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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 28.1927

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Nr. 5/6
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Baravalle, Robert: Burg Güssing im Burgenlande
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https://doi.org/10.11588/diglit.35078#0096

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Abb. 62. Hochschloß Güssing, von Süden gesehen.

durchbrochen war. In
diesem weiten Hof-
raume konnten die
dringendsten Lebens-
bedürfnisse angebaut
werden. Hier befand
sich ein tiefer, schön
ausgestatteterSchöpf-
brunnen, der bis zum
Grundwasserspiegel
reichte, hier standen
aber auch an die
Mauer der sicheren
Westseite gelehnt,
Stallungen und Wirt-
schaftsgebäude.
Die großen Be-
festigungsanlagen, die
im 16. und 17. Jahr-
hundert vornehmlich
von italienischen Bau-
meistern in der benachbarten Steiermark und in Kroatien errichtet wurden, ließen auch an einen modernen Ausbau der
Befestigung von Güssing denken. So entstanden unter Ausnützung der bestehenden Anlage mächtige Backsteinbastionen,
die sich mit größter Geschicklichkeit den dunklen Felsen anschmiegten. Diese Bastionen waren zum Teile zur Auf-
stellung von Geschützen bestimmt. Kleinere, tiefer am Berge gelegene Vorwerke erhöhten die Flankierungsmöglich-
keit sowie die Bestreichung des Bergfußes an den von oben nicht eingesehenen Stellen. Besondere Sorgfalt wurde
auf die Sicherung des Zuganges, der von Norden in zwei großen 8-Kurven in den äußeren Burghof führte, ver-
wendet.
Die Znfahrtstraße führt aus der Stadt zuerst nach Südosten, wendet sich dann unter 150° nach Westen und
kommt zum ersten Tore, einem mächtigen Barockbau, der von einem starken Rundturme flankiert wurde. Das Tor
trägt die Jahreszahl 1672 und bezeichnet den Abschluß der Neubefestigung. Von dem Tore führt die einen halben Me-
ter starke und etwa vier Meter hohe Bruchsteinmauer nach Norden zur Stadt hinab, nach Südosten mit einer zweiten
Flankierungsmöglichkeit des Tores auf den Burgberg hinan. Die Straße, deren Wagenspuren tief in den schwarzen
Basalt gegraben sind, führt steil zum zweiten Tore hinan. Zur rechten Hand ist sie gegen die Stadt von einer starken,
verteidigungsfähigen Mauer geschützt, zur linken steigt der Burgberg an und ermöglicht eine Bestreichung des Straßen-
stückes. Bei der nächsten Biegung um beinahe 180°, schließt ein schmaler Torbogen mit eisernem Gittertor die Straße
ab. Zur rechten Hand erhebt sich, etwa 15 Meter hoch, eine starke Backsteinbastion mit eingebauten Geschützschieß-
scharten. Hier aufgestellte Geschütze konnten das steil ansteigende Straßenstück völlig beherrschen. Auch der weitere
Verlauf des Straßenstückes führt zwischen den aufstrebenden Bastionen und der Verteidgungsmauer, die noch die
Anlagen zum Anbringen hölzerner Wehrgänge zeigt, zum alten gotischen Festungstore. Ein Rundgang auf schmalem
Felsenpfade knapp unterhalb der Bastionen zwischen Schlehen, Haselnußstränchern und Berberitzenstauden, der
immer neue Kühnheiten der Burganlagen entdecken läßt, ist eines der schönsten Erlebnisse für einen Burgenfreund.
In der Burg selbst ist nicht allzuviel Sehenswertes. Die Schloßkirche enthält einen hübschen spätgotischen
Schnitzaltar. Zwei einfache Eselsrückentore lassen auf einen Neubau um die Mitte des 15. Jahrhunderts schließen.
Der Pallas ist heute noch von der Pächterfamilie bewohnt. Ein großer Prunksaal mit den sehr naiv gemalten Bildern
einzelner Schloßbesitzer springt nach drei Seiten frei gegen Norden vor und ist arg verwahrlost. Die Rüstkammer
birgt einige alte Hellebarden, zerbrochene Panzer, aber nichts Bemerkenswertes. Sehr interessant ist jedoch ein
Ziehbrunnen, der außerhalb der Westseite des langgestreckten Pallas auf einer Bastion etwa 30 Meter tief abgeteuft
ist. Der Brunnen ist mit großen Quadersteinen gemauert. Der Brnnnenkranz mit hübschen Ornamenten stammt
ans dem Jahre 1571. Etwa einen Meter unter dem Boden zieht um den Brunnenschacht konzentrisch ein schmaler,
etwa 0,70 Meter breiter und 1,50 Meter hoher gemauerter Gang herum. Von den Dächern der Schloßgebäude
werden die Regenwasser in diesen gewölbten Gang geleitet, und sickern von hier aus zur Brunnensohle weiter. Das
Wasser ist klar, kühl und schmackhaft. Der Einstieg in diesen gewölbten Gang rund um den Brunnenschacht ist durch
einige große behauene Steine verschlossen. So stellt sich die Burg Güssing in ihrer heutigen Gestalt als eine Befesti-
gungsanlage großen Stils dar, die an der Stelle von drei wichtigen Straßenkreuzungen in den Türkenkriegen eine
ziemliche Bedeutung erlangt hat.
Güssing ist mit der Bahnstation Bierbaum in Steiermark durch eine Postautolinie verbunden. Die Bahnstrecke
über St. Gotthardt hat den Nachteil, daß sie über ungarisches Gebiet führt und nur mit Paß und ungarischem Visum
benützt werden kann. Aber auch eine Fußwanderung von der steirischen Grenzstadt Fürstenfeld über die reben-
 
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