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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,1.1916

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1916)
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Stapel, Wilhelm: Bauern und Städter
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Weinel, Heinrich: Warum keine Reichskirche?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14295#0267

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Dinge so weit hat kommen lassen. Denn sie alS das »Gewissen deS Bol«
kes^ HLtte die empfindlichen Verbitterungen, die hier heraufkeimen, zu»
erst erkennen, hatte zuerst von ihren Kanzeln die Pflichten, die der Wirt-
schaftskrieg von uns fordert, lehren sollen.

Der Wirtschaftskrieg legt dem Dolke das sittlich Schwerste auf, daS
jemandem auferlegt werden kann. Er ist die letzte Probe auf unsern Wert.
Bestehn wir sie nicht, so bringt uns der außere Waffensieg nicht innerlich
vorwarts. Die Leidenschaften würden darnach arger unter uns hausen
als je zuvor, und eine der verwüstendsten davon würde der tzatz zwischen
Stadt und Land sein. Aber Opfer bringen und Opfer annehmen macht
uns einander lieb und wert. Die Opfer, die der Bauer dem Stadter
bringt, werden, so „unklug" sie dem geschäftlich Denkenden erscheinen,
edelste Frucht bringen: sie werden uns recht innerlich zu einem Volke
machen. Wilhelm Stapel

Der Aufsatz wurde vor Veröffentlichung der beiden Briefe tzindenburgs
an den Reichskanzler geschrieben. Durch diese Briefe ist auch die Aufgabe,
von der wir hier handeln, so in den Vordergrund gestellt worden, wie sie
es verdient.

Waruur keine Reichskirche?

(Gchluß)

^^bensowenig wie diese grundsätzlichen Einwände ist die Behauptung zw-
U^treffend, datz die bestehenden Landeskirchen durch die
^^Reichskirche eine Einbutze erlitten. Bezzel geht wieder so
weit, von einer„Nnifizierung^zusprechen, die ohne Preisgabe der Errungen-
schaften der einzelnen Landeskirchen nicht durchgeführt werden könnte. Iahn
hat sogar gesagt, ich rLume schonungslos <!) mit der SelbstLndigkeit der
Landeskirchen auf. Große Worte, wo jeder sachliche Beleg fehlt. Es würde
sich bei der Reichskirche gar nicht um Dinge handeln, die die einzelnen
Landeskirchen bis jetzt betrieben haben, sondern um neue und größere Auf-
gaben, die das Deutsche Reich uns stellt. Wo aber, wie in der Gesang-
buchfrage, doch einmal in die Befugnisse der Landeskirchen eingegriffen
werden würde, da würde es sich um so notwendige Dinge handeln, datz
schon heute, wie eben in der Gesangbuchfrage, die Kirchen bereit sind,
unter allen AmstLnden zu einer Einheit zu gelangen.

Auch das wird immer wieder betont, zumal von Iahn, datz die Landes«-
fürsten eine Einbuße ihrer Kirchenhoheit erlitten. Und doch ist auch
davon keine Rede. Denn die Reichskirche wird ihnen nichts von den Rech-
ten, die sie haben, aus der tzand nehmen: „Die Sanktion und Publikation
der Gesetze, der Erlaß von Ausführungs« und Rotverordnungen, die Er-
nennung von Beamten des landesherrlichen Kirchenregiments und (nicht
überall) der Geistlichen, Berufung, Auflösung usw. der Landessynode, Ent-
sendung landesherrlicher Kommissare in sie, Bestellung eines Teils ihrer
Mitglieder und ihres Prasidenten" (Nach Friedrich). Noch weniger als
im Reich würden die Bundesfürsten aber an Ansehen einbüßen. Denn daß
der Kaiser als eine Art Oberbischof oder Zar an die Spitze dieser Reichs-
kirche treten würde, daran denkt niemand. Casaropapistische Ausgestaltung
unserer Kirche würde uns um Iahrhunderte in die Zeit von Byzanz zurück-
werfen und weder zum Segen des Vaterlandes sein — wegen der katho-
lischen Volksteile — noch zum Segen der Kirche. Ein einziges Mal ist in
 
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