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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,1.1916

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Heft 3 (1. Novemberheft 1916)
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Avenarius, Ferdinand: Mißbrauch der Photographie zur Völkerverhetzung: an neuen Beispielen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14295#0154

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„publizistische Berufsehre" nennen. Das zeigt sich schon in der gewöhn«
lichen Berichterstattnng. Ein Bericht, der Unwahres mitteilt, ist eben
kein Bericht, er betrügt also die Leser mit falscher Ware. Als ein neues
Beispiel genüge: das Handelstauchboo't „Dentschland" — was man als
solches zeigt) stellt es nicht dar — tut nichts: die „Berichterstattung" mit
der „Camera, die nicht lügen kann", schien doch zu Ehren des Entente-
Nachrichtendienstes „prompt zur Stelle". Kämen wirklich einmal deutsche
Zeitungen in diese Leserkreise, so verböte nach Entente-Auffassung der
„Patriotismus", den Schwindel aufzudecken, wie er ja auch die Abbildung
der von mir gesammelten verleumderischen Urkundenfälschungen und schon
die Besprechung meines Buches für Englands, Frankreichs, Rutzlands
und Italiens Machtbereich verbietet. Währenddem aber sind die Ein«
geweihten, die Agenten in den neutralen Ländern eifrig dabei, in der
deutschen Presse nach Bildern, die sich umlügen lassen, zu suchen. Es ist
drollig, mit welcher „Andacht" man selbst aus ganz alten deutschen Zei«
tungen die alleraktuellsten Bilder „schöpft". Da zeigt „Daily Mirror"
„Deutschlands letztes Aufgebot", datz man sehe, wie alte Herren bei uns
zur Front müssen — sie treten alle im schwarzen Frack und mit dem
Zylinder an und werden mit wallendem Federbusch empfangen. Düppeler
Veteranen von wie sie vor dem Kaiser zum Lehrter Bahnhof mar«
schieren! „Nuevo Mundo" führt uns „den deutschen Generalstab eines
Armeekorps" vor, wie er nach einer Niederlage in Flandern trauervoll
abzieht. Ganz in Friedensuniformen. Rnd weder Pferde noch Autos, alle
zu Futz. Eine alte Photographie, vielleicht von einer Beerdigung, bei
der die Sonne die Teilnehmer blendete!

Fälschungen durch falsche Nnterschrift sind heute noch gerade so gut
an der Lagesordnung, wie als ich vorjahrs den Stoff für meine Schrift
sammelte. Ich erinnere von neuen solchen „Taten" an das Rmlügen
einer Kirchenzerstörung durch die Italiener in eine durch die Deutschen,
an das Nmlügen eines Züricher Eisenbahnwagens mit Schulkindern in
eine deutsche Not-Schule, an das Bild der Wäscherinnen am Festungs-
grabeN) die der Pretzmann drüben zur „Zwangsarbeit" verdammte, indem
er obendrein einen dabeistehenden deutschen Soldaten Gewehr und Pickel-
haube antuschte. Aber obgleich das alles außer englisch auch sranzösisch
sprach, sprach es doch eine „plumpe Sprak". Die eigentlich Gerissenen
machen's feiner. Wie raffiniert war zum Beispiel gleich eines der ersten
Hehblätter aus „The Great War": der Mann, der angeblich den ver-
brannten Rest des Fußes einer Tochter in der Hand hielt. Selbst wenn
das stimmte, was würd' es gegen uns beweisen, ohne daß man die näheren
Amstände vom Tode seiner Tochter wüßte? Aber die erste Wirkung war
doch greuelkammermäßig schlagerhaft. Allmählich erst kam der Gedanke:
sonderbar, sich nach solchem Erlebnis so photographieren zu lassen! Dann
der zweite: ist das nicht gestellt? Der dritte: ist der Gesichtsausdruck
nicht geschickt zurechtgetuscht? Der vierte: ist denn das, was der Mann
hochhält, überhaupt ein Futz? Es kann doch ebensogut irgendwas andres
sein! Wer sich der Sache länger hingibt, erkennt, daß er anfangs einfach
suggeriert worden ist. Aber wer gibt sich solcher Prüfung erst hin?
„Drüben" wird vielleicht von zwanzig oder von hundert Betrachtern nur
einer eine andre Erinnerung an das Bild behalten, als die von einer
photographischen Arkunde deutscher Greueltat.

Immerhin, man kann sich noch einfacher helfen. Sogar ohne datz man
 
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