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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 28.1927

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Nr. 2
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Wonisch, Othmar: Ulrich von Liechtenstein und die Frauenburg: (Vortrag, gesprochen auf der Frauenburg anläßlich der Burgenfahrt der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen, am 24. Juni 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.35078#0056

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von denen Admont, Seckau, Voran und St. Lambrecht die klangvollsten Namen haben. In Steiermark entstand das
neben den: Nibelungenlied bedeutende nationale Epos „Kudrun", dann die höfischen Epen „Biterolf und Dietleib",
„Walter und Hildegunde". Der Minnesang hatte seinen Hauptvertreter in unserem Ulrich von Liechtenstein, aber auch
Rudolph von Stadeck, Herrand von Wildon, Ulrich von Sanneck und einer von Oberburg huldigten dieser Gattung.
Ottnkar, ein Ministeriale der Liechtensteiner, ist der Verfasser der 98000 Verse zählenden Reimchronik. Auch der stei-
rische Landeshauptmann Hugo von Montfort war ein Dichter. Der Kartäuser Philipp von Seitz verfaßte die Dichtung
„Marienleben", der Mönch Gundaker von Judenburg „Christes Hort" und der Mönch Andreas Kunzmann von Neu-
berg hinterließ einige Gedichte um das Jahr 1300. Im ausgehenden Mittelalter ging das Dichten auf das Bürger-
tum über. Zahlreiche Volksschauspiele, Volks- und Kirchenlieder gehen auf diese Zeit zurück. In der Neuzeit hebt
eine ununterbrochene Reihe von Namen an, die im einzelnen nicht angeführt werden können, die aber alle in den
beiden bekanntesten Namen Rosegger und Kernstock gipfeln und ausklingen.
Letzterer Name, dessen Träger Burgpfarrer und Dichter ist, führt mich zurück in das liederfrohe 13. Jahrhundert,
zurück zu Ulrich von Liechtenstein. Um das Jahr 1200 einem der bedeutendsten Ministerialengeschlechte der Steier-
mark entsprossen, erhielt Ulrich zu Wien im Jahre 1222 den Ritterschlag. Er tritt in die breite Öffentlichkeit auf dem
großen Fürstentag in Fiesach im Mai 1224, wo er mit seinem Bruder Dietmar durch zehn Tage hindurch Ritter-
spiele veranstaltete, denen zahlreiche Kirchenfürsten, Herzöge, Markgrafen und an 600 Ritter beiwohnten. Als König
Mai verkleidet war Ulrich der kühnsten einer. Nach einer Jtalienreise begann er von Venedig aus als Frau Venus
jene berühmte Fahrt durch Friaul, Käruten, Steiermark, Österreich bis an die mährische Grenze, genau vor 700 Jahren,
im Jahre 1227. In diesem Aufzuge stellt ihn auch die Miniatur in der berühmten Heidelberger Liederhandschrift dar.
Seine Helmzier bildet die Gestalt der Venus mit wallendem Haar, auf dem Haupte die Krone als Königin der Minne,
in der Linken eine brennende Fackel, in der Rechten ein Bündel von Pfeilen. Man hat Ulrich wegen dieser Fahrt
und anderer uns merkwürdig anmutenden Dingen — er trank beispielsweise heimlich das Wasser, womit seine Ge-
liebte die Finger abspülte, er ließ sich ihr zuliebe von seiner Hasenscharte operieren, er hackte sich einen Finger ab,
um ihn seiner Dame zu schicken und sie von seinem Mute zu überzeugen — man hat Ulrich mit Don Quijote ver-
glichen und ihn einen Geck und vollendeten Narren genannt, sicher aber mit Unrecht. Er war ein Mann seiner Zeit,
vielleicht ein Typus des verfallenden Rittertums, vielleicht auch ein mit dichterischer Phantasie begabter Renom-
mierer, aber Narr war er keiner. Aufsehen machte er auf seinen Reisen allerdings, viel Volk lief zusammen — etwa
