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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0077
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Das Prytaneion (Tafel XLIII und XLIV).

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dem die nördliche Hälfte des Prytaneion einnehmenden
grossen Hofe diente, geht aus dem Grundrisse hervor.
Zu beiden Seiten der Mittelzimmer lind in ver-
schiedener Höhe zwei offene Höfe aufgedeckt, neben
welchen die beiden schon erwähnten kleinen Hallen
liegen. Der natürliche Boden steigt hier, wie die in
den Grundriss eingeschriebenen Höhenzahlen erkennen
lassen, beträchtlich nach Osfen an; der örtliche Hof liegt
daher höher als der andere. Nach aussen schliessen sich
an diese Höfe zwei grosse Räume an, welche in dem
ergänzten Plane Ost- resp. Westhalle genannt sind. Die
letztere ist in ihren Abmessungen geliehen, und es fleht
auch fest, dass sie im Westen eine geschlossene Wand,
im Ölten eine zum Hof gerichtete Säulenstellung besass.
Drei einzelne Fundamente N, O und P befinden sich
noch an ihrer alten Stelle. Während die beiden ersteren
unbedingt Säulen getragen haben, kann das von dem
Fundament P nicht mit Sicherheit gesagt werden, weil
es möglicherweise für eine Ante bestimmt war. In den
beiden Grundrissen habe ich beide Möglichkeiten dadurch
angedeutet, dass ich auf dem Fundament P in dem grossen
Grundrisse eine runde Säule, in dem kleinen ergänzten
Plane aber eine viereckige Ante gezeichnet habe.
Der nördliche Teil der Westhalle wird von meh-
reren kleinen Zimmern eingenommen, welche einmal
einen vollständigen Umbau erfahren haben. Anfangs
nicht bis an die Aussenwand herantretend, hatten sie
später die volle Tiefe der Westhalle. Man könnte glauben,
dass die Mauern der kleineren Zimmer mit der Aussen-
wand nicht gleichzeitig seien, weil man den Zweck des
nur 0,60 m breiten Zwischenraumes zwischen den beiden
Wänden nicht erklären kann. Es ist jedoch nach der
Bauart der Mauern unzweifelhaft, dass die jüngeren
Quermauern der Zimmer aus einer anderen Zeit flammen
als die Aussenmauer. Die sorgfältig hergestellten Kiesel-
fussböden G und F in den älteren und jüngeren Zim-
mern, die Anlage eines Heerdes (?) E und eines Bassins H
und das Vorhandensein mehrerer Wasserleitungen weisen
darauf hin, dass in diesen Zimmern vielleicht die Küchen-
räume zu suchen sind.
Über der Westhalle ist in römischer Zeit ein Tri-
klinium von der gewöhnlichen Form erbaut worden.
J und K sind die beiden Enden des dreiseitigen Lagers,
dessen Umgebung mit bunten ornamentalen Mosaikfuss-
böden ausgestattet war. Ein Rest dieses Mosaiks ist bei
L noch erhalten. Nach Pausanias (V, 15, 12) befand sich
dem Räume mit dem Hestia-Altare gegenüber ein Speise-
saal, in welchem die olympischen Sieger bewirtet wurden.
Dass unser Triklinium-Saal mit diesem Speiseraum
identisch ist, kann man kaum bezweifeln. Ob aber
auch in früherer Zeit das Festmahl an derselben Stelle,
also in der Westhalle stattfand, lässt sich nicht entseheiden.
Trotz der geringen Tiefe der Halle von 4,96 m ist es sehr
wohl möglich. In diesem Falle würden wir den grossen
Raum, welcher fast die ganze nördliche Hälfte des Ge-
bäudes einnimmt, für einen peristylen Hof und nicht
für einen bedeckten Saal zu halten haben. Es schliesst
das nicht aus, dass zur Zeit der olympischen Spiele,
also im Sommer, das Festmahl der Sieger zuweilen
auch in diesem Hofe stattfand.

Die Ost halle ist nicht so gut erhalten als die eben
besprochene Westhalle; von ihrer südlichen Hälfte wurde
kein Stein mehr an seiner alten Stelle gefunden, nur im
Norden sind einige Stücke der Umfassungsmauern und
drei Säulenbasen in der Flucht der Aussenmauer flehen
geblieben. Da diese Reste dieselben Abstände von der
Hauptaxe des Gebäudes haben, wie die entsprechenden
Mauern der Westhalle, so brauchte ich kein Bedenken
zu tragen, die Halle in ihrer südlichen Hälfte sym-
metrisch zu ergänzen. Es muss allerdings betont werden,
dass wir keinen bestimmten Anhaltspunkt dafür haben,
dass die nach dem Hofe gerichtete Wand ebenfalls von
einer Säulenstellung durchbrochen war, wie in dem er-
gänzten Grundrisse angenommen ist. Da die Osthalle
in einer anderen Höhe liegt als ihr weltliches Gegen-
stück, braucht eine volle Symmetrie nicht durchgeführt
zu sein. Beide sind auch schon darin abweichend
gestaltet, dass die Osthalle an ihrer Aussenwand Säulen
und keine geschlossene Wand hatte. Wohin diese Öff-
nungen führten, ist nicht klar, weil sich unmittelbar vor
ihnen der Ausläufer des Kronoshügels erhebt, also ein
Zugang zum Prytaneion von dieser Seite kaum möglich
war. Da sich in römischer Zeit hier ein grosser vier-
eckiger Ausbau befand, liegt die Vermutung nahe, dass
auch früher eine ähnliche Anlage vorhanden war.
Über den Zweck der östlichen Halle können wir in
Ermangelung bestimmter Anhaltspunkte keine Meinung
äussern. Wir sehen zwar, dass die Römer auch hier
in einem höheren Niveau einen Saal anlegten, der mit
einem Wasserbecken und schönem Mosaikfussboden ver-
sehen war; allein über die Bedeutung dieses Raumes
wissen wir nichts. Es mag nebenbei darauf hingewiesen
werden, dass das Becken mit seinem beiderseitigen runden
Abschluss in denselben Abmessungen und in derselben
Bauart in dem Vorraum des antiken Unterbaues der
byzantinischen Kirche wiederkehrt.


Figur 27. Ziegelsäule im Prytaneion.
Wie viele von den Säulen des grossen Hofes
noch vorhanden sind, sieht man aus dem grossen
Grundrisse. Von einigen Säulen sind nur noch Funda-
mente vorhanden, von anderen flehen noch Reste des
Schaftes aufrecht, die meisten sind aber ganz ver-
schwunden. Bei dieser gründlichen Zerstörung war es
nicht möglich, den östlichen Abschluss des Peristyls mit
Sicherheit zu ergänzen. Die Säulen waren aus Back-
steinen erbaut, die besonders zu diesem Zweck hergestellt
waren; es sind sehr dicke halbkreisförmige Ziegel, die
mit regelmässigem Fugenwechsel übereinandergeschichtet
sind. Den Rest einer solchen Ziegelsäule veransehaulicht
Figur 27. Auch die Fundamente sind bei dieser Säule
 
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