Verbürgte
Auflage 5000.
Zentral-OrganfürSamrneLwesen, ... '
Versteigerungen «nd Alterthumskunde. I 5000
Herausgegeben unter Äiitwtrkung bewahrter Fachteule von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Vertagsbuchhandtung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
Nr. 31.
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Deutschland u. Oesterreich 2.S0
vierteljährlich, Ausland s.—
Stuttgart, 28. Juli 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)
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5. Jahrgang.
I Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denkens
Ä Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des 'Wissens !»?
H schöpft. (W. Wundt.) U
Römerfunde in Baden-Baden
bei der Kanalisation
1896—97.
Man schreibt uns aus Baden-Baden: Als die Ka-
nalisation in hiesiger Stadt in Angriff genommen wurde,
erwarteten die Kunst- und Alterthumsfreunde eine reiche
Ausbeute an Objekten, welche uns neue Einblicke in
das Leben und Schaffen, in die hochentwickelte Kultur
des römischen Volkes gewähren sollte, das Jahrhunderte
hindurch das liebliche Oosthal zu seiner Wohnstätte sich
erobert hatte. Und erfreulicherweise hat man sich in
dieser Erwartung nicht getäuscht. Die Ausbeute darf
als eine ebenso interessante als mannigfaltige bezeichnet
werden.
Da stieß man zunächst in der Gernsbacherstraße auf
einen aus vorzüglichem Material ausgeführten Kanal,
welcher zur Römerzeit wohl gewerblichen Zwecken diente,
der den vom Merkur kommenden Rothenbach aufnahm,
weiter über den Sonnenplatz führte und schon vor mehre-
ren Jahren in den Kellern der Herren Stanislaus Kah
und Edmund Eisinger offengelegt wurde. Der Kanal
liegt 2,40 m unter dem Sonnenplatze, hat im Lichte ge-
messen eine Breite von 1,90 w und eine Höhe von 1,05
rn. Die Sohle besteht aus Sandsteinplatten, die unge-
fähr 2,70 bis 2,80 m lang , 1 m hoch und 0,20 m dick
sind, Während die Seitentheile aus Platten von 0,40 bis
0,65 m Höhe und 1 bis 2 w Länge bestehen. Ueber-
reste von Schleußen, Fundamentmauerwerk kleiner Ge-
bäude, Gerbergruben, Gebälk re., (beim Einsteigschacht
am Petersburger Hof) in einer Tiefe von 3 m und
zahlreiche Funde von römischen Gefäßstücken aus Terra
siKÜIata und Schwarzerde, Münzen rc. deuten auf ein
ehemals reges gewerbliches Leben längs dieses Wasser-
laufes hin. Ein interessantes Fundstück ist ein mit
Bruchstücken von Inschriften versehener Stein: 1 w lang,
0,80 w hoch, mit einem Delphinrelief und sonstigen Zeich-
nungen, der beim Bitterich'schen Hause, Stephanienstraße,
gefunden wurde und wahrscheinlich über dem Eingang
eines Thores am Rettig eingesetzt war, worüber die
Gelehrten zur Zeit noch Studien machen.
Ein anderer, höchst interessanter werthvoller Fund
wurde von Hotelbesitzer Höllischer zur Stadt Straß-
burg bei den Grabarbeiten zur Erstelluug des Speise-
saales gemacht und dem Museum geschenkt: eine Karya-
tide, deren Blätterkapitäl, eine geöffnete Lotosblume,
an den ägyptischen Baustyl erinnert. Bei der Kanali-
sation des Landesbades wurde ebenfalls ein architek-
tonisches Stück, eine Zwergsäule mit reichem Kapitäl
gefunden. Eine andere Zwergsäule, theilweise mit Sin-
ker überdeckt, wurde beim Paul Wagner'schen Hause zu
Tage gefördert. Ansehnliche Betonstücke, welche da und
dort gefunden wurden, sowie vorzüglich erhaltene Thon-
röhren mit reicher Sinterablagerung, durch welch' letztere
man das Thermalwasser leitete und die dem städtischen
Museum in ansehnlicher Zahl einverleibt werden konnten,
sind neue, unwiderlegbare Beweise, daß die Römer von
unsern heißen Quellen einen ausgiebigen Gebrauch
machten.
Mit besonderem Interesse wird nicht nur der Alter-
Nr. 17. Nautilusbecher. Nürnberger Arbeit des 17. Jahrhunderts.
Museum in Stuttgart, Neckarstraße S. (Text Seite 244.)
thumsforscher, sondern auch der kunstliebende Laie die
prächtigen und zum Theile wohlerhaltenen Töpfer- und
Thonwaaren betrachten, die besonders in der Gernsbacher
und Langestraße gefunden wurden. Das verwendete
Material ist entweder Terra oiZiUata oder Schwarzerde.
