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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0095
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Das Buleuterion (Tafel LV — LVIII).

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noch ausdrücklich betont, dass die Gestalt und selbst
die Ordnung der sämtlichen Innensäulen unbekannt ge-
blieben ist; nur bei dem Südbau sind einige Säulen-
trommeln in situ gefunden, ohne dass die Höhe der
ganzen Säule und die Form ihrer Kapitelle hätte er-
mittelt werden können.

b. Baubeschreibung.
Im IV. Bande der »Ausgrabungen« S. 40—46 habe
ich bereits eine ausführliche Beschreibung der einzelnen
Gebäude des Buleuterion gegeben und brauche daher
hier nur diejenigen Punkte zu berühren, welche dort
nicht genügend oder unrichtig besprochen sind. Wir
bedienen uns dabei auch hier für die einzelnen Teile
der ganzen Anlage der Bezeichnungen: Südbau, Mittel-
bau, Nordbau und Vorhalle.
Als Baumaterial ist überall Porös in regelmässigen
Quadern verwendet worden; die Steinart ist bei den
verschiedenen Bauten eine abweichende und stammt
scheinbar bei jedem aus einem anderen Steinbruch.
Zu den Fundamenten der Vorhalle hat man nicht nur
neue Steine benutzt, sondern auch altes Baumaterial
der verschiedensten Form. Wir fanden dort dreizehn
dorische Säulentrommeln mit je sechzehn Furchen
und sehr ftarker Verjüngung (z. B. D. = 0,26—0,36 m),
mehrere Säulentrommeln ohne Furchen (D = 0,51 —
0,62 m), eine grosse Anzahl von Quadern mit Putz und
ausserdem ein Fragment von einem Geison des Zeus-
tempels. Neben dem Porös hat man als Baumaterial
nur noch gebrannten Thon zum Dach und weichen
Mergelkalk zu kleinen Baugliedern (z. B. zu den Nagel-
köpfen des Architravs am Nordbau) und vielleicht auch
zu einigen Metopen verwendet.
Die Geftalt des Grundrisses ist früher im Ganzen
und auch im Einzelnen richtig beschrieben worden.
Für die seltsame Form des Südbaues, dessen Umfassungs-
linie einer abgeschnittenen Ellipse gleicht, habe ich auch
jetzt noch keine befriedigende Erklärung finden können.
Die Unterschiede zwischen den Breitenmassen am Anfang,
in der Mitte und am Ende des Hauptsaales sind zu gross,
als dass man an ein Versehen oder ein späteres Ver-
schieben denken könnte, und wiederum zu gering, um
an irgend eine beabsichtigte künstlerische Wirkung zu
glauben. Denn als der Bau noch aufrecht stand, wird
man die Abweichungen vom regelmässigen Rechteck
kaum bemerkt haben. Jetzt fällt die Krümmung der
Längswände sehr auf und zwar besonders in der
Nähe der Apsis, wo sie am stärksten ist, und wo die
Fugen auch nicht mehr der Vorderseite parallel laufen,
sondern nach dem Mittelpunkt der Krümmung ge-
richtet sind.
Auch die Gestalt der Innensäulen hat nicht ge-
nauer als früher bestimmt werden können. An Ort und
Stelle slehen in dem Südbau noch zwei ungefurchte
Trommeln aufrecht. Da sie keine Basen haben, darf
man bei dem Alter des ganzen Gebäudes nur an dorische
Säulen denken. In dem ergänzten Durchschnitte habe
ich demnach auch dorische Säulen zeichnen lauen: die-

selben sind aber so auffallend schlank, dass man lieber zwei
übereinander slehende Säulenreihen ergänzen möchte.
Eine solche Annahme ist jedoch kaum durchzuführen,
weil der Zwischenarchitrav dann mitten in die Frontsäule
tresfen würde. Da die vorhandenen beiden Trommeln
aus anderem Material bestehen als der ganze übrige Bau,
so muss auch die Möglichkeit erwogen werden, ob die
Säulen in ihrer jetzigen Gestalt nicht aus jüngerer Zeit
slammen und daher auch korinthische gewesen sein
können; in diesem Falle dürften vielleicht die in den
Fundamenten der Vorhalle verbauten alten dorischen
Trommeln für die ursprünglichen Innensäulen in An-
spruch genommen werden. Es ist leider nicht möglich,
sich für eine bestimmte Lösung zu entscheiden.
Irrtümlich hatte ich früher die zu der Vorhalle des
Gela-Schatzhauses gehörigen und in der byzantinischen
Westmauer gefundenen Säulen dem Innern des Nord-
baues zugeschrieben (a. a. O. S. 43); nachdem sich
diese Zuteilung als falsch herausgestellt hat, lässt sich
über die Innenarchitektur des Nordbaues gar nichts
sagen. Von seinen äusseren Säulen besitzen wir vielleicht
ein Kapitell, welches in der byzantinischen Ostmauer
vor dem Buleuterion gefunden worden ist. Man findet
es auf Tafel XXXV abgebildet und oben Seite 54 er-
wähnt. Es hat eine sehr altertümliche Form und würde
mithin recht gut zu den alten Bauformen des Nordbaues
passen; doch muss die Zuteilung in Ermangelung sicherer
Beweise ungewiss bleiben.
Über das Gebälk der einzelnen Bauten ist nichts
Neues zu sagen, weil in dem letzten Jahre, der Aus-
grabungen keine weiteren Stücke entdeckt worden sind.
Die beiden Simen, welche früher (a. a. O. S. 44) ver-
mutungsweise zugeteilt waren, scheinen nicht zum Bu-
leuterion zu gehören, nachdem sich der auf Tafel LVII
gezeichnete Traufziegel durch seine Rundung als zuge-
hörig erwiesen hat. Denn wenn das eine der beiden
halbrund abgeschlossenen Gebäude Traufziegel und keine
Sima hatte, wird voraussichtlich auch das andere ebenso
ausgestattet gewesen sein. Jene Simen können daher
höchstens für den Mittelbau oder die Vorhalle in Betracht
kommen.
Wie die Ostfront des Mittelbaues gestaltet war,
hat sich nicht bestimmen lassen; da die erhaltene Vorder-
wand sehr abgetreten ist, sind wohl mehrere Ösfnungen
in der Wand anzunehmen. Es ist die Frage aufgeworfen
worden, ob der Mittelbau überhaupt eine Decke gehabt
hat. Ich zögere nicht, hierauf entschieden bejahend zu
antworten. Denn erstens ist seine Umfassungswand
ebenso stark wie diejenigen des Nord- und Südbaues,
und sodann liegt das im Innern erhaltene Fundament
genau in der Mitte des Gemaches, wie es für eine die
Decke tragende Stütze notwendig ist. Hätte auf dem
Fundament das von Pausanias erwähnte Standbild des
Zeus Horkios gestanden, so würde man das Fundament
wahrscheinlich näher an die Rückwand geschoben haben.
Ausserdem bin ich jetzt, im Gegensatz zu meiner
früheren Ansicht, davon überzeugt, dass der Mittelbau
der Sitzungssaal der Bule gewesen ist, und dass die
beiden anderen Bauwerke als Verwaltungsgebäude ge-
dient haben. Dass sich der mittlere quadratische Saal
 
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