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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 27.1911

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Heft 12
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Hoffmann, Richard: Typen bayerischer Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35084#0150

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Seite 140.

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

1911, 12.

4-

Kirche St. Salvator in Fißelkling, B.-A. Mühldorf.


der Gotik sich erhalten hat. Darüber oder darunter zieht sich
gewöhnlich ein Zickzackfries hin, höchst einfach durch übereck-
gestellte Ziegel gebildet.
Ein bezeichnendes Beispiel einer bescheidenen Dorfkirche
jener Gegend ist das Kirchlein St. Lorenz bei Kinning,
Bezirksamt Mühldorf, eine frühgotische Anlage des 14. Jahr-
hunderts, im 17. Jahrhundert wenig verändert. Im Innern höchste
Schlichtheit: eingezogener, rechteckiger Chor mit Kreuzrippen-
gewölben und Schlußstein, flachgedecktes Langhaus; am kalk-
getünchten Äußern auf der Süd- und Ostseite die Bogenfries-
blenden. Reizvoll sitzt auf dem frühgotischen Bau das acht-
seitige Kuppeltürmchen des 17. Jahrhunderts als Dachreiter.
Die im altbayerischen Baugebict beliebte Gliederung und
Belebung der Turmflächen zeigt der stattliche Turm der Lap-
pach er Kirche im Bezirksamt
Wasserburg am Inn. Die Türme
waren der Stolz der Baumeister
dieses Gebietes. Oft genügten
die augenscheinlich einfachsten
Mittel, um ihnen das Gepräge
höchster Vornehmheit trotz des
untergeordneten Baumaterials —
lediglich Backsteinbau — zu
verleihen. Staunenswert ist der
sichere Blick im Abwägen der
Verhältnisse. In Lappach steigt
der aus dem Anfang des
15. Jahrhunderts stammende
Turm nördlich vom Chor in
seinen fünf Obergeschossen
imposant empor, belebt mit
verschiedenen geschlossenen
Blenden. Er trägt hohes Spitz¬
dach mit Eckaufsätzen, die
typisch sind für dieses von
Landshut beeinflußte Grenz¬
gebiet von Ober- und Nieder¬
bayern. Auch noch andere Bau¬
formen, wie die Häufung von
spitzbogigen Blenden am Turm,
die im Dreieck vorspringenden
Lisenen an Stelle der Strebe¬
pfeiler am Chor, der um den
Chor sich ziehende Fries ver¬
weisen auf die Gewohnheiten
der Landshuter Bauhütte, deren
Einfluß sich vor allem auf das

Tal der Isar in ihrem Unterlaufe, die lieblichen Täler
der Vils und der Rott und ihrer benachbarten Ge-
biete erstreckt.
Wie geschickt unter Verwendung von älteren
Bauteilen spätere Neubauten aufgeführt wurden, zeigt
die Kirche in Bergkirchen, Bezirksamt Dachau.
Von der alten gotischen Kirche ist der Westturm
stehengeblieben, ein für Oberbayern charakteristischer
Bau mit rechteckigen Blenden, Zierfries, merkwürdigen
Eckansätzen, die verkümmerten Strebetürmchen
gleichen, und hohem Pultdach. An diesen Turm
wurde vor Mitte des 18. Jahrhunderts ein Kirchen-
neubau gesetzt mit zentraler Anlage. Das Innere
ist sehr geschmackvoll im frühen Rokokostil ausge-
stattet. Im Äußeren zeigt die auf weitem Wiesenplan
stehende, von hoher Friedhofsmauer umschlossene
Kirche ganz vortrefflich abgewogene Verhältnisse
zwischen dem mittelalterlichen, hochaufstrebenden
Turm und den zentral sich zusammenschließenden
Chor- und Langhausbauten des 18. Jahrhunderts.
Das südliche und südöstliche Oberbayern um-
schließt ein ausdrucksvolleres Landschaftsbild als
die übrigen Gebiete Altbayerns, ein reiches, abwechs-
lungsvolles Gelände mit schönen Höhenzügen und
tiefen Waldschluchten — das Alpenvorland, das Inn-
und Salzachgebiet und das Alpenland selbst. Hier
begegnen wir sehr häufig Kirchen von reichgestaltetem Grund-
riß. Mit feinem künstlerischem Blick sind besonders schöne Punkte
als Bauplatz gewählt, und vortrefflich schmiegen sich die Bauten
dem Landschaftsbilde ein, so zum Beispiel die malerisch ge-
legene Kirche St. Salvator in Fißelkling, Bezirksamt Mühl-
dorf. Die Hauptanlage bildet ein Zentralbau mit zwölfseitigem
Mittelraum, an der Nord- und Südseite leicht nach außen ge-
bogen. Daran fügen sich ein rechteckiger Chor im Osten
und eine ebensolche Vorhalle im Westen; östlich von dieser
der Turm mit Vorzeichen. Der Turm ist unten vier-, oben acht-
seitig mit vielfach geschwungenem Gesims und hübsch um-
rissener Kuppel. Die ganze Anlage hat trotz der durch die
Verschiedenheit der einzelnen Bauteile hervorgerufenen Leb-
haftigkeit der Komposition etwas Weiches, Abgerundetes, in
sich Geschlossenes. Viel trägt
dazu offenbar auch die aus
Holzschindeln, zumeist von
Lärchenholz bestehende Dach-
eindeckung bei. Wohlbedacht
ist diese gewählt wegen des
weichenAnschmiegens derHolz-
schindeln an die bewegtenLinien
der Turmbekrönungen und
Dächer wie wegen der warmen
Töne, rostrot und leuchtend
grün, die der Anstrich ergibt.
Das Einschmiegen der alt-
bayerischen Gebirgsdorfkirchen
in ihre Umgebung gelingt ge-
rade dadurch am geschicktesten.
Die bei aller Einfachheit
geschmackvolleAusstattung des
Innern veranschaulicht das Bild
aus der Kirche St. Johann im
Bezirksamte Amberg. Der in
seinen Verhältnissen äußerst
schlichte Bau umfaßt ein recht-
eckiges Schiff, an das sich ein
quadratischer Chor schließt. Das
breite Langhaus hat eine höl-
zerne Kassettendecke. Das
nebenstehende Bild gibt die
Ansicht gegen Westen mit der
Doppelempore. Die Decke be-
steht aus Rechteckfeldern mit
gebrochenen Ecken, dazwischen
kleine Rautenfelder; in jedem


Inneres der Wallfahrtskirche St. Johann, B.-A. Arnberg.
 
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