wie bei Lindbergh und Chamberlin — in Neunkirchen wurden von der Menge die Tore der Kirche erstürmt, um Ulrich zu
sehen. Uber 300 Speere verstach er, doch blieb er in den seltensten Fällen Sieger, vielmehr mußte er 271 goldene Ringe
verteilen, d. h. daß er ebensooft besiegt wurde. In Wien wurde er mit dem Liede Walthers von der Vogelweide „Ir sult
sprechen willekomen!" begrüßt, was doch gewiß die Wertschätzung Ulrichs bei seinen Zeitgenossen ausdrückt. Die Venus-
fahrt, die am 25. April in Mestre begann und am 30. Mai in Korneuburg beschlossen wurde — also 5 Wochen dauerte —,
war gewiß eine hervorragende Leistung. Eine ähnliche Fahrt unternahm Ulrich im Jahre 1240 als König Artus verkleidet.
Sie ging wohl von der Frauenburg oder von der eigentlichen Stammburg Liechtenstein bei Judenburg aus und über den
Semmering nach Wiener-Neustadt. Auch Ulrich hatte nach dem Muster König Artus^ eine Tafelrunde auserwählter Ritter.
1248 wurde er von sonst gut befreundeten Nachbarn überfallen und in der Frauenburg durch 1 Jahr und 3 Wochen
gefangengehalten. Ein Rettungsversuch seiner Freunde blieb erfolglos, weil sie wegen der Todesdrohung gegen
Ulrich wieder abziehen mußten. Erst dem kaiserlichen Statthalter Meinhard von Görz gelang Ulrichs Befreiung.
Inzwischen war Ulrich bereits ins politische Leben eingetreten. 1245 war er Truchseß des Landes und zugleich,
wie auch sonst öfters, Heerführer. 1269—1272 begegnet er in der Würde eines Landmarschalls und wurde im letz-
teren Jahre Oberster Landrichter in Steiermark. Sein Besitztum war bedeutend. Die Burgen Murau, Frauen-
burg und Liechtenstein mit großen Ländereien und vielen Untertanen nannte er sein Eigen. Er besaß bedeutende
Landgerichte und war Lehensträger der Bischöfe von Salzburg und Freising, wie auch der kärntnischen und steirischen
Landesfürsten. Nur daraus kann man sich auch den ungeheuren Aufwand bei den vielen Fahrten und Festlichkeiten
erklären. Als Greis von etwa 75 Jahren schied er aus seinem tatenreichen Leben.
Fragen wir nach dem Erbe Ulrichs, so besteht es in den Mauern dieser Burg, in seinen Dichtungen und in
seinem politischen Bekenntnisse.
Die Frauenburg wird zum erstenmal 1248 erwähnt. Sie wurde wohl von Ulrich selbst erbaut oder doch wenig-
stens so benannt, sein Minnedienst dürfte die Namengebung veranlaßt haben. 1260 wird sie Castrum Frauenburg
genannt, Ulrich selbst nennt sie auch seiuen „Turm" — die landläufige Bezeichnung für kleinere Befestigungsanlagen.
1269 mußte sie auf Befehl König Ottakars von Böhmen gebrochen werden. Sicher baute sie Ulrich wieder auf, nach-
dem die Aussöhnung mit Ottakar zustande gekommen war, spätestens mußte sie nach dem Landfrieden König Rudolphs
von Habsburg wieder aufgebaut worden sein. Im Besitze der Familie Liechtenstein blieb die Frauenburg bis zum
Jahre 1437, in welchem sie Hans von Stubenberg durch Erbschaft erwarb. Im Jahre 1461 kan: sie durch Erbteilung
an Erasmus von Stubenberg und, als dieser unverheiratet starb, an Andrä von Stubenberg. Unter ihm spielte auch
der Keller, der sich noch so gut erhalten hat, eine gewisse Rolle. Andrä führte verbotenerweise Wein ein, was bald die
Konfiskation des ganzen Besitzes zur Folge gehabt hätte. Seine Nachfolger mußten 8000 Ungarische Gulden bezahlen,
um den Besitz nicht zu verlieren. 1529 fiel der ganze Besitz an Wolf von Stubenberg. 1556 an Friedrich. Der Erbe
dieses war der jüngere Wolfgang, der 1597 starb. Wolfgangs Nachfolger Georg verkaufte die Frauenburg 1610,
 
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