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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,1.1916

DOI issue:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1916)
DOI article:
Grupe, Margot: Das Deutsche in der Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.14295#0103

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die nichts anderes zu tun haben, sich also mit Kleidung und Mode be»
schäftigen, wäre an sich weder erstaunlich noch verwerflich. Hätten sie
nur ehrlich bekannt, daß es ja nur die Freude an der Sache war, nur die
Wonne, auch einmal an der Spitze zu stehen, Mode zu machen, die
andern nach der Pfeife tanzen zu lassen, die sie bliesen, so wäre wenigstens
das Bild klar gewesen. Nun aber wurden große Worte gebraucht, große
Veranstaltungen gemacht, Volkswirtschaft, Vaterlandsliebe, Deutschtum und
deutsche Kultur ins Treffen geführt — und das erst hat den Widerspruch
entfacht. Sonst hätten wir hilflos lächelnd, spottend auch diese Mode
über uns ergehen lassen, sicher wissend, auch sie gehört bald der Ver»
gangenheit an. Segelt man aber unter so stolzer Flagge, wie die so sehr
junge Dame, „Deutsche Mode" genannt, so darf man sie nicht sich selbst
und falschen Freunden überlassen; denn die Flagge kann nicht mit Ehren
bestehen, die sie führt. Es gilt nicht nur das Ansehen dieser jungen Dame
allein, sie zieht zu viele mit sich ins Verderben, wenn ihr der Wille gelassen
wird.

Was dachte man denn, als man eine „deutsche" Mode schaffen wollte?
tzat man überhaupt gedacht? Kommt es nur darauf an, aus einem engen
Rock einen weiten zu machen und den tzut als Scheuklappe zu tragen?
Und das ist eine „deutsche" Mode, was jetzt auf dem ganzen Erdenrund
gleichermaßen getragen wird? Wieso deutsch? Unsre Grenzen sind ja
gar nicht für Modebilder und Beschreibungen gesperrt. Wie wir die
jetzige Mode bekamen, war sie da etwa anders in der Schweiz, in Frank-
reich, in Amerika? Ließen wir uns da nicht wie früher anregen, beein-
flussen und — imponieren? Kann eine Mode noch national sein oder
werden? Man kann die Welt nicht rückwärts schrauben. Was sich im
Verkehr der Völker entwickelt hat unter bestimmten Formen und Lebens-
bedingungen, das geht seine Bahn weiter, selbst wenn Hunderttausende
sich dagegenstemmen — was sie ja nicht einmal tun. Solange die Mode-
macher keine weiteren Gesichtspunkte haben als die, stets nur schnell wech-
selnd Neues zu bringen, ohne daß es auch Gutes ist, so lange ist es auch
völlig gleich, ob wir französische, amerikanische oder Wiener Mode haben.
Ein Trost ist es sogar, zu denken, daß diese „deutsche Mode" eben durch«
aus nicht deutsch ist, ja: alles andre als deutsch und daß sie sogar zu all
unsern Feinden besser paßt als gerade zu uns.

Ewig schade nur, daß wir selbst dieses Mal, wo es verhältnismäßig
leicht gewesen wäre, die internationale Dame nicht aussperrten, sondern
ihr mit dem Ehrentitel deutsch sogar den Eintritt erleichterten. Dabei
war sie just das Gegenteil dessen, was wir in dieser Zeit brauchen und
vertragen konnten.

And da ist der springende Punkt. In einer Zeit, da die Gedanken jedes
Deutschen auf ernste, größeste Dinge gerichtet sind, da alle Lmpfindungen
ausgewühlt sind, da jeder täglich eigene oder andere Menschensorgen und
Schmerzen miterlebt, in einer Zeit, da wir eine allgemeine Einkehr in
unser Wesen halten, unsre Fehler suchen, das Gute erstreben, in solcher
Zeit setzt man die deutsche Frau in eine den Charakter der Sorglosigkeit.
des Puppenhaften, Putzsüchtigen, Verschwenderischen tragends Mode. Setzt
sie auf die Straße neben den zerschossenen Feldgrauen, auf die Arbeits-
stätte, auf der sie wichtige Arbeit, große.Aufgaben hat. Wer glaubt,
schaffen zu können, sei es eine Mode, sei es ein Einzelkleid. muß Stil-
gefühl haben. Wer an dieser Mode geschaffen hat, hat aber bis jetzt

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