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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 16 (2. Maiheft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0117

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„Bauer als Millionär" debütieren!
Als „Aschennmnn", von dem sich die
„Iugend" verabschiedet hat:

„Brüderlein fein, Brüderlein fein,

Mußt mir ja nicht böse sein!

Scheint die Sonne noch so schön,

Einmal mnß sie untergehn!"

Daß er so spät eintrat, wer mag's
verschuldet haben, wenn's eine Schuld
gewesen? Hätte sein Arbeitsfeld an
der Burg in jüngeren Iahren seiner
Spielfreude genügt? WLre er dann
der Liebling der Wiener geworden, als
der er gestorben ist? Bolksstücke, Pos--
sen, Operetten aber hat er geadelt, wo
immer er seine Kraft übte; und die
wirken weiter in die Menge hinein, als
sein Vansen, Kapuziner, Richter Adam
hätten wirken können. Und sie haben
auch diesem Publikum, das sich nun
einmal von Goethe, Schiller und Kleist
fernhält, wahrhaft künstlerischen Geistes
einen Hauch zugeführt.

Girardi war ganz Natur, Froh-
natur. Wenn andre erfolgreiche Schau-
spieler um ihn her mit dem Alter ma°
niriert wurden, wuchs bei ihm die
Schlichtheit bis zur Höhe der Persön-
lichkeit. Sein schönes, ein wenig ver-
schleiertes großes Auge herrschte über
die belebteste Bühne hinweg, sein zart
vibrierender Ton — bei seinen Nach-
ahmern unerträglich sentimental —
sang sich immer gleich in unser Ein-
geweide — um ein Goethisches Wort
sürs Gemüt zu brauchen. Er war gra-
ziös und zeigte das in der Sparsam-
keit der Bewegung. Ich sah ihn als
graden, tüchtigen Kerl in einer Ope-
rette und dachte an Bernhard Bau-
meister, hörte ihn in letzter Zeit als
Wurzel und dachte an Ioscph Kainz.
And es gab zwischen den dreien so gut
wie keine äußeren Beziehungen. Was
werden wir nie wieder erleben wie bei
ihm und in der Erinnerung doch noch
lange bewahren? Einen zum Volks-
lied aufgerückten Gassenhauer, das
Fiakerlied, und die beiden lächelnden
Kehrreime vom Sterben: „Da leg ich
meinen Hobel hin —" „Ein Aschen!"
In Wien wird das lange vorhalten,
denn dort gab's bis vor kurzem noch
Leute, denen diese Verse aus Rai-
munds, ihres Dichters und Darstellers,
Munde im Ohre waren.

Ferdinand Gregori

Theater draußen

rn schreibt uns aus dem Felde:
„Wir liegen jetzt über s? Monate
am gleichen Ort. Eine Stellung in
Moor und Sumpf, — manche Unter»
stände müssen jeden Lag dreimal aus»
gepumpt werden, weil sonst die Holz-
schuhe auf dem Fußboden schwimmen.
Wer Phantasie hat, kann sich das
übrige dazu denken.

Im Sommer ist es herrlich, still
und weltvergessen in der weiten Heide.
Man sucht sich ein Sonnenplätzchen
und blinzelt durch die roten Weiden»
zweige in die zitternde Luft. Im Ried-
gras klappern raschelnd ein paar
Wasserjungfern, irgendwo summt eine
Schwebefliege mit metallischklingendem
Ton, da am äußersten Stengel blitzt
ein Erlenblattkäfer, stahlblau, wie eine
schwarze Perle — und oben — ganz
oben kreist fast ohne Flügelschlag ein
großer Raubvogel.

Aber das ist nun aus. Ietzt ist es
kalt und naß, und in den Unterständen
noch feuchter als sonst. Rm 2 Uhr ist
es darin schon so dunkel, daß man
ohne Licht nicht mehr sehn kann. Und
Beleuchtung ist rar. Soll man lesen —
Herrgott, man kann nicht immer nur
lesen. Doppclkopf spielen? Rauchen?
Von 2 Uhr nachmittags bis abends
jO oder ss — das hält kein Mensch aus.

„Hör' mal, in D. ist morgen Thea-
ter!" — „Was, ist das wahr??" —
„Da müssen wir hin!"

„Richtige Schauspieler, auch Da»
men, zwei Stück!"

„Au, Mää . . . nsch! Was wird
denn gespielt?"

„Weiß ich nich, is doch auch ganz
egal."

„Aber du, da laufen wir ja beinah'
drei Stunden hin und dann im Dun»
keln zurück —?"

„Mensch, det is doch woll janz
piepe — wenn hier mal Theata je-
spielt wird, — det haste sonst woll alle
Lage?"

Der große Saal des Soldatenheims
ist gesteckt voll, mindestens 000 Mann,
es geht mit dem besten Willen keiner
mehr rein. Hinter dem Vorhang ist
schon Bewegung, ein Ieichen — mit
eincm Schlage Mucksmäuschenstille,
glühende Erwartung — Spannung
auf allen Gesichtern.

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