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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 28.1927

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Nr. 5/6
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John, H.: Die Lauterburg, eine Gründung aus der Staufenzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.35078#0100

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Ein weiterer Bauabschnitt wird angezeigt durch die Jahreszahl 1536, die auf dem Wappenschild am äußeren
Torbogen noch heute zu lesen ist. Damals entstand die Vorbnrg, die für die ganze Burganlage eine wesentliche
Verstärkung bedeutete. Mit dem Torbogen, über dem zwei hübsche Wetterfahnen mit eingeprägtem Mannes- und
Frauenwappen des Erbauers sich drehen, steht ein Seitengebäude in Verbindung, in dem einst der Torwart wohnte.
Gerade dieser Eingang in die Burg bietet bei aller Schlichtheit ein überaus malerisches Bild. In die hohe überdachte
Umfassungsmauer der Vorburg waren noch einige sonstige Gebäude, darunter eine große Zehntscheuer, eingefügt.
Vor dieser Nmmauerung lag ein zweiter Graben, über den wie von der Jnnenburg aus eine Zugbrücke niedergelassen
wurde, so daß die Burg nun doppelt gesichert war.
In die Jahre 1594—1607 fällt der bedeutendste Bauabschnitt, der nicht bloß das Herrenhaus neu erstehen ließ,
sondern die ganze Burg in großzügiger Weise ansgestnltete. Das mittelalterliche Schloß wurde bis auf die erwähnten
Mauerreste abgebrochen und eine breitere Plattform für die Neubauten geschaffen. Als einziges Bauwerk von der
Jnnenburg blieb nur jener feste innere Torbau stehen. Der Schloßneubau wurde im Renaissancestil in drei gewaltigen
Stockwerken aufgeführt. Im Erdgeschoß bemerkt man noch jetzt die Ansätze der Rundbögen und Säulen, welche
die Decke des mittleren Stocks trugen, und die hohen Fenster mit ihren tiefen Nischen, wie sie noch heute an der
ins Tal schauenden Giebelwand zu sehen sind, lassen die weiten, Hellen Gelasse der beiden oberen Stockwerke ahnen.
Gegenüber diesem stattlichen Hauptbau war ein langgestrecktes Nebengebäude für Dienerschaft und Stallungen.
Im Burghof fehlte nicht der Ziehbrunnen, der tiefgemauert die Quellader erfaßte, die dann unten am Bergvorsprung
zutage tritt und ihr Wasser spendet. Die gesamte Hauptburg umgab ein Mauergürtel, der ringsum einen schmalen
Zwinger freiließ; er schloß auch den breiten, wasserlosen Burggraben zwischen Haupt- und Vorburg auf beiden
Seiten ab, dort verstärkte noch je ein runder Turm den Abschluß. Auch vorn am äußersten Bergvorsprung flankierten
zwei runde Türme.
Das Werk wurde durch die Errichtung einer der Schloßherrschaft wie der Dorfgemeinde gleichermaßen dienenden
Kirche gekrönt. Sie ist das einzige noch erhaltene Bauwerk dieses letzten Bauabschnitts. Von der Vorburg aus ist
nach Osten vorgeschoben am Bergeshang ein gewaltiges Gewölbe angelegt, das der Kirche die nötige Grundlage
am Bergesrande gibt. Die Kirche und deren Unterbau sind mit der Vorburg durch ein schmales, aber auf beiden
Seiten mit starken Mauern versehenes Bauwerk verbunden, das in seinem unteren Teil als Zugang zu jenem Ge-
wölbe dient, im oberen zu der Kirche führt. Die Unterbauten mit ihren Lucken und Schießscharten gleichen einem
starken Bollwerk. Der Gang und die Kirche darüber sind mit runden Fensteröffnungen versehen. Der Kirche zur
Seite neben dem Chorraum steht ein starker Turm unten im Viereck aufgeführt, oben ins Achteck übergehend, mit
doppeltgekuppelten Rundbogenfenstern und schließlich in einem geschweiften Dach, sog. „welscher Haube", endigend.
Dieser Turm bildet an der breiten Talfront der Burg die östliche Flanke. Bei ihm endigt auf der Dorfseite auch der
breite Graben der Vorburg. So war die Kirche fest in die ganze Vorburg eingegliedert.
Zeigt sich die Kirche in ihrem Äußeren als ein Bauwerk der späteren Renaissance, so ist auch ihr Jnnenraum
entsprechend gestaltet. Das Schiff der Kirche schließt nach oben eine flache hölzerne Kassettendecke ab; die Ränder
der Wände sind mit farbigen Bandornamenten geziert. An bevorzugtem Platz hängt ein großes Stiftungsgemälde
mit reich bearbeitetem Holzrahmen, in der Predella den Erbauer mit seiner Familie darstellend. Chorbogen und
Kreuzgewölbe im Chor sind reich mit Stukkatur versehen; die Ansätze der Rippenbögen und die Kämpfergesimse
am Chorbogen sind mit Engelsköpfchen versehen. Und auch der Kruzifixus inmitten des Chors trägt in seiner edlen
und ebenmäßigen Darstellung ausgesprochenes Renaissancegepräge.
Überblicken wir die Burganlage, wie sie uns jener letzte Bauabschnitt hinterlassen hat, so müssen wir uns bei
aller Schlichtheit in der Ausführung doch wundern über die geschickte Gestaltungskraft des Baumeisters, wie er die
Bauten dem Gelände anpaßte, wie er im einzelnen jedes Bauwerk formte und das Ganze gruppierte. Wie ein-
drucksvoll muß doch einst der Anblick dieser Burg vom Tal aus gewesen sein in ihrer ganzen Breite von dem stattlichen
Schloß mit den vorgelagerten Rundtürmen bis hinüber zur Burgkirche mit ihrem ragenden Turm! Und wenn auch
Feuersbrand einst in der Hauptburg tobte und leere Mauern stehen ließ, wenn auch Wind und Wetter seither unauf-
haltsam an den Trümmern nagen und immer mehr zerstören, so lebt doch der schöpferische Geist des Meisters, dessen
Name leider verschollen ist, weiter auch noch in den Resten seines trefflichen Werkes.
 
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