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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 3.1969

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Nr. 1
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Kovačevičová, Soňa: Slovenskí drotári a umenie
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https://doi.org/10.11588/diglit.31181#0154

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Arbeiten mehr in die Tiefe, um die Widersprüche und
Kompliziertheit des psychischen Lebens der Rastelbinder
festzuhalten. Die Widersprüche zwischen dem Tra-
ditionellen und dem Untraditionellen, zwischen den
Lebensbedingungen des Bauern und des Arbeiters und
zwischen jenen in Dorf und Stadt, zwischen dem Kollekti-
ven und Individuallen, zwischen dem Handwerkerberuf
und dem Proletarier schafften die Voraussetzungen
für das geistige Leben der slowakischen Rastelbinder.
Und dieses Leben zu begreifen und auszudrücken gelang
selten einem darstellenden Künstler, Dichter, oder
Publizisten. Die Folgerscheinungen eines solchen Lebens
und Denkens treten jedoch markant in der Kunst hervor,
welche sich die Rastelbinder in den letzten 50 Jahren
selber geschaffen hatten. Die Rastelbinder begannen
ähnlich wie die Arbeiter, welche aus dem Dorf in die
Städte und in Industriezentren kamen, infolge der
Veränderungen in ihrer Lebensweise und Arbeit bald,
das alte Genre bei der Schaffung und der Reproduktion
zu verlassen und suchten neuere Arten des Ausdrucks,
wie z. B. die Hirten und Holzfäller, deren Lebensweise
und Arbeit sich nur sehr langsam änderten.
Das grundlegende Entwicklungsgesetz der Kunst, das
auf den Schwankungen der Beziehung zwischen Form
und Inhalt beruht und die alte Art und Weise des künstle-
rischen Ausdrucks als Folge der Veränderungen des
Lebens und der Arbeit verlässt, existiert auch bei den
Rastelbindern. Die schöpferische Spannung zwischen
dem traditionellen Inhalt und der untraditionellen Art
der Darstellung offenbart sich in den Plastiken, welche
die Rastelbinder für gelegentliche Ausstellungen ge-
schaffen hatten. Durch die Drahtbindertechniken (Ge-
flecht, geschnittenes Blech) — also durch eine Arbeitsart,
die für die slowakische Volkskunst als untraditionell zu
bezeichnen ist — versuchten sie, traditionelle Märchen-
wesen darzustellen, die sie aus heimischen Märchen und
Sagen kannten (Feen, Hexen, Drachen u. ä.). Bei dieser
Schöpfung erreichten sie ähnlich wie heutzutage die
Op-art und Pop-art sowie die kinetische Kunst — sicher

mehr unbewusst als bewusst — eine ästhetische Wirkung
nicht nur dadurch, dass sie durch das Illusorische der
Form den Beschauer in den Schöpfungsprozess ein-
schalteten, sondern auch die Wirkung der Überraschung
dadurch ausnützten, dass sie das gewöhnliche, durch
tägliche Benützung entwertete Material und die Technik
vom Charakter des reinen Gebrauchsgegenstandes be-
freiten. Die Wirkung erhöhten sie auch dadurch, dass sie
das Licht durch den Gegenstand schimmern, den Draht
vibrieren liessen und den Gegenstand in einen bestimmten
Raum stellten — die Alltäglichkeit der Technik und des
Materials der Rastelbinder kommt hauptsächlich in
Gegenständen zum Vorschein, welche die Rastelbinder
für den alltäglichen Gebrauch verfertigten (z. B. Brat-
spiesse, Unterlagen, Kleiderrechen, Leuchter). Diese
Gegenstände charakterisiert in maximaler Weise die
Verwendbarkeit und Verkäuflichkeit. — Die Virtuosität
der Technik, welche die Zwecklosigkeit des Gegenstandes
überdeckt, offenbart sich in Artefakten, die für die Stadt
bestimmt sind, deren Leben und ästhetische Prinzipien
den Rastelbindern nicht genügend bekannt gewesen sind.
Um die Schönheit und die Verzierung der Vasen, Körbe,
Rahmen — Gegenstände, die aus Pressglas oder ge-
schliffenem Glas, aus gepresstem Silber u. ä. hergestellt
wurden — hervorzuheben, durchflochten sie dieselben mit
silbernem oder vergoldetem Draht mittels einer Technik
die an die Filigranarbeit der Schmuckgegenstände
grenzte. Sie wurden deshalb zu einem Beweis der techno-
logischen Gewandtheit der Rastelbindermeister und
gleichen ungefähr den Meisterstücken, durch welche
die Gesellen nach beendeter Lehrzeit ihre technologische
Gewandtheit beweisen sollten. -— Sämtliche Arten der
Arbeiten der Rastelbinder dokumentieren das kompli-
zierte Leben ihrer Schöpfer — eine Welt, welche die
Widersprüche des XIX. und XX. Jahrh. in der Slowakei
in sich einschloss. Belege über das wirtschaftliche und
gesellschaftliche Leben der Rastelbinder sind heute im
Museum a/Waag (Považské Museum) und in der Gallerie
in Žilina gehortet.

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