Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
Verbürgte
, Auflage 5000.
« u n Aentral-OrganfürSammelwesen
oooo. Versteigerungen und Alterthnmskunde.
Nr. 44.
Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—
Stuttgart, 27. Oktober L8S7
(Erscheint wöchentlich.)
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Di« Nonpareille,eile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen so Pfg.
5. Jahrgang.
Das Museum von Bulak.
Von Professor Heinrich Brugsch-Pascha.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
Das Gerücht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet,
Mariette habe in der Wüste einen großen goldenen
Schatz gefunden, und ein altes Verbot Muhammed-
Ali's wurde in Erinnerung gebracht, wonach Ausgrab-
ungen im Lande nur auf Grund eines viceköniglichen
Firmans gestattet seien. Einen solchen besaß Mariette
allerdings nicht, und der französische Konsul bemühte
sich vergeblich darum, denn der Vicekönig Abbas war
wohl ein Freund der Engländer, aber kein Freund der
Franzosen. Die unglaublichsten Hindernisse und Schwie-
rigkeiten wurden Mariette in den Weg gelegt, um seine
unterirdischen Arbeiten lahm zu legen und die nächtlichen
Transporte der Kisten mit ihrem Denkmälerinhalt nach
Alexandrien zu verhindern, allein mit tausend Listen
wußte Mariette die Behörden und Aufpasser zu täuschen
oder die Mehrzahl derselben sich geneigt zu machen,
so daß schließlich 7000 werthvolle Monumente des Se-
rapeums unbehelligt ihren Weg nach Frankreich finden
konnten.
Der Ruhm des Mannes war mit einem Schlage be-
gründet und seinen Verdiensten um die Wissenschaft und
sein Vaterland die gerechte Anerkennung zu Theil ge-
worden. Aber seine Rückkehr nach der Heimath und
sein persönliches Erscheinen trug nichts dazu bei, ihm
eine gesicherte Lebensstellung zu verschaffen, so daß er
nach einjährigem Aufenthalte in Paris es vorzog, von
Neuem die Wanderung nach Aegypten anzutreten. Der
Tod Abbas-Pascha's, die Erhebung seines Nachfolgers
Said-Pascha auf den vizeköniglichen Thron Aegyptens
und die Freundschaft des Herrn F. de Lesseps hatten
die Verhältnisse dort für ihn günstig gestaltet; er trat
in den Dienst Said's und erhielt die nöthigen Mittel,
um ein provisorisches Museum zu gründen und im ganzen
Lande Ausgrabungen anzustellen, die das „Haus der
Antikas" mit den erforderlichen Denkmälern ausstatten
sollten.
Es war im Jahre 1857, als Mariette, mit den nö-
thigen Vollmachten versehen, sich den leeren Kohlen-
schuppen von Bulak zur vorläufigen Herberge der Denk-
mäler übergeben ließ. Die Eisenbahn von Alexandrien
nach Kairo war inzwischen angelegt worden, die Dampf-
schiffverbindung zwischen beiden Städten aufgehoben
und der Kohlenschuppen nebst dem anstoßenden Terrain
ein freies Besitzthum geworden. Seine Lage am Nil
hatte außerdem ihre besonderen Vorzüge, denn die Denk-
mäler konnten leicht ausgeladen und sofort an den Ort
ihrer Bestimmung gebracht werden. Der Kohlenschuppen
wurde in ein altägyptiscbes architektonisches Kleid ge-
hüllt, die vorhandenen Räume gestaltete Mariette so
gut es anging zu Sälen um, je nach den vorhandenen
(Geldmitteln ließ er neue Anbauten hinzufügen und einen
Vorgarten anlegen, in welchem zugleich die größeren
Monumente aus Granit ihren Standplatz fanden. Sämmt-
liche Entwürfe und Zeichnungen dazu gingen aus seiner
Hand hervor, und die Denkmäler aus dem oberen und
unteren Lande fingen an, ihren Einzug in die neuge-
schaffenen buntbemalten Räume zu halten. Die älteste
Nr. 27. Nürnberger Herzbecher und Humpen.
Museum in Stuttgart, Neckarstraße s. (Text Seite SIS.)
Grundlage bildete eine Sammlung ägyptischer Antiken,
die der damalige österreichische Generalkonsul Huber in
Kairo erworben hatte und die durch Ankauf in den Be-
sitz des Vizekönigs Said-Pascha übergegangen waren.
