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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,1.1916

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1916)
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Avenarius, Ferdinand; Stolterfoth, Georg: Weihnachten im Völkerhaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.14295#0331

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gegen das Hetzen, daß ich meine, der Erfolg könnte leicht der umgekehrte
sein, als man sich vorsetzt.

Endlich aber — und das ist eine Hauptsache: selbst wenn man es
darauf ankommen lassen und alle Schäden in Kauf nehmen wollte, weil,
wie der Erfolg der Entente zeige, hier ein Mittel zu unmittelbarem Ein«
druck auf die Neutralen sei —, so halte ich auch diese Erwägung aus zwei
Gründen für verfehlt.

Einmal: nicht wir, sondern die Entente kontrolliert, wie die Dinge
liegen, die Weltpresse. Ihre Beeinflussung durch England und Frankreich
gegen uns ist Iahtzzehnte alt. Hier liegt aller Nutzen langjähriger Organi-
sationsarbeit auf der uns feindlichen Seite. Was wir, als alle Wege
offen waren, nicht zustande brachten, wollten wir jetzt versuchen, wo alle
Welt im Kriegsrausch gegen uns ist? Wir haben in solcher Lage der Dinge
nur einen Verbündeten: die Vernunft der Dinge. Däzu — was ja nahe
damit zusammenhängt — die Aussicht, daß der Irrsinn dieser englisch-
französischen tzaß-Ausbrüche schließlich sich selbst auflösen, daß gerade
die sinnlose Wut dieser tzetze stutzig machen wird. Sollte es richtig sein,
diese unsre einzige Ehance, welche zugleich die einzig von Natur uns ge«
mäße Rolle uns zuweist, aufzugeben, indem wir Verrücktgewordene zu
überkreischen suchen? So wie wir jetzt stehen, kann doch wenigstens die
Vernünft der Welt, wenn sie vom tzaßgeheul angeekelt wird, sich unsrer
tzaltüng zuwenden. Ein von vornhinein zur Ohnmacht verurteilter Ver-
such, jenes Geschrei zu übertrumpfen, würde uns dieses Vorzugs berauben.
Er würde uns in Bezug auf das, was wir damit erreichen wollten, schwer-
lich mehr als ein verstehendes Lächeln eintragen.

Damit, daß das Geschick uns so die einzige Rolle zugewiesen hat, die
unsrer Art von Watur gemäß ist, soll nun freilich nicht gesagt sein, daß
wir in Dingen der Beeinflussung der öffentlichen Meinung keine Fehler
gemacht hätten. Es handelt sich dabei nicht darum, ob wir unserseits eine
so vollkommene Beherrschung der Weltpresse, wie sie den Lngländern
und Franzosen zufiel, nie mißbraucht hätten. Das können wir ohne
Selbstüberhebung nicht wissen, denn wir waren in dieser Lage nie. Wir
hatten auch kaum die Möglichkeit, uns in sie zu bringen. Wohl aber hätten
wir, glaube ich, die Möglichkeit gehabt, jener englisch-französischen Allein-
Herrschaft beizeiten immerhin ein Gegengewicht zu schaffen. Aber wir
meinten: die Tat allein müsse es tun. Indessen die Tat ist stets ja
und nein. Die Tat kann stets verschieden gedeutet werden. Die Eng-
länder haben es mehr mit dem Geist gehalten, der die Tat deutet. Ganz
abgesehen davon, wie sie dann diesen Geist beeinflußt haben, so ist der
Grundgedanke selbst doch wohl richtiger als der unsre. Die Wahrheit
freilich, falls nach der die Frage sein sollte, ist noch eine andre. Sie
scheint mir darin zu liegen, daß eins nicht ohne das andre sein sollte,
das Wort eine beginnende Tat, die Tat ein Beweis des Worts. Doch das
ist dann eine neue Sache.

Wir werden nach dem Kriege stärker als bisher an dieser Weltdeutung
Leilnehmen müssen. Rnsre Gesandtschaften werden weniger exklusive Klubs
und mehr geistige Ausstrahlungsmittelpunkte werden müssen. Hier ist sehr

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