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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 27.1911

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Heft 12
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Hoffmann, Richard: Typen bayerischer Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35084#0152

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Seite 142.

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

1911, 12.



im Bezirksamt Vohenstrauß nahe der
böhmischen Grenze. Die Kapelle ist
durchweg aus Brettern zusammen-
gefügt, sowohl in den Wänden des
Kapellenraumes als auch am Türm-
chen. Die Bedachung besteht aus
Holzschindeln. Zum Teil sind die
Wände aus den in Altbayern und
der Oberpfalz beliebten Totenbrettern
gebildet. Solche Totenbretter werden
teils senkrecht, teils wagrecht an
Straßen aufgestellt, oft malerisch
gruppiert unter Bäumen, in der Nähe
von Feldkreuzen, oder an den
Zäunen längs den Straßen befestigt.
Sie enthalten den Namen des Ver-
storbenen mit dessen Geburts- und
Sterbetag, meist auch fromme Sprüche
oder Gebete. Die Kaimlinger Dorf-
kapelle, in ihrer Art höchst malerisch
und originell, zeigt eine Weiterbil-
dung der gerade in jener Gegend
auftretenden, von Böhmen her nach
Bayern übernommenen hölzernen
Glockentürme. Dörfer ohne Kirchen haben nämlich in ihrer
Mitte einen höchst einfachen hölzernen Turm mit Glocke, der
zuweilen nur ein Gerüst ist.
Nahe verwandt mit der oberbayerischen ist die schwäbische
Landkirche. Wie das Baumaterial ist auch die Bauart im all-
gemeinen dieselbe. Für Schwaben ist in erster Linie die Turm-
lösung kennzeichnend. Selten sind hier die Türme vollständig
aus dem Mittelalter erhalten. Die weitaus größte Mehrzahl hat
auf dem viereckigen alten Unterbau den typischen achteckigen,
durch Fensterarchitekturen und Pilaster mehr oder minder reich
ausgestatteten Oberbau mit der Kuppel als bekrönendem Abschluß.
Vorbildlich war für das flache Land offenbar die schwäbische
Hauptstadt Augsburg mit ihren zahlreichen Kuppeltürmen,
Perlachturm, Rathaustürme, St. Ulrich usw., die dem Stadtbilde
das Gepräge verleihen.
Die an der Straße gelegene Frauenkapelle in Mindelheim
besitzt ein solches mit Eckpilastern besetztes Kuppeltürmchen.
Dem vieleckig geschlossenen Chor ist ein kapellenartiger, nach
drei Seiten offener Vorbau vorgesetzt, von Pilastern flankiert,
mit Architrav und von einem Dreiecksgiebel abgeschlossen.
Diese selbständig wirkende Anlage zeigt die in Schwaben be-
liebte Art der gemauerten Wegkapellen, die an besonders
malerischen Plätzen, gewöhnlich von hohen Bäumen über-
schattet, stehen.
Ein sehr reizvolles Beispiel dieser Art ist die sogenannte
Kapelle zur Herrgottsruh bei Mindelheim, höchst
stimmungsvoll im Walde gelegen. Dem zentralen Hauptbau
ist ein auf drei Seiten in schönen Rundbogen sich öffnendes
Vorzeichen, eine Art Vorhalle, vorgelegt. Der kleine Bau bietet
im Kalkweiß der Wände inmitten des üppigen Grün ein sehr
anmutiges Architekturbild.
Schon bald über die Donau bei Ingolstadt hinaus umgibt
uns eine völlig andere Landschaft. Der Fränkische Jura mit
seinen abgeplatteten Tafelgebirgen gibt ihr andere Linien,
die vielen Föhrenbestände und die Weinberge, das eigentümliche
Rot des Erdreichs verleihen eine völlig andere Stimmung. Natür-
lich ändern sich hier auch das Ortsbild und die Bauart der
Dorfkirche. Im allgemeinen gilt für alle drei Frankenkreise:
beim fränkischen Dorfe mit seinen schmucken Fachwerkbauten
schließt sich alles, im Gegensatz zu den langgezogenen, zer-
streuten Dorfanlagen Südbayerns, zu einer malerischen Gruppe
eng zusammen. Im Mittelpunkte des Dorfes erheben sich als
die Hauptbauten Gemeindehaus und Kirche. Letztere schmiegt
sich innig dem Ortsbilde ein. Sie nimmt nicht wie die alt-
bayerische Dorfkirche eine sowohl örtlich wie im architek-
tonischen Gepräge abgesonderte Stellung ein. Bei den Dorf-
kirchen Frankens ist sogar oft keine strenge Trennung von
kirchlicher und profaner Bauweise zu bemerken. Namentlich
die Türme mit ihren Bekrönungen könnten in vielen Fällen

Frauenkapelle in Mindelheim.
Mauerwerk, das an den Ecken des Langhauses große Quadern,
darunter auch einige Buckelquadern mit Randschlag enthält.
Dem alten, festungsartig wirkenden Bau ist später ein viereckiger
Turm mit stumpfem Helm aufgesetzt worden. Ähnlich ist
die Filialkirche Oberoffendorf, in dem schönen, von der
Altmühl durchflossenen Bezirksamt Riedenburg gelegen. Auch
hier erscheint die einfache, kraftvolle Anlage einer romanischen
Dorfkirche fast völlig unberührt von späteren Zutaten: einge-
zogener, quadratischer, in der Tonne gewölbter Chor mit
kleinem romanischen Ostfenster, das Langhaus flach gedeckt.
Das Bruchsteinmauerwerk ist hier verputzt.
Die höchste, wohl nicht zu überbietende Einfachheit eines
Dorfheiligtums zeigt die hölzerne Kapelle des Dorfes Kaimling

Brückenkapelle in Kaimling, B.-A. Vohenstrauß.
 
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