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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,1.1916

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1916)
DOI Artikel:
Weinel, Heinrich: Warum keine Reichskirche?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14295#0269

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wenn es, wie die meisten Dinge, dste der Reichskirche überwiesen werden,
auf einen leeren Raum in der Landeskirche trifft. tzernach aber wird sich
schon mit innerer Notwendigkeit eine Versammkung wie der Reichskirchentag
durchsetzen und aus einer beratenden allmählich eine beschließende Ver*
sammlung werden.

Aber viele mögen das „Wahlwesen" überhaupt nicht leiden, und Iahn
spielt als besonders starken Trumpf den Satz aus, die Reichskirche sei nur
eine Station zum demokratischen Einheitsstaat! Ein andrer versucht wieder
den seit langem beliebten tzinweis auf unliebsame Vorgänge bei Berliner
Kirchenwahlen, die nachgerade ins Mythologische wachsen. Man muß über
solche Versuche lächeln, da seit „das Wahlwesen" fortschreitend fast
die gesamten Landeskirchen Deutschlands durchdrungen hat. Auch wer den
Wert der beamtlichen Leitung der Kirche noch so hoch einschätzt, wird doch
nicht verkennen, daß auch die Richtbeamten ihr Recht haben, gehört zu
werden. Wie das aber anders als durch Wahlen geschehen solle, hat noch
niemand angegeben. Ehe die ecclesia militans im zweiten Iahrhundert
die monarchische Spitze des Bischofs als das bessere Kriegsmittel erkannt
und ihm immer steigend die Gemeinde geopfert hat, ist darum auch in der
Urkirche die Wahl das gegebene Mittel gewesen, wie die Gemeinden sich
leiteten. Unbiblisch ist es jedenfalls nicht. Rnd ehe Luther die fürstlich
geleitete Landeskirche als Rotbau hat schaffen müssen, hat er genugsam
gesagt, daß die ihren Pfarrer selbst wählende und ihren „Kasten^ ordnende
Gemeinde sein Ideal sei. Geschichtliches und dogmatisches Recht ist also
auf der Seite des „Wahlwesens". Richtig ist nur, daß, wenn christliche
Männer wählen, sie der Welt das Beispiel einer Wahl ohne Gehässigkeit
und Beschimpfung geben sollten.

Endlich hat Iahn ausgeführt, daß alle Tätigkeiten, die der Reichskirche
zugewiesen werden sollen, mit einziger Ausnahme der Verständigung zwi-
schen den christlichen Völkern, jetzt in besseren tzänden seien. Die Mis-
sionskreise würden sich bedanken, von einer kirchlichen Spitze her ihre
Weisungen zu empfangen. Mag sein. Aber wem die Kirche wichtiger ist
als der Missionsverein, der weiß, daß die Kirche dadurch, den größten Scha-
den hat, daß sie nicht als Kirche Mission treibt. Eine deutsche Reichs-
kirche wird zumal in den deutschen Kolonien weit umfassender und ein«
dringender Mission treiben können als irgendwelche Vereine. Dabei sollen
die Missionsvereine durchaus nicht untergehen; im Gegenteil, sie werden,
von der Reichskirche getragen und unterstützt, noch besser arbeiten können
als seither und dabei doch genug Freiheit behalten, um auch eigene und
einer offiziellen Gemeinschaft wie die Reichskirche noch nicht erschlossene
oder von ihr nicht zu erschließende Wege zu gehen. Von der
Inneren Mission schweigt Iahn. Aber auch das ist der Kirche vom größten
Schaden gewesen, daß sie in der Innern Mission nicht ihre zweite tzaupt-
aufgabe nach der Wortverkündigung selbst in die tzand genommen hat, die
Tat helfender und heilender Liebe., Statt einer Vereinssache muß die Innere
Mission, der gerade durch den Krieg wieder neue Aufgaben zuwachsen,
zu einer gemeinsamen Sache des Volkes gemacht werden. Nur durch
ihre segensvolle, im Volksleben bemerkbare Arbeit kann die Kirche sich
stärkeres Interesse und ausgedehntere Mitarbeit im Volke erwecken. Wenn
Iahn weiter sagt, daß die Auslandsdeutschen durch den Kirchenausschuß
bereits ausreichend versorgt würden, so mag das richtig sein. Aber eine
ganz andere Teilnahme würde für all diese Dinge aufkommen, wenn nicht
 
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