Alles Spätere rührt aus den Mariette'schen Nachgrab-
ungen her.
Nach dem Tode des obengenannten Regenten be-
stätigte sein Nachfolger Ismael-Pascha Mariette in seiner
Stellung und versprach, dem Museum die erforderlichen
Mittel zur Erweiterung der Sammlungen zu gewähren.
Bei der Eröffnung des Kanals von Suez feierte das
Museum die Glanzepoche seines Daseins. Die einge-
ladenen Gäste des Ehediws, an ihrer Spitze gekrönte
Häupter und Fürsten, strömten täglich in ganzen Schaaren
durch die Pforte des Museums, und der Generaldirektor
Mariette erntete das ungetheilteste Lob für seine neue
Schöpfung. Unter den 35,000 Gegenständen, die bereits
damals in den verschiedenen Räumen des Museums auf-
gestellt und in dem französisch abgefaßten Kataloge
näher beschrieben waren, befanden sich Kapitalstücke, wie
sie keine europäische Sammlung aufzuweisen im Stande
war. Die historisch merkwürdigen Hyksosstatuen und
Sphinxe, die stattliche Zahl der Bildsäulen aus den ge-
öffneten Gräbern des alten Reiches, an ihrer Spitze die
berühmte Holzfigur des sogenannten Schech el-Belleds
oder Dorfschulzen, die goldenen Schmuckgegenstände einer
Königin aus dem achtzehnten Jahrhundert vor unserer
Zeitrechnung, die Statue des Pyramidenkönigs Cheph-
ren und die Granitbilder der mächtigsten Pharaonen des
neuen Reiches, deren Mumien in leibhaftiger Gestalt
heutzutage in demselben Museum ruhen, waren that-
sächlich geeignet, die Aufmerksamkeit selbst des Laien
für längere Zeit zu fesseln und das Gedächtniß an sie
in der Erinnerung zu bewahren.
Als das Lärmen der Suezfeier verstummt war Und
die hochbefriedigten Ehrengäste ihren Auszug aus dem
gelohten Lande Aegypten gehalten hatten, als bald da-
rauf Ismael-Pascha damit umging, den ganzen nord-
westlichen Sudan bis zum Aequator hin zu erobern und
eins der umfangreichsten Reiche zu stiften, als seine
Krieger den Seeweg nach Abessinien antraten, um dem
Reiche des Negus ein jähes Ende zu bereiten, als die
Anleihen bis zur schwindeln«! Höhe von zwei Milliarden
emporstiegen und die fettesten Geldratten das Schiff im
Stich ließen, da hatten das Museum und die Antika alle
Bedeutung und Anziehungskraft verloren, und Mariette
trat in den schweren Kampf ein, nur um das Gewon-
nene zu behaupten und zu erhalten. Bereits hatte er
die Pläne, die für die Errichtung eines würdigen Mu-
seumsgebäudes auf der linken Seite des Flusses, in der
Nähe der großen Brücke von Kas-ren-Nil, dienen sollten,
mit aller Sorgfalt entworfen und ausgearbeitet, bereits
waren die Grundsteinmauern an Ort und Stelle aufge-
sührt worden, als plötzlich das Werk unterbrochen und
die weitere Ausführung vertagt wurde. Die Zeiten
waren schlecht und das Geld selten geworden. Häus-
liches Ungemach und eine unheilbare Krankheit hatten
außerdem das Ihrige dazu beigetragen, die Gesundheit
des starken rüstigen Mannes zu untergraben, und er
siechte langsam dahin, ohne auch nur die leiseste Hoff-
nung auf eine Besserung nähren zu können. Nach sei-
nem letzten Aufenthalte in Frankreich, von dessen Heil-
quellen er vergeblich eine Linderung seiner Leiden er-
wartete, kehrte er, ein moralisch wie körperlich gebrochener
Mann, gegen Ende des Jahres 1879 nach seinem Mu-
seum in Bulak zurück. Während seiner Abwesenheit
hatte er es den wenigen Arbeitern, die im Dorfe Sok-
kara ansäßig waren, überlassen, die in der nahen Wüste
aufgeführten Pyramiden zu öffnen. Die Ausgrabungen
führten zur unerwarteten Entdeckung mit Inschriften
versehener Königsgräber, die zum ersten Male der Wissen-