Aus Letzterer sind nur wenige Gegenstände vorhanden,
um so zahlreicher sind die Gefäße und Ueberreste der
Terra siZillata mit ihrem warmen Gelbroth. Wenn man
auch berechtigt ist, anzunehmen, daß das Kunstgewerbe
in der Provinz die Höhe der Vollkommenheit nicht er-
reichte, wie in der Hauptstadt selbst, wo der Wettkampf
die fortwährende Triebfeder zur stetigen Vervollkomm-
nung bildeten, so wird man gleichwohl erstaunt sein
über die hier aufgefundenen Gegenstände der Töpferei,
sowohl über die gefällige Form, die durch den Zweck
bestimmt ist, als die reichen und stilvollen Verzierungen,
Amoretten, Jagdstücke, stilisirten Blattgebilde re., die
eine weit vorgeschrittene Kultur erkennen lassen. Freilich
sieht man manches Krüglein, manch' schöne Tasse nur in
den Scherben vor sich liegen, aber Verschiedenes ist auch
gut, zum Theil fast vollständig erhalten. Von den
großen Sammel- und Vorrathsgefäßen sind leider nur
noch die Henkel vorhanden. Was aber für den Kunst-
kenner und den Mann der Wissenschaft von besonderem
Werthe ist, das ist dies, daß die meisten Funde der
Töpferei mit amtlichen Stempeln versehen sind, wodurch
mit der größten Wahrscheinlichkeit auf die Zeit ihrer
Anfertigung geschlossen werden kann. Nebst den Töpfer-
waaren sind auch eine Anzahl Dachbedeckungen, Ziegel,
vertreten, wobei der Falzziegel, wie er in neuester Zeit
bei uns geformt wird, am häufigsten vorhanden ist. Ein
besonders werthvolles Stück ist ein Stirnziegel mit dem
Bildnisse des Sonnengottes, das von zwei Pferden
flankirt wird.
Unter dem Hauszierrath finden sich auch Glaswaaren-
reste, darunter ein reizendes Fläschchen, und Bronce-
gegenstände in zierlicher Form, die wahrscheinlich auf
dem Toilettentisch, als Beschläg dec Möbel, oder beim
Kultus Verwendung fanden. Davon seien hier aufge-
zählt eine Anzahl Heftnadeln, Fibeln, die eine auffallende
Aehnlichkeit mit unseren Sicherheitsnadeln haben, ein
Löffelchen, ein Griffel zum Schreiben auf Wachstafeln,
eine Sphinx (4—5 em lang und ebenso hoch, sehr gut
erhalten), deren messingener Hängering darauf hindeutet,
daß sie wahrscheinlich in späterer Zeit eine praktische
Verwendung im modernen Hause gefunden hat. Von
Eisenwaaren sind verschiedene Hufeisen gefunden worden,
die auffallenderweise vom Rost nur wenig angegriffen
sind. Besonders reich und zum Theil auch sehr werth-
voll sind die Funde an Münzen. Unter diesen zeichnen
sich durch bedeutenden Werth und feines, deutliches Ge-
präge zwei Goldstücke aus; dieselben haben einen Durch-
messer von 18 mm.
Die Eine derselben zeigt auf der Hauptseite (Avers)
den Kaiserkopf mit Lorbeerkranz, auf der Kehrseite
(Revers) folgende Inschrift: Imp. Oäo Domitian. H..
6erw. ?. N. 1. ?. VI. — Imperator 6äsar, Domi-
tiauus, ^.uAuotus, Oermauieuo, Toutitex maximus trib.
xotsstats —, die andere Kaiserkopf mit Strahlenkrone,
Inschrift: Asro, Oäs. L.u§. Von den Broncemünzen
seien ihrer Größe und des besonders scharfen Gepräges
wegen erwähnt: Eine prächtig erhaltene Domitiau,
(Durchmesser 36 mm) eine Antonius (in vorzüglicher
Ausführung), eine Imp. Oäo. dlerva Traf. re. Die einzelnen
Fundstellen, so weit sie nicht schon oben bezeichnet sind,
waren Haus A. A. Klein, Hoffmann z. Drei König,
Hamilton'sches Anwesen, Blechner Rößler, Küferstraße,
Fromherz. Zum Schlüsse erübrigt uns noch, all' den
Herren, welche durch ihre freundliche Mitwirkung unser
Streben, das städt. Museum zu bereichern, in uneige-
nützigster Weise unterstützt haben, unseren aufrichtigsten