Verbürgte
Auflage 5000.
Zentral-OeganfürSammelwesen,
Versteigerungen und Alterthurnskunde.
Verbürgte
Auflage 5000.
-Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, München, Berlin, Paris, Gent und London.
Nr. 12.
Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—
Stuttgart, 17. März 18S7.
(Erscheint wöchentlich.)
Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum S<> Pfg., Auktionen »0 Pfg.
5. Jahrgang.
Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken!
Ä Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens !
schorst. (W. Wundt.)
Aus den Erinnerungen eines
Kunsthändlers.
Jin Dezemberheft der amerikaniscben Zeitschrift
„vsnrurz-" veröffentlicht Mr. William Coffin Bruchstücke
aus den Memoiren des vor wenigen Jahren verstorbe-
nen Kunsthändlers Samuel P. Avery. Herr Avery, einer
der Direktoren des New-Iorker Metropolitan Museum
und in seinem Vaterland als Kenner geschätzt, spielte
im amerikanischen Kunstbandel, der, wie man weiß,
seit erwa 20 Jahren in Blüihe sieht, eine führende Rolle.
Seine Erinnerungen sind daher von mannigfachem In-
teresse.
Kann man sich vorstellen, daß in New-Jork einst-
mals ein Corot für 110 Dollars verkauft wurde? Das
ist aber wirklich der Preis, den Avery nach dringendem
Zureden von einem seiner reichen Mitbürger bezahlt er-
hielt. Er war gleichzeitig im Besitz zweier Gemälde von
Edouard Fröre und zweier Landschaften von Corot. Die
Ersteren verkauften sich leicht, aber für die beiden anderen
Bilder wollten sich keine Liebhaber finden, obgleich dem
Maler selbst 500 Francs für das Stück gezahlt worden
waren. Der Nutzen des Herrn Avery an dem Handel
War also mehr als bescheiden, und in jener Zeit hätte
Niemand so leicht ahnen können, zu welcher Blüthe der
Kunsthandel in den Vereinigten Staaten — und auch
anderwärts — dereinst gelangen würde.
Bald ging Avery selbst nach Frankreich. Einer der
ersten Künstler, die er dort kennen lernte, war Jules
Breton. Er hatte den Auftrag, für Herrn John Tay-
lor Johnston ein Gemälde zu kaufen und schrieb des-
wegen an den französischen Maler nach seiner Heimath
Courrieres in der Picardie. Breton setzte ein Rendez-
vous für die Weltausstellung (1867) fest. Aber nicht
vor seinen eigenen Arbeiten, sondern vor den Werken
Meissonier's wollten sie sich treffen. Zur festgesetzten
Stunde erschien Breton. Er war von seiner Frau und
seiner Tochter, einem reizenden, kleinen Mädchen zwischen
fünf und sechs Jahren, das heute als Frau Demont-
Breton eine geschätzte Schriftstellerin ist, begleitet. Er
selbst war außerordentlich einfach gekleidet. Er sah eher
einem Bauern als einem Künstler ähnlich'; aber sein
freies, ehrliches Gesicht und die Genialität, die ihm aus
den Augen sprühte, ließen ihn auf den ersten Blick als
einen ungewöhnlichen Menschen erkennen. Er nahm die
Bestellung des Herrn Johnston, eine Landschaft mit zwei
Figuren für den Preis von 2560 Franken an, und seit
dieser Zeit existirten die engen Beziehungen zwischen dem
Kunsthändler und dem Maler. Als Fräulein Virginie
Breton Herrn Adrian Demont heirathete, war es Herr
-Avery, der das erste Bild ihres Bräutigams kaufte.
Die Beziekmngen Avery's zu Meissonier waren eben-
so herzlich. Ein sacsimihirter Brief mit einer hübschen
Skizze von des Meisters Hand legt davon Zeugnitz ab.
Der Brief enthält allerlei Anspielungen aus ein nach
Deutschland gewandertes Werk des Künstlers, das Avery
von dort wieder zurückerobert hatte. Im Jahre 1880,
so erzählt uns der Interpret Mr. William Coffin, saß
Vanderbilt Meissonier zu einem Porträt. Da der ame-
rikanische Millionär kein Französisch sprach, war er von
den Herren Avery und Lucas begleitet. Bei einer der
Sitzungen fragte Herr Vanderbilt den Künstler, für
welches seiner Bilder er eine besondere Vorliebe habe.
Tscherkessische Sturmhaube mit tauschirten Verzierungen und Ketten-
gehänge, letzteres mit Seidenstoff überzogen.
Museum zu ZarSkoe-Selo.
