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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,1.1916

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1916)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Vom kostbaren schönen Buch: auch etwas vor Weihnachten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14295#0279

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wie ein gebildeter Besucher, der weiß, wen er vor sich hat. Der weiß, daß
Häßlichkeit des äußern Verkehrs den Eindruck auch dessen stören und somit
die Wirkung dessen behindern würde, was er von rein Geistigem zu
vermitteln hat. Der weiß, daß eine Ruhe von ihm, dem Boten, aus-
gehen kann, die zum Hören sammelt. Zweitens: solch ein Buch ist Ausdruck
dessen, was es bringt. Das schöne Buch soll „einstellen^ auf das, was
es sagt. Aber nicht durch Außerliches, nicht durch Stofflichrs, nicht in
plump aufdringlichen illustrativen oder rebusartigen Beziehungen, in
welcheu gerade das alte Prachtwerk stark war. Der stellt mich doch nicht
am besten auf eine Aussicht ein, der meinen Kopf bei den Ohren nimmt
und hindreht. Sondern der tut es, welcher mich unmerklich dazu bewegt,
von mir aus in sie mich zu vertiefen. Das schöne Buch kann in mir die
besondere Stimmung erblühen lassen, die sich gerade diesem Samen öffnet.
Wenn ich's lese, ist mein Ich in einer Welt der vollkommenen Bornehm-
heit und der vollkommenen tzarmonie. Bur wer diese Stimmung kennt,
kennt auch das Ideal, dem der rechte Buchkünstler nachstrebt. Es ist eins,
das nicht nur Zivilisation, das in der Tat Kultur bietet.

Daß es keine festen Grenzen zwischen dem billigen und dem kostbaren
schönen Buche gibt, versteht sich. Wir haben einige Büchersammlungen,
die für ihre Schönheit erstaunlich preiswert sind, beispielsweise die „Tem-
pel-Klassiker" des Insel-Verlags. Ie feiner die Ansprüche, desto mehr ist
aber ein Anpassen an den einzelnen Fall geboten, und dann
hängt es von der Aufgabe ab, ob sich das Meistbefriedigende schon mit ge-
ringen oder erst mit hohen Kosten erreichen läßt. Bücher, wie etwa der
große „Faust" und die Bibel des Diederichsschen Verlags, oder die
„Kudrun^ des tzans von Weberschen in München und seine „Göttliche
Komödie" müssen ohne Nücksicht auf die Kosten hergestellt werden, um
ihren besonderen geistigen Wert als Buch entfalten zu können.

Soweir diese Bücher Bilder mitgeben, zerfallen sie nach der Aufgabe
in zwei Gruppen, je nachdem, ob es sich um Reproduktion vorhandener
Werke handelt oder um besondere Bildungen eben für dieses vorliegende
Werk. Von Büchern der ersten Art ist die große Ausgabe des Insel-Verlags
von Goethes Italienischer Reise mit den Goethischen tzandzeichnungen und
andern Kunstblättern, Dokumenten in ihrer Art klassisch zu nennen, ein
schlichteres Beispiel gibt die Insel-Ausgabe von Gobineaus „Renaifsance"
mit den Bildnissen der erwähnten Männer nach zeitgenössischen Porträts.
Kostbare Bücher der zweiten Art, mit eigens dazu gestalteten Bildern,
verlangen zur vollen Einheitlichkeit der ganzen Ausstattung das Letzte.
Ihrer hat sich besonders tzans von Weber angenommen. Bei Buchaus-
gaben wie „Das Leben eines Taugenichts" mit den SLeindrucken von
Preetorius oder der „Iohanna von Castilien" mit denen von Meid mag
man in kleinen Einzelheiten nicht zustimmen. Für mein Gefühl beispiels-
weise haben die Titelblätter noch nicht das Mögliche an Ruhe erreicht.
„Illustrationen" sind für den Leser ja immer Auseinandersetzungen oder
Glossen einer andern Persönlichkeit, daß sie nicht jedem entsprechen, versteht
sich also von selbst. Aber das wollen sie ja auch nicht: gerade darin liegt
ja solcher Gaben allerfeinster Reiz, daß sie uns die Anterhaltung zweier
geistreicher Leute vergegenwärtigen, von denen der eine spricht und der
andre zeichnet. — Die Dreiangelausgaben zeugen von einem Kunstfrohsinn
des tzerausgebers, der sich bei jeder Einzelheit genießerisch aushält, wie
der Züchter bei seinen Rosen.
 
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