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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0162

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LÜNEBURG • RATHAUS

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oder wie die in wenigen Resten überkommene Farbverglasung des Fürstensaales von 1606 (s. S. 128) notfalls auch
weitgehend erneuert wurden, bezeugen zahlreiche Rechnungsbeträge (s. Reg. Nr. 21 f., 24). Mangelnde Pflege und
Fürsorge im Laufe des 17. und 18. Jh. dürften dann die Bestände nachhaltig beeinträchtigt und ihre Entfernung
zugunsten farbloser Verglasungen begünstigt haben. Daß hiervon vor allem Räume betroffen waren, die im 19. Jh.
neuen Nutzungen zugeführt worden sind, wurde bereits erwähnt. Was etwa mit den von Gebhardi beschriebenen
Glasmalereien der Neuen Schreiberei und der Sodmeister-Körkammer geschehen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.
Daß hiervon irgendwo Reste erhalten geblieben sein sollten, ist dennoch wenig wahrscheinlich. Andererseits wurden
noch 1861 Reste einer mutmaßlichen Erstverglasung des alten Ratssaales aus der Zeit um 1330 an das Weifenmuseum
in Hannover abgegeben (s. S. 118), ohne daß diese zuvor jemals erwähnt worden wären. Dies macht deutlich, wie
überaus zufällig und bruchstückhaft unsere Kenntnis der einst im Lüneburger Rathaus vorhandenen mittelalterlichen
Glasmalereien, wie überaus lückenhaft die Überlieferung dieses einzigartigen Denkmälerbestandes ist9.
Erhaltung: Obwohl vor allem der Zyklus der Neun Guten Helden in den Fenstern der Giebelwand der Gerichtslaube
und das Bürgermeister-Fenster in der angrenzenden Körkammer durch die umfangreichen Ergänzungen Horns in
ihrer Authentizität stark beeinträchtigt sind, bieten gerade diese Farbverglasungen dem heutigen Betrachter ein erstaun-
lich einheitliches, durch Verwitterungserscheinungen wenig beeinträchtigtes Gesamtbild. Dieser erfreulich positive
Eindruck beruht einmal auf dem hohen Anteil an harten, wenig verwitterungsanfälligen Farbgläsern, zum andern,
wenn auch in geringerem Maße, auf der Reduktion der transparenzmindernden Korrosion der weichen Farbgläser
während der 1976 bzw. 1982 durchgeführten Restaurierung durch die Glasmalerei-Werkstatt Dr. H. Oidtmann, Linnich.
Weniger positiv fallt das Urteil über den Zustand der Propheten- und Weisenmedaillons in den Ostfenstern der
Gerichtslaube aus. Obgleich hier der Anteil originaler Glassubstanz viel höher liegt, müssen umfangreiche Bemalungs-
verluste in den Inschriften, aber auch in den Figuren diesen Scheibenbestand schon früh beeinträchtigt haben, wie
alte Übermalungen nahelegen. Bei der jüngsten Restaurierung konnten zumindest die weitgehend erloschenen Inschrif-
ten durch Hinterlegung mit nachkonturierten Deckgläsern (Taf. XIVa, b) wieder lesbar gemacht werden. Ohne die
derart beeinträchtigte Originalsubstanz anzutasten, konnte das Erscheinungsbild dieser Farbverglasung durch diese
Maßnahme nicht unwesentlich verbessert werden. Um ein weiteres Fortschreiten der umweltbedingten Verwitterung
zumindest zu verlangsamen und die bei einer Außenbewetterung zwangsläufig auftretende Schwitzwasserbildung
auf der Innenseite der Gläser in Zukunft zu unterbinden, wurden alle drei Farbverglasungen durch eine aus ästhetischen
Gründen in Rechteckfeldern bzw. Rauten unterteilte isothermale Außenschutzverglasung gesichert. Die in zwei Fen-
stern des Kämmereiflügels eingesetzten, bisher nicht restaurierten und gesicherten Wappenscheiben sollen 1992 einen
entsprechenden Schutz erhalten.

Vorbemerkung %um Katalog: Sämtliche im Lüneburger Rathaus erhaltenen mittelalterlichen Glasmalereien waren bereits
im Frühjahr 1972 von R. Becksmann für das deutsche CVMA photographiert worden. Von den während der Bergung
im Zweiten Weltkrieg von D. Isserstedt angefertigten Aufnahmen blieben nur diejenigen der Bürgermeisterbildnisse
in der Körkammer erhalten. Da es die besten Aufnahmen sind, die von diesen Scheiben in ausgebautem Zustand,
d.h. ohne Schutzgitter, existieren, werden sie hier — verwunderlicherweise zum ersten Mal — abgebildet. Den übrigen
Abbildungen liegen die 1972 in situ angefertigten Aufnahmen zugrunde - mit einer Ausnahme. Für die Glasmalereien
der Ostfenster der Gerichtslaube wurden die nach der Restaurierung von der Glasmalerei-Werkstatt Dr. H. Oidtmann,
Linnich, angefertigten Aufnahmen ausgewählt, um den durch die Restaurierung veränderten Zustand dieser Scheiben
dokumentieren zu können. Die vorliegende Bearbeitung des Bestandes konnte sich auf Literaturnotizen und Bestands-
angaben von U.-D. Korn, die dieser 1975/76 und 1981/82 zusammengetragen hatte, sowie auf die 1976 bzw. 1982
vorgelegte Restaurierungsdokumentation der Linnicher Werkstatt stützen. Die Angaben zum Bestand und seiner
Geschichte wurden im Sommer 1991 nochmals vor Ort aus nächster Nähe überprüft

9 Den bisher einzigen Versuch einer systematischen Erschließung der
Quellen zur Lüneburger Rathausverglasung hat M. Mollenhauer in
ihrer nicht abgeschlossenen und daher unpubliziert gebliebenen Arbeit
über die Lüneburger Glasmalerei des Mittelalters (Ms. des Urkundenka-
taloges in der Arbeitsstelle des CVMA in Freiburg i. Br.) unternommen;

auf ihren Vorarbeiten fußt denn auch die Zusammenstellung der Quellen
im Regestenanhang (s. S. 260 f.). Eine komplexe Auswertung aller Quel-
lengattungen dürfte sicherlich noch manche Aufschlüsse zutage fördern,
konnte aber auch für diesen Band nicht durchgeführt werden.
 
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