hinsehn wird, dann wird man auch wissen, welch einen Plastiker unser Volk
durch Boehles frühen Tod verloren hat. Aber das sieht man ja auch
aus seinen Bildern. Die „Europa", beispielsweise, ist ja beinahe eine
Plastik in Landschaft.
Boehle, der einsame Maler, Zeichner, Bildhauer hat nur dreiundvierzig
Iahre erreicht. Ich möchte zum Schluß auf seine „Einsamkeit" zurückkom--
men. Ganz unwillkürlich habe ich nun das Wort in Anführungszeichen
gesetzt. Seine Einsamkeit war eben keine. War der denn einsam, der
mit offnen Augen die Treidelpfade am Main hinauf wanderte oder mit
Frachtschiffen rheinab fuhr, wahrend jedes Tier, jeder Busch, jede Wolke,
einzeln oder in Gruppen, auf ihn einsprach? Oder mit diesem Volk, das
er darstellte, verwandtschaftlich nahe zusammenlebte? Oder mit dem Ge«
tier eigner Zucht bei seinen kleinen und großen Familien- und sonstigen
Freuden und Leiden als der Gescheitere, aber auch als der ganz herzlich
Beteiligte dabei war? Der ein „tzeimatkünstler" war, wenn einer?
Wir andern verbringen unsere Zeit so oft zwischen hundert Bildern,
tausend Büchern, zehntausend Zeitungsblättern und einer Million Ge«
schwätzen, lassen das alles auf uns scheinen und scheinen darauf zurück,
und merken bei diesem tzin- und tzergeflirr meist gar nicht, daß> das doch
alles nur mit Reflexen geschieht. Dast wir meist nur dem Gast im
leeren Spiegelsaale gleichen, der unzählbar viel Köpfe von vorn, von der
Seite, von hinten sieht, und letzten Endes sind sie doch alle e r. tzöchstens
mit den paar andern dazu, die auch an den Tischen sitzen und mit deren
bißchen Kopf der Gesellschaftsbau eine pompöse Plusmacherei betreibt.
W o ist dabei, was doch allein Erleben heißen darf: ein tzerausholen
aus den Dingen selbst?
Demnach empfiehlt es sich vielleicht, Boehle sogar daraufhin anzusehn, ob
nicht auch in ihm etwas von „Erzieher" steckt. Man braucht den ja nicht
in dem Grobian zu suchen, der unzweifelhaft in feinen Böcken herumlief.
Boehle schmeckten die sogenannten Werte unsers sogenannten Kulturlebens
dünn. Sie schienen ihm Aufguß, ohne Nährkraft, auch wenn Kunst-Muskol
und Wahrheit-Imitol darein verrieben, und Prickelgeist hineingepumpt
war. Er hatte den undekadenten Menschentrieb zum vollsaftigen Selbersein.
And nicht durch seine Marees-, tzildebrand- und Antiken-Schulung, son-
dern dadurch kam das in ihm zum Wuchse, was ihn zwar nicht als
„hermlichen Kaiser" der deutschen Kunst erwies, aber doch als einen Prinzen
aus dessen tzaus. A
Gott, Wirklichkeit, Tod
Zu den Totentagen
^rv^enn jemand in eigenstem Erleben fragt, weshalb dies oder das sein
Mmußte, so wollen wir ehrfürchtig schweigen, selbst wenn wir theo-
retisch meinen, etwas daran zurechtstellen zu können. tzier liegt
oft Innerlichstes bloß, das bei der wohlmeinendsten Berührung schmerzt.
And Hier wollen die Fragen, weshalb die Wirklichkeit nicht anders ist,
als sie ist, ein Tasten bedeuten nach ihrem rechten Sinn. tzier ist alles
lebendig und wirklich, und selbst von dem offenbaren Ausbiegen aus dem
durch Boehles frühen Tod verloren hat. Aber das sieht man ja auch
aus seinen Bildern. Die „Europa", beispielsweise, ist ja beinahe eine
Plastik in Landschaft.
Boehle, der einsame Maler, Zeichner, Bildhauer hat nur dreiundvierzig
Iahre erreicht. Ich möchte zum Schluß auf seine „Einsamkeit" zurückkom--
men. Ganz unwillkürlich habe ich nun das Wort in Anführungszeichen
gesetzt. Seine Einsamkeit war eben keine. War der denn einsam, der
mit offnen Augen die Treidelpfade am Main hinauf wanderte oder mit
Frachtschiffen rheinab fuhr, wahrend jedes Tier, jeder Busch, jede Wolke,
einzeln oder in Gruppen, auf ihn einsprach? Oder mit diesem Volk, das
er darstellte, verwandtschaftlich nahe zusammenlebte? Oder mit dem Ge«
tier eigner Zucht bei seinen kleinen und großen Familien- und sonstigen
Freuden und Leiden als der Gescheitere, aber auch als der ganz herzlich
Beteiligte dabei war? Der ein „tzeimatkünstler" war, wenn einer?
Wir andern verbringen unsere Zeit so oft zwischen hundert Bildern,
tausend Büchern, zehntausend Zeitungsblättern und einer Million Ge«
schwätzen, lassen das alles auf uns scheinen und scheinen darauf zurück,
und merken bei diesem tzin- und tzergeflirr meist gar nicht, daß> das doch
alles nur mit Reflexen geschieht. Dast wir meist nur dem Gast im
leeren Spiegelsaale gleichen, der unzählbar viel Köpfe von vorn, von der
Seite, von hinten sieht, und letzten Endes sind sie doch alle e r. tzöchstens
mit den paar andern dazu, die auch an den Tischen sitzen und mit deren
bißchen Kopf der Gesellschaftsbau eine pompöse Plusmacherei betreibt.
W o ist dabei, was doch allein Erleben heißen darf: ein tzerausholen
aus den Dingen selbst?
Demnach empfiehlt es sich vielleicht, Boehle sogar daraufhin anzusehn, ob
nicht auch in ihm etwas von „Erzieher" steckt. Man braucht den ja nicht
in dem Grobian zu suchen, der unzweifelhaft in feinen Böcken herumlief.
Boehle schmeckten die sogenannten Werte unsers sogenannten Kulturlebens
dünn. Sie schienen ihm Aufguß, ohne Nährkraft, auch wenn Kunst-Muskol
und Wahrheit-Imitol darein verrieben, und Prickelgeist hineingepumpt
war. Er hatte den undekadenten Menschentrieb zum vollsaftigen Selbersein.
And nicht durch seine Marees-, tzildebrand- und Antiken-Schulung, son-
dern dadurch kam das in ihm zum Wuchse, was ihn zwar nicht als
„hermlichen Kaiser" der deutschen Kunst erwies, aber doch als einen Prinzen
aus dessen tzaus. A
Gott, Wirklichkeit, Tod
Zu den Totentagen
^rv^enn jemand in eigenstem Erleben fragt, weshalb dies oder das sein
Mmußte, so wollen wir ehrfürchtig schweigen, selbst wenn wir theo-
retisch meinen, etwas daran zurechtstellen zu können. tzier liegt
oft Innerlichstes bloß, das bei der wohlmeinendsten Berührung schmerzt.
And Hier wollen die Fragen, weshalb die Wirklichkeit nicht anders ist,
als sie ist, ein Tasten bedeuten nach ihrem rechten Sinn. tzier ist alles
lebendig und wirklich, und selbst von dem offenbaren Ausbiegen aus dem