„Für zwei," antwortete Meissonier, „für „1814" und
„Iw RonssiKnsmsiw"." Und er fügte hinzu, dies letztere
Gemälde befinde sich in Deutschland, in den Händen der
„Franzosenfeinde". Zuerst war es auf der 1867er Aus-
stellung von Herrn Petit gekauft worden, der es für
50,000 Francs an einen deutschen Bankier Namens
Meyer wiederverkauft hatte; dieser hatte es, als der
Krieg ausbrach, mit sich nach Dresden genommen und
sich bisher auf's Entschiedenste geweigert, es herauszu-
geben. Auf die dringenden Bitten des Herrn Vander-
bilt beschloß Herr Avery noch einen Versuch zu wagen.
Er setzte sich mit dem Bankier in Verbindung, dessen
letzte Bedenken er mit Banknoten besiegte. Am anderen
Lage war er im Besitze des „LtmssiZ-nowsut". Van-
derbilt und seine beiden Freunde beschlossen nun, Meis-
sonier eine Ueberraschunq zu bereiten. Am letzten Tage
der Sitzung kamen alle Drei in's Atelier und stellten das
kostbare Gemälde in einen Winkel. Als der letzte Pin-
selstrich an dem Porträt beendet war, Meissonier stgnirt
hatte und sich eben anschickte, im Nebengemach das Bild
mit einem Rahmen zu versehen, stellte man das „Uon-
soiAuswsnt" auf die Staffelei. Die Freude des Künst-
lers, als er wieder in sein Atelier kam, kann man sich
denken. „Ach, mein Bild," sagte er mit Thränen in
den Augen, „mein liebes Bild!" Die Worte fehlen ihm.
Vielleicht nie zuvor und nachher hatien die Millionen
Vanderbilt's einem Menschen eine ähnliche Freude ver-
schafft.
Wie man sich denken kann, beschäftigten sich die
Zeitungen sehr bald mit der Wiedererwerbung des
Meissonier'schen Gemäldes. Man schrieb die verrücktesten
Dinge über dieses Thema. Die Einen behaupteten, Frau
Vanderbilt sei selbst in Dresden gewesen und habe das
Bild eigenhändig nach Paris gebracht. Andere erzählten
von einem reichen Engländer, der Herrn Meyer in sei-
nem Bureau aufgesucht und ihm so viel Kassenscheine
hingelegt habe, bis der Bankier aufgestanden sei und
ihm das Begehrte geholt habe.
Herr Avery begleitete Vanderbilt auch zu Frau
Rosa Bonheur, die bekanntlich im Walde von Fontai-
nebleau haust. Die große Künstlerin empfing ihre Be-
sucher mit außerordentlicher Wärme und erzählte ihnen,
daß Herr August Belmont, dec damals Gesandter der
Vereinigten Staaten im Haag war, zwei Gemälde bei
ihr bestellt habe. „Ich bin gerade sehr beschäftigt",
habe sie ihm geantwortet, „ich werde mich nicht gleich
daran machen können." — „Und wie lange muß ich
warten? — Ein Jahr? Zwei Jahre? Ich werde all
und möchte meine Bilder daher so bald als möglich ha-
ben." — „Wie alt sind Sie?" hatte Rosa Bonheur ge-
fragt. „Einundsiebzig." „Herrgott! Ich auch." (Diese
Scene müßte hiernach 1893 gespielt haben.) Und ihm
die Hand drückend, hatte sie versprochen, die beiden
Bilder sofort zu beginnen.
Rosa Bonheur hatte Herrn Belmont ein ausge-
zeichnetes Andenken bewahrt. „Er ist ein leidenschaft-
licher Demokrat, nicht wahr?" fragte sie Herrn Vander-
bilt. „Wann wird er zum Präsidenten der Vereinigten
Staaten ernannt werden?" Herr Vanderbilt mußte ihr
gestehen, daß er gar keine Aussicht dazu hätte, und die
Künstlerin schien darüber sehr betrübt zu sein.
Alles, was in der zeitgenössischen Malerei einen
Namen trägt, hat mit Herrn Avery wohlwollende Be-
ziehungen unterhalten. GsrSme gibt dem amerikanischen
Geschäftsmann in einigen Federzeichnungen ein Andenken
an seinen Besuch in Bougival, Munkacsy verewigt sich
mit einer kräftigen Bleifederskizze in seinem Album.
Seymour Haden zeichnet sich mit einem kräftigen und
naturtreuen Marinestück ein. Detaille wirft einen seiner
trefflichen Reiter hin. Hier und dort begegnet man
originellen Anekdoten. Es ist bekannt, daß Ziem, der
treffliche Venedig-Maler, auf dem Montmartre, auf der