbar wurden. Nachdem wir
unsere Bahn, aus eine Breite von 15 Fuß bis an die
Wand der Pyramide selbst fortgeführt halten, machte
einer von den arabischen Taglöhnern (es war am 17.
Februar) ein gewaltiges Geschrei: „ich hab' es gefunden,
ich hab' es gefunden, der Eingang ist hier." Was er
gefunden hatte, war eine Oeffnung in der Pyramide,
gerade so groß, daß er den Arm hineinstecken konnte,
und so tief, daß mit einem sechs Fuß langen Wurfspieß
das Ende nicht zu erreichen war. Gegen Abend des-
selben Tages entdeckten wir jedoch in der Nachbarschaft
dieser kleinen, eine etwas größere, ungefähr drei Quad-
ratfuß große Oeffnung, die mit einem rechtwinklicht be-
hauenen Stein wiederum, jedoch nicht eben sehr genau,
geschlossen worden war. Diesen eingesetzten Stein ließ
ich losarbeiten, und fand nun, daß die Oeffnung inner-
halb weiter ward, aber mit einzelnen Steinen und Sand
angefüllt war. Beweis genug, daß in früheren Zeiten
hier schon mochte versucht worden sein, einen Weg in's
Innere zu finden, den man aber, weil er zu nichts ge-
führt, wiederum zugeschüttet hatte. Am nächsten Tage
(den 18.) stießen die Arbeiter, fünfzehn Fuß weit im
Innern, auf eine Stelle, an welcher Sand und Steine
von oben her auf uns herabfielen. Diesen Schutt ließ
ich nun wegräumen, es fiel aber dessen immer noch mehr
herab, und nach Verlauf von zwei Tagen angestrengter
Arbeit fand sich's, daß auch dieser Kanal ein in früherer
Zeit mißlungener und deßhalb wieder eingestellter Ver-
such gewesen sein mußte, den rechten Zugang zum In-
nern der Pyramide aufzustnden.
Unterhalb dieses verfehlten Einganges gerieth ich
indeß an eine Aushöhlung, die in horizontaler Richtung